„Unterhaltung, Bildung und Kultur auf hohem Niveau“

„Unterhaltung, Bildung und Kultur auf hohem Niveau“
Der Intendant des Linzer Landestheaters Hermann Schneider sieht die Institution als „kulturellen Dienstleister“ und bringt bewegende Themen.

Mehr als 800 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus 40 Nationen. 326.000 Besucherinnen und Besucher in der Saison 2018/’19. Zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen und Preise: Intendant Hermann Schneider ist aktuell in vierter Spielzeit verantwortlich für alle Agenden des Landestheaters Linz. Ein Gespräch über die Wichtigkeit von Kultur und die kommenden Höhepunkte.

KURIER: Wie erklären Sie jemandem, der Sie nicht kennt und vielleicht noch nie im Landestheater war, was Sie machen?

Hermann Schneider: Mein Beruf ist, dass ich darüber nachdenke, was Menschen Freude machen könnte. Was möchten sie sehen oder hören? Was kann sie nachdenklich machen? Wo können sie einerseits vom Alltag abschalten und andererseits gleichzeitig verstehen, wie ihr Alltag funktioniert? Das ist jetzt sehr abstrakt. Konkret heißt das, dass ich mir Themen ausdenke und mit den Spartenleitern die entsprechenden Stücke zusammenstelle. Dann suche ich aus, wer die Geschichten erzählen soll.

Was waren Ihre persönlichen Highlights des vergangenen Jahres?

In der Oper war es Penthesilea, im Musical die Uraufführung von „Der Hase mit den Bernsteinaugen“, im Tanz waren es unsere Gastspiele, die wir unter anderen einen Taiwan hatten. Im Jungen Theater war es die Produktion „Tschick!“. Im Schauspiel ist es ein riesiges Bündel: Ein ganz frisches Highlight war die Premiere von „Immer noch Sturm“ von Peter Handke.

Wie waren die Reaktionen auf das Stück des doch umstrittenen Literaturnobelpreisträgers? Hat es Protestaktionen gegeben?

Überhaupt nicht. Das sprengt jetzt diesen Rahmen, aber ich habe das Gefühl, dass bei dieser Debatte ein großer Hass gegen Intellektuelle und Künstler dahinter steckt. Dass Handke törichten Blödsinn erzählt haben mag, kann sein. Und ein Künstler darf sich auch nicht ausschließlich hinter der Narrenfreiheit verbergen. Aber ich finde es erschreckend, was da passiert. Das niedergeschriebene Wort hat für einen Schriftsteller ethisch und ästhetisch eine andere Verbindlichkeit und dort findet man diese kritischen Aussagen nicht. Wenn es um seine Reden und um sein Erscheinen bei diversen Veranstaltungen geht, hat ein Schriftsteller genauso das Recht ein Idiot zu sein, wie jeder andere auch.

Sie inszenieren demnächst ja auch selber. Was erwartet das Publikum?

Ich werde „Unter dem Gletscher“ inszenieren. Das Publikum wird einige Überraschungen erleben – alle haben mit Vorurteilen gegenüber zeitgenössischer Musik zu tun. Man wird eine unglaublich singbare, eingängige Musik hören. Fast jede der Kompositionen von Michael Obst basiert auf alten, isländischen Volksliedern. Zeitgenössische Opern haben ja oft mit dem Vorurteil zu kämpfen, dass sie thematisch blutrünstig oder düster sind. „Unter dem Gletscher“ ist überwiegend heiter und komisch.

Zum Landestheater selbst: Was kann, soll, muss so ein großer Kulturbetrieb für die Umgebung leisten, in der er sich befindet?

Wir sind eine Kulturinstitution und müssen Kunst auf höchstem Niveau machen. Wir müssen mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln klug wirtschaften und damit die bestmögliche Qualität produzieren. Gesellschaftspolitisch geben wir mit unserer künstlerischen Arbeit Impulse, tragen bei zu einer Debattenkultur. Zusätzlich sollen wir Leute möglichst intelligent und geschmackvoll unterhalten – und da hab ich gar keine Berührungsängste. Wenn man das alles zusammenzählt, sind wir ein kultureller Dienstleister. Die Öffentlichkeit stellt uns Geld zur Verfügung und bekommt dafür Unterhaltung, Bildung, Wissen, Kunst und Kultur auf höchstem Niveau. Wir müssen schauen, dass wir damit möglichst viele Menschen erreichen.

Wie politisch darf und soll das Angebot denn sein?

Wir können uns dem ja gar nicht entziehen, wir sind einfach politisch. Wir erreichen jedes Jahr weit mehr als 300.000 Menschen, sprich wir haben eine gesellschaftliche Relevanz. Alleine über die Stücke, die wir spielen und die Themen, die wir setzen, sind wir politisch.

Stichwort: Öffentliche Gelder. Spüren Sie permanent den roten Sparstift?

Es ist absolut richtig, dass man sich dieser Verantwortung stellt. Das ist ja schließlich nicht mein Geld. Sondern es ist das Geld der Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt und dieses Landes, das sie mir anvertrauen, in der Hoffnung, dass ich damit etwas Sinnvolles tue. Ich habe dieses Bewusstsein sehr wohl. Mein Bestreben ist aber, dass das weder das Publikum bemerkt, noch die Künstlerinnen und Künstler, die hier arbeiten. Die müssen frei sein im Kopf, damit sie ihre Visionen verwirklichen können.

Wo hat denn das Brucknerorchester jetzt seine endgültige Heimat? Gehört das zum Musiktheater?

Ja, so ist es. Das Brucknerorchester ist das große Symphonieorchester des Landes Oberösterreich. Es ist Teil einer Holding, der Theater- und Orchester-GmbH. Darin gibt es zwei Firmen, das ist das Landestheater Linz und das Brucknerorchester. Aber das Brucknerorchester kann auch selbstständig arbeiten, etwa auf Tournee gehen oder Gastveranstaltungen absolvieren, zum Beispiel im Brucknerhaus. Aber die Heimat des Brucknerorchesters ist das Musiktheater.

Mit Anfang Jänner ist ja die Auflösung des Theatervertrages in Kraft getreten, sprich die Stadt Linz hat sich finanziell aus allen Verpflichtungen, das Landestheater betreffend, zurückgezogen.

Korrekt, seit 1. Jänner zahlt die Stadt nichts mehr für das Theater und für das Orchester. Das heißt konkret, dass die Gelder, die bis jetzt die Stadt bezahlt hat, vom Land übernommen werden. Das heißt auch, dass sich die Stadt von der größten und bedeutendsten Kulturinstitution, die sie hat, lossagt. Die Botschaft lautet klar: Wir wollen damit nichts zu tun haben. Das ist ein einmaliger Vorgang und sagt etwas über die Werte und das Weltbild der herrschenden Politik aus.

Was denn genau?

Dass nämlich die Leitung der Stadt Linz für Kultur und für diese Einrichtung nichts übrig hat, im wahrsten Sinne des Wortes. Es wäre durchaus eine Alternative gewesen zu sagen, wir können uns das in der gegebenen Höhe nicht leisten, aber es ist uns ein Anliegen, Teil dieses Kulturinstituts zu sein und zu zeigen, dass wir als ehemalige Kulturhauptstadt so etwas unterstützen. Das hat die Stadt nicht gewollt, die Stadt hat auch mit niemandem vom Theater geredet. Das alles zeigt einfach, dass das Landestheater diesen stadtregierenden Politikern nicht wichtig ist.

Hatten Sie zu diesem Thema ein Gespräch mit dem Linzer Bürgermeister Klaus Luger?

Er hat das Gespräch nie gesucht, kein einziges Mal, er ist auch nie hier im Theater gewesen. Das ist ja auch eine Aussage. Ich habe dann das Gespräch gesucht und da hat der Bürgermeister mir ganz leidenschaftslos mitgeteilt, dass er an einer weiteren Unterstützung kein Interesse hat.

Ja, das Land hat uns auch den Etat gekürzt, das stimmt. Aber das Land hat mit uns über diese Kürzungen und über Wege geredet, wie man diese Einsparungen umsetzen kann. Aber ab jetzt geht es sukzessive aufwärts.

Welche Premieren stehen noch an?

In der Oper kommen jetzt demnächst „Il Trovatore“ von Giuseppe Verdi und „Parzifal“ von Richard Wagner. Im Musical steht ein tolles Stück von Stephen Sondheim an, nämlich „Die spinnen, die Römer!“. In der Sparte Tanz freuen wir uns auf „Cinderella“, im Schauspiel auf „Nathan, der Weise“, im Jungen Theater auf „Die weiße Rose“.

Sie leben nun seit drei Jahren in Linz. Ihr Fazit?

Ich mag die Stadt, sie hat alle Vorteile einer Großstadt, ist aber überschaubar. Ich mag auch den Menschenschlag hier, es gibt eine Offenherzigkeit und viel Humor.

Was machen Sie, wenn Sie nicht am Theater sind?

Dann bin ich bei meiner Familie, bei meiner Tochter und meiner Frau.

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