Pöstlberger: Und jetzt auf eigene Rechnung

Lukas Pöstlberger auf der 14. Etappe der Tour de France von Carcasonne nach Quillan (183,7 km)
Lukas Pöstlberger setzt sich für die WM in seiner zweiten Heimat hohe Ziele. Von Gerhard Marschall.

Etwas mehr als 500 Kilometer Luftlinie ist Brest im äußersten Westen Frankreichs von Paris entfernt. Mit dem Rad ist es fast sieben Mal so weit, jedenfalls für die Teilnehmer an der diesjährigen Tour de France. Für sie ging es vom Start an der Atlantikküste in einem weiten Bogen über exakt 3.414,4 Kilometer zum Ziel in der Hauptstadt. Lukas Pöstlberger (29) absolvierte die anspruchsvolle Schleife für das Team BORA-hansgrohe.

Massensturz

Gleich am ersten Tag war der Oberösterreicher in einen Massensturz verwickelt. „Da liegen 70 Fahrer übereinander.“ Eine Woche lang habe er Schmerzen gehabt, aber es sei alles relativ glimpflich ausgegangen. Nicht so für Teamkapitän Peter Sagan, der in weiterer Folge aufgeben musste. Immerhin belegte Kapitän Nummer zwei, Wilco Kelderman, im Endklassement Platz fünf.

Alles abverlangt

Teammanager Ralph Denk spricht von einer Tour, die speziell gewesen sei: „Der aggressive Fahrstil, die Intensität hat den Fahrern alles abverlangt, war für die Zuseher aber richtig attraktiv.“ Das hat Pöstlberger genauso erlebt. Es war dies seine vierte Tour, so hoch sei das Tempo noch nie gewesen. „Ich war echt baff, dass man in der dritten Woche noch so schnell Radfahren kann.“ Mit 3h 47’12’’ Rückstand auf Gesamtsieger Tadej Pogarcar aus Slowenien schloss Pöstlberger auf Platz 116 ab. „Das spielt keine Rolle“, sagt er. Vermutlich werde seine Leistung in der allgemeinen Wahrnehmung an der Platzierung gemessen, nicht jedoch in der Szene. „Das ist ein hartes Geschäft.“ Letztendlich zählten nur die Arbeit für das Team oder ein Etappensieg.

Zeit für einen Sieg

Eine Etappe hätte er gerne gewonnen, gesteht er, freut sich aber mit seinem Teamkollegen, Landsmann und Freund Patrick Konrad. Er gewann die 16. Etappe in den Pyrenäen. „Da dabei zu sein und einen gewissen Beitrag geleistet zu haben, ist einfach lässig.“ Sie hätten im Vorfeld darüber gesprochen, dass es Zeit für einen österreichischen Tagessieg sei, erzählt Pöstlberger. Doch das sei leicht gesagt, es müsse sich erst einmal auch die Möglichkeit dazu auftun. Und letztlich gehe es immer um die Mannschaft. „Es kann nicht jeder jeden Tag sagen: Heute möchte ich gewinnen.“

In Schwanenstadt

Zurzeit ist Pöstlberger daheim bei der Familie in Schwanenstadt, den Olympiasieg von Anna Kiesenhofer hat er selbstverständlich live miterlebt: „Wahnsinn!“ Er kenne Anna schon lange, ihr sei gewisse zugutegekommen, dass sie nicht zu den Arrivierten zählte, wie seinerzeit er bei seinem ersten Sieg als Profi beim Giro d’Italia. Geärgert hat ihn, dass Kiesenhofer im Ziel von den enttäuschten Konkurrentinnen ignoriert wurde. „Das verstößt gegen den olympischen Gedanken und tut mir richtig weh.“

Polen-Rundfahrt

Nun bricht Pöstlberger zur Polen-Rundfahrt auf, zwei Wochen später geht es in ein Höhentrainingslager, anschließend zur Benelux-Tour. Ende September steht mit der Weltmeisterschaft das nächste Saison-Highlight an.

WM in Belgien

„Es wird sicher sehr belgisch“, sagt Pöstlberger und meint die für die Region typischen Strecken: verwinkelt, hügelig, Kopfsteinpflaster. Er verbringt das Frühjahr regelmäßig in Belgien zum Training, „ich kenne da oben so ziemlich jede Straße“. Der WM-Kurs liege ihm, die Form passe, weshalb er sich gute Chancen ausrechne. „Die Zielsetzung ist hoch, ein Top-fünf-Ergebnis oder sogar das Podium ist drinnen.“

Kommentare