Überlebenskampf zwischen Chance und Katastrophe

Belebeter Wochenmarkt am Rieder Hauptplatz
Seit Jahren gibt es Bemühungen, die Rieder Innenstadt wieder zu beleben. Die Ideen betreffen den Verkehr genauso wie neuen Wohnraum.

Am Beispiel Ried im Innkreis werden die Probleme kleinstädtischer Zentren sichtbar. „Die Rieder Innenstadt ist nicht tot“, widerspricht Stadtmarketing-Geschäftsführer Roland Murauer entschieden jedem Abgesang.

Im Gegenteil: Insgesamt 32.000 Quadratmeter Verkaufsfläche bedeuteten eine der größten Angebotsballungen in Oberösterreich. „Ried hat gegenüber vergleichbaren Städten eine Vitalität, die sich gewaschen hat.“ Auch Murauer räumt allerdings ein, dass die öffentliche Wahrnehmung mitunter eine andere ist. Vor Jahren hat ein schleichender Prozess der Entleerung des Zentrums eingesetzt, zurzeit liegen an die 40 Geschäftslokale brach. Leerstände gibt es nicht nur in weniger begünstigen Nebengassen, alleine auf dem Hauptplatz sind es aktuell sechs. Dem setzt Murauer entgegen, dass sich nur gut die Hälfte dieser Objekte in einem vermietbaren Zustand befinde. Und dass zuletzt 31 neue Betriebe angesiedelt worden seien, bei nur drei Schließungen. So habe sich auf dem Roßmarkt, „der vor einigen Jahren noch eine absolute Katastrophe war“, eine Reihe interessanter Spezialisten niedergelassen.

Das Thema ist jedenfalls akut und wird breit diskutiert. Auch zwei Kulturvereine, die Innviertler Künstlergilde und das 20gerhaus, setzen sich momentan mit der Frage auseinander: Was muss geschehen, um die Innenstadt wiederzubeleben? Das Projekt „myRiad“ möchte auf unkonventionelle Weise Bewusstsein für Stadtplanung wecken. Zudem soll ein Diskurs darüber angestoßen werden, wer über Nutzung und Gestaltung von öffentlichem Raum entscheidet.

Keine Konkurrenz

Vor drei Jahren hat die „Weberzeile“ ihre Pforten geöffnet und sich seither als Magnet entwickelt. Hier wird ein breiter Mix aus Konsum, Gastronomie und Freizeit abgedeckt. Bürgermeister Albert Ortig (ÖVP) sieht in dem Einkaufszentrum keine Konkurrenz zum angestammten Handel. Vielmehr ist er froh darüber, dass die „Weberzeile“ nicht am Stadtrand oder noch weiter weg steht. „Das wäre eine Katastrophe.“ Auch Marketing-Mann Murauer sieht Rieds Chance in der Kombination: „Das Einkaufszentrum deckt den Massenkonsum ab, die Geschäfte in der Innenstadt spezialisieren sich immer mehr.“

Impulse für die Innenstadt sind bis dato jedoch nicht im erhofften Ausmaß erfolgt. Auch um Kunden der „Weberzeile“ in die Stadt zu locken, wurden Plätze und Straße mit hohem Aufwand neu gepflastert. Unter dem Titel „Begegnungszone“ soll ein friedliches Nebeneinander aller Verkehrsteilnehmer stattfinden. Die Fußgänger haben auf dem Papier Vorrang, doch die Autos nehmen mehr Raum ein und sind obendrein stärker. Eine „ambivalente Sache“ nennt Bürgermeister Ortig das Verkehrsthema. Er setzt auf einen generellen Wandel in der Mobilität, denn Umbrüche seien in einer Kleinstadt nicht einfach.

„Die Lebensgewohnheiten sind immer noch stark danach ausgerichtet, dass man mit dem Auto am liebsten in das Geschäft hineinfahren würde.“ Auf dieser Meinung beruht das Rieder Konzept. In den 1980er-Jahren ging es darum, den Innenstadtverkehr neu zu ordnen. Dazu wurde auch der renommierte Verkehrsplaner Hermann Knoflacher eingeladen.

„Autos verbannen“

Er riet, die Autos aus dem Zentrum zu verbannen, etwa auf das Messegelände, mit dem Ried über einen Trumpf verfüge. Die Fußwege von dort in das Zentrum seien zumutbar, sofern sie attraktiv gestaltet würden. Doch die Rieder Kaufleute wussten es besser. Was womöglich anderswo richtig sei, gelte für Innviertler nicht. Statt das Zentrum zu beruhigen, wurde ein Einbahnring eingeführt, um möglichst viele Autos rund um und in das Zentrum zu pumpen. Er sei „kein fundamentalistischer Parkplatzbefürworter, eine komplette Fußgängerzone wäre aber ein Blödsinn“, sagt Murauer. Rieds Einzugsgebiet umfasse an die 200.000 Menschen, und rund 80 Prozent der Kunden kämen mit dem Auto in die Stadt. Doch mittlerweile ist die „Weberzeile“ auch diesbezüglich der bessere Anbieter. Von der Tiefgarage geht es trockenen Fußes direkt hinein ins Shoppingvergnügen. Zwei Stunden Parken sind frei. Das Stadtzentrum ist gebührenpflichtige Zone. Wohl ist neuerdings an bestimmten Aktionstagen und ab 16 Uhr Gratisparken, zu den übrigen Zeiten rückt jedoch die Sicherheitswache aus.

Mehr Wohnraum

Weitgehende Einigkeit herrscht darin, dass die Zukunft der Rieder Innenstadt davon abhängen wird, ob mehr Wohnraum geschaffen werden kann. „Die wahren Leerstände sind in den Obergeschoßen“, sagt Murauer. „Wir haben viel Potenzial, das momentan nicht ausgeschöpft wird“, pflichtet der Architekt und Stadtplaner Werner Bauböck (siehe Interview re.) bei. Dem Handel alleine werde die Wiederbelegung des Zentrums nicht gelingen, sagt Bauböck. Das gehe nur über mehr Bewohner und Gastronomie. Tatsache ist, dass am Abend und am Wochenende in der Innenstadt nur wenig los ist.

Weil der Schulschluss naht, bewertet Stadtvermarkter Murauer Rieds Entwicklung mittels Noten: „Wir waren auf einem römischen Einser, jetzt sind wir auf 2,5 – mit Tendenz, besser zu werden.“

Gerhard Marschall

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