ÖVP-Landeshauptmann Stelzer: "Meine Messlatte ist schneller, besser, günstiger“
Stelzer: Keine Bedingungen oder Vorgaben aus Oberösterreich.
Thomas Stelzer (58) ist seit 2017 Landeshauptmann und ÖVP-Landesparteiobmann von Oberösterreich.
KURIER: Die Landeshauptleutekonferenz und die Bundesregierung haben in einer gemeinsamen Sitzung beschlossen, Strukturreformen durchzuführen, um die Verwaltung zu vereinfachen und Kosten zu sparen. Wo besteht der dringendste Handlungsbedarf?
Thomas Stelzer: Die Ziellinie muss immer sein, was nützt es der Bürgerin und dem Bürger? Macht es die Dinge besser, schneller oder kostengünstiger? Sie haben nichts davon, wenn wir über Strukturen diskutieren, sondern man muss wissen, zu welchem Ziel man kommt.
Ein dringliches Anliegen ist die generelle Beschleunigung von Verfahren. Bei öffentlichen Verfahren ist es oft so, dass wir uns politisch einig sind, die Dinge beschlossen sind und die Finanzierung steht. Tatsächlich geht es erst aber in sechs bis sieben Jahren los. Wir haben das selbst schon verinnerlicht, aber das ist einfach zu lange. Wir wollen niemandem Rechte wegnehmen, aber man muss die Verfahren zeitlich kürzen. Wenn uns das nicht gelingt, fahren uns die anderen Standorte weltweit noch mehr um die Ohren, als das ohnehin schon der Fall ist.
Die Reformbereiche sind Gesundheit, Bildung und Energie, aber die Verfahrensbeschleunigung ist das Vordringlichste.
Ein aktuelles Beispiel ist der Neubau der Donaubrücke in Mauthausen, wo es wegen der Erhebung der Flugbahnen von Fledermäusen und Mittelspechten zu weiteren Verzögerungen kommt. Das ist im Naturschutz so vorgesehen und diese Gesetze wurden von den Politikern beschlossen.
Wir sind ein Rechtsstaat und es ist alles rechtlich grundgelegt. Es werden Rechte in Anspruch genommen. Es ist viel von der europäischen Ebene dazugekommen. Wir haben uns nun Konvolute geschaffen, die aufhalten. In Zeiten, wo wir um Vorsprung kämpfen, sind diese hinderlich. Daher müssen wir entschlacken mit dem Ziel schneller zu werden.
Es gibt mit den Gemeinden, den Ländern, dem Bund und der EU vier Ebenen der Verwaltung. Wo muss aufgeräumt werden?
Es geht darum, wer kann welche Aufgabe schneller und besser erledigen. Das muss man nun vorurteilsfrei diskutieren. In der damaligen Kurz-Regierung gab es unter Minister Moser bereits eine Reformgruppe, der auch ich angehört habe. Da ist schon einmal begonnen worden. Dieses Beispiel zeigt, dass man Dinge schnell auf die Straße bringen kann.
Sollen die Länder ähnlich der Schweiz Steuern einheben?
Das ist eine schöne Grundsatzdebatte. Oberösterreich hätte einen Vorteil. Ich halte es aber aufgrund der Größe Österreichs für nicht sinnvoll, weil das Bürokratie schafft. Es braucht Behörden für die Einhebung und die Kontrolle. Wir haben bereits eingespielte Vorgänge.
Es ist besser, eine sinnvolle Aufteilung der Steuermittel nach Aufgabenorientierung zu schaffen und sie entsprechend zu beschleunigen.
In welchen Bereichen sollen die Länder auf Rechte verzichten? Es gibt zum Beispiel die Forderung nach einem bundeseinheitlichen Jugendschutz, der derzeit je nach Land unterschiedlich ist.
Ich gehe vorurteilsfrei und ohne Bedingungen in die Gespräche. Meine Messlatte ist, ob es besser, schneller und kostengünstiger wird. Wir müssen uns das sehr zielorientiert und zügig ansehen.
Oberösterreichs Gemeinden stöhnen unter den Belastungen der Abdeckung der Spitalsdefizite, der steigenden Kosten für die Pflegeheime und dem Ausbau der Kindergärten. 280 der 428 Gemeinden können ihre ordentlichen Haushalte nicht mehr ausgleichen. Wie wollen Sie das lösen?
Länder und Gemeinden haben viele Aufgaben, bei denen die Kosten dynamisch wachsen. Die Verteilung der Steuereinnahmen aus dem Finanzausgleich stimmt hier nicht mehr, weil sie nicht mit den Aufgaben mitwachsen. Dieses Thema wird in der Reformgruppe ebenfalls behandelt. Ich habe das deutlich eingebracht, denn wir können nicht nur über Aufgaben und Strukturen reden, sondern auch darüber, wie das finanziert wird.
Es geht allen Ebenen gleich. Der Bund, die Länder und die Gemeinden haben für die Fülle der Aufgaben zu wenig finanziellen Spielraum.
Das Gesundheitssystem kostet viel Geld. Experten meinen, es sei die Finanzierung aus einer Hand notwendig. Zwei Hände (Sozialversicherungen, Länder und Gemeinden) führen zu ineffektiven Strukturen, siehe Überlastung der Spitalsambulanzen wegen zu wenig Arztordinationen.
Im Prinzip haben wir eine Finanzierung aus einer Hand, denn es zahlt immer der Bürger. Ich sperre mich nicht gegen Änderungen, aber es muss besser werden. Wir haben in Oberösterreich im Vergleich der Bundesländer zu wenig Ärzte im niedergelassenen Bereich, das ist belegbar. Deswegen werden die Spitalsambulanzen vermehrt in Anspruch genommen. Das muss gelöst werden.
Man muss sich ansehen, ob die Patientenlenkung funktionieren kann. Wir brauchen jedenfalls die Ärzte im niedergelassenen Bereich. Da müssen die Stellen geschaffen werden.
Die Sozialversicherung ist säumig.
In jedem Fall.
Wie kommt Oberösterreich aus der wirtschaftlichen Rezession? Das Land ist 2024 um 2,7 Prozent geschrumpft, 2023 um 1,7 Prozent.
Die Situation ist, wie sie ist. Es geht um die Einstellung, dass wir uns das zutrauen. Mit Jammern wird es nicht besser. Wir haben noch immer einen starken Arbeitsmarkt, was ein gutes Zeichen ist (Arbeitslosenrate von fünf Prozent im Mai 2025, Anm. d. Red.). Wir haben viele internationale und in der Innovation starke Unternehmen. Wir müssen die Investitionsmaßnahmen der deutschen Regierung zügig nutzen. Die EU muss sich viel stärker der Wirtschaft bewusst sein. Ein gutes Zeichen ist, dass die Beschränkungen der vergangenen Kommissionsperiode zurückgenommen werden. Das Land investiert heuer 1,5 Milliarden Euro. Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie sind für uns ein zentrales Momentum. Da gibt es schon viel, das müssen wir noch stärker ausbauen. Das dritte Thema ist die Sicherheit, wo Europa viel investiert. Wir wollen das nützen, in dem Rahmen, der uns als neutrales Land vorgegeben ist.
Ihre Stellvertreterin Christine Haberlander hat die Gesundheitsholding angewiesen, eine Gewaltambulanz für Frauen einzurichten. Diese Form der Anweisung ist ein ungewöhnlicher Schritt. Es gab Probleme im Krankenhaus Kirchdorf, die Holding war gegen die Schließung des Pflegeheimes Cumberland. Wie zufrieden oder unzufrieden sind Sie mit der Holding?
Gesundheit und Soziales sind zentrale Herausforderungen. Es gibt viele Wünsche, einen hohen Bedarf und auch eine hohe Qualität. Das fordert immens. Die Holding ist unser Unternehmen mit vielen Standorten und Tausenden von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Wer mich kennt, weiß, dass ich dafür bin, dass wir immer zu den Besseren gehören. Es gibt Bereiche, wo wir schneller und besser werden können.
Die SPÖ bekommt mit Martin Winkler einen neuen Vorsitzenden, am 3. Juli wird er Mitglied der Landesregierung. Seine Werte Leistung, Respekt und Sicherheit könnten auch von einem ÖVP-Politiker stammen. Welche Erwartungen verknüpfen Sie mit Winkler?
Ich werde versuchen, mit ihm gut zusammenzuarbeiten. Wir werden sehen, wie sich die SPÖ mit ihm aufstellt.
Ist er ein möglicher Koalitionspartner?
(lacht) Jetzt machen wir in dieser Periode einmal gut weiter. Wir haben genug zu tun. Was nach 2027 sein wird, spielt sich in meiner Planung noch nicht ab.
Ist die Koalitionsfrage nach 2027 offen?
Sie ist bei jeder Wahl offen. Wir wollen die Nummer eins bleiben und stark sein.
Die Koalition mit der FPÖ funktioniert auf Landesebene. Aber Manfred Haimbuchner und seine Führungsleute attackieren regelmäßig die Bundes-ÖVP. Warum macht das die Landes-ÖVP umgekehrt nicht?
Wir sagen immer klar, dass wir mit der Landes-FPÖ zusammenarbeiten, aber dass wir das im Bund ganz anders sehen. Es werden von uns klare Unterschiede dort gesetzt, wo es nötig ist.
Die Legislaturperiode dauert regulär noch gut zwei Jahre. Welche Zielsetzungen verfolgen Sie?
Das Wichtigste ist, dass wir unserem Namen Oberösterreich gerecht werden und uns einen Vorsprung erarbeiten. Das gilt für den Standort, die Arbeit, die Wirtschaft. Es ist schwierig, aber wir haben die Möglichkeiten und Voraussetzungen dafür.
Wir wollen noch stärker in die neuen Bereiche Künstliche Intelligenz und Quantentechnologie hineingehen, uns einen Namen machen und Nutzen daraus ziehen. Wir wollen die hohen Standards in der Gesundheit und im Sozialen gemeinsam mit dem Bund so gestalten, dass sie für die Bürger gut leistbar bleiben.
Ist es realistisch, dass das tatsächlich so leistbar bleibt?
Das nehmen sich alle vor. Wir sind in unseren Aufgaben und Funktionen, weil wir das zustande bringen wollen.
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