„Temelin ist bei uns Alltag“

Milan Zálešák, Bürgermeister von Hohenfurth (Vyšší Brod), ist erfreut darüber, dass „jetzt auch der tschechische Staat versucht, gewisse Ungerechtigkeiten, die in der Vergangenheit passiert sind, ein bisschen gutzumachen“ .
Milan Zálešák, Bürgermeister von Hohenfurth (Vyšší Brod), über Trennendes, Verbindendes und die erfolgreiche Landesausstellung.

Seit sieben Jahren ist Milan Zálešák, 58, bereits Bürgermeister der südböhmischen Grenzstadt Hohenfurth (Vyšší Brod). Die 2600-Einwohner-Gemeinde liegt nur 13 Kilometer von der Mühlviertler Kurstadt Bad Leonfelden entfernt. Der Diplom-Ingenieur für Holztechnik war früher Chef der Grenz- und Fremdenpolizei in Kalten brunn (Studánky). Seine zweite Amtsperiode endet im Jahr 2014, dann möchte der zweifache Familienvater noch einmal kandidieren.

KURIER: Am 3. November geht die Landesausstellung im Kloster Hohenfurth zu Ende. Wie schaut die Besucherbilanz aus?
Milan Zálešák: Bis zum Schlusstag werden sicherlich um die 90.000 Gäste hier gewesen sein. Wir haben schon mehr als 80.000 zahlende Besucher gezählt, hinzu kommen noch jene, die ein Kombiticket an einem der anderen drei Ausstellungsorte gekauft haben.

Das heißt, die gesteckten Erwartungen sind erfüllt worden?
Auf jeden Fall, die Besucherzahlen haben die Prognosen klar übertroffen. Unser Budget war im Vergleich zu den anderen Ausstellungsorten doch deutlich geringer. Umso erfreulicher ist daher, dass unser Angebot auf so viel Interesse gestoßen ist.

Hat die Landesausstellung auch außerhalb des Klosters die Kassen klingeln lassen? Und falls ja, wer waren die Profiteure?
Wir haben die Ausstellung von Anfang an nicht nur als Kulturprojekt, sondern auch als Mittel zur Entwicklung der Region verstanden. Vor allem die gastronomischen Betriebe waren sehr zufrieden. Obwohl wir im Juni das Hochwasser hatten und Bootsfahrten auf der Moldau nicht möglich waren, sind sehr viele Leute gekommen. Das haben wir der Landesausstellung zu verdanken. Außerdem konnte die Hauptsaison erstmals bis November ausgedehnt werden, so lange bleiben auch die saisonalen Tourismus-Arbeitsplätze bestehen. Profitiert haben aber auch viele im Ort ansässige Handwerker wie Tischler oder Maurer.

Glauben Sie, dass es möglich sein wird, diesen ökonomischen Aufschwung in den kommenden Jahren mitzunehmen?
Das wäre enorm wichtig. Die Chance, die uns die Landesausstellung 2013 eröffnet hat, müssen wir unbedingt weiter nützen. Ein Vorteil ist, dass das Kloster in seinen Depots noch viele Kunstschätze hat, die in den nächsten Jahren ausgestellt werden können. Auf diese Weise ist es möglich, das Interesse am Stift aufrecht zu erhalten. Das verlangt natürlich auch Marketingmaßnahmen. Inzwischen haben wir aber verstanden, dass das Kloster eine spezifische Attraktivität ist, in der enormes Potenzial steckt, von dem die ganze Stadt profitieren kann. Diese Synergieeffekte gilt es zu nutzen und auszubauen.

Im Kloster fällt auf, dass auch baufällige Trakte jetzt noch neu eingerüstet und saniert werden. Können diese Erhaltungsarbeiten in den nächsten Jahren fortgesetzt werden?
Sehr viele Gebäude des Klosters befinden sich aktuell leider in einem bautechnisch noch schlechten Zustand. Aber auch sie sollen nach und nach restauriert werden. In Zukunft sind dabei vor allem die Aktivitäten der Abtei gefragt. Heuer war es noch so, dass die Renovierungsprojekte aus verschiedenen Förderquellen gespeist werden. Beispielsweise vom Kulturministerium, vom Kreisamt und ganz wichtig – vom ,Verein zur Förderung des Zisterzienserstiftes Hohenfurth‘ mit Sitz in Oberösterreich. Entscheidend für die Zukunft wird allerdings sein, wie erfolgreich die Erneuerung der Stiftswirtschaft ausfällt. Kommendes Jahr treten in Tschechien die Restitutionsgesetze in Kraft, sodass das Kloster seinen alten Besitz zurückbekommt. Unsere Hoffnung ist groß, dass damit eine solide Wirtschaftsgrundlage geschaffen werden kann. Ob das dann durch die Bewirtschaftung der Wälder oder die Verpachtung der Teiche erfolgt, wird sich zeigen. Mit den anfallenden Erträgen sollte die Renovierung jedenfalls weiter vorangetrieben werden.

Hat die Landesausstellung über den rein monetären Erfolg hinaus Ihrer Stadt sonst auch noch Entscheidendes gebracht?
Positiv war, dass Hohenfurth innerhalb kurzer Zeit bei den Kulturinteressierten sehr bekannt geworden ist. Die Marketingmaßnahmen des Landes OÖ haben uns dabei enorm geholfen, dafür sind wir dankbar. Die Folge war, dass Besucher aus aller Welt zu uns gekommen sind. Im Zuge der Projektumsetzung haben wir auch stets darauf geachtet, dass die gesetzten Maßnahmen möglichst nachhaltig wirken. Wir haben versucht, Werte zu schaffen, von denen auch kommende Generationen noch etwas haben. Beispielsweise ist die Stiftskirche restauriert worden und es ist gelungen, Ausstellungsräume für die Präsentation des Zawischkreuzes zu schaffen.

Besuchten mehr österreichische oder mehr tschechische Besucher die Landesausstellung?
Es waren eindeutig mehr Österreicher. Auf tschechischer Seite war die Landesausstellung ein Pilotprojekt – viele konnten sich darunter gar nichts vorstellen. Im Sommer war das Verhältnis aber nahezu ausgeglichen.

Wie würden Sie das Verhältnis zwischen Österreichern und Tschechen aktuell beschreiben?
Ich denke, dass es derzeit gute Standard-Beziehungen zwischen den Menschen diesseits und jenseits der Grenze gibt. Ich würde meinen, dass wir keine grundsätzlichen Probleme miteinander haben. Durch die EU wachsen die Grenzgebiete jetzt immer mehr zusammen, die Verhältnisse normalisieren sich. Auf lokaler Ebene ist die Kooperation im Zuge der Landesausstellung sehr gut gewesen, wir haben von der Kulturdirektion des Landes OÖ viel Unterstützung erhalten. Und als besonders positiv empfanden wir die persönliche Unterstützung durch Landeshauptmann Pühringer – der diese Kooperation seit Jahren vorantreibt. Eigentlich war er der Initiator, weil er das Potenzial des Grenzgebiets bzw. auch in Bezug auf das Denkmal Stift Hohenfurth erkannt hat. Letztendlich war auch er derjenige, der das Projekt in Budweis als seinen großen Wunsch dargelegt hat. Dadurch war möglich, die Landesausstellung umzusetzen.

Sind Temelin und die Beneš-Dekrete immer noch die am stärksten trennenden Themen zwischen den Menschen in der Grenzregion?
Ich glaube, dass beide Themen in Tschechien nicht ganz so aktuell wie in Österreich sind. Temelin empfinden wir als wichtiges Projekt, das einfach der Stromerzeugung dient. Es gehört zum Alltag und erregt keine besondere Aufmerksamkeit.Die Beneš-Dekrete sind ein Bestandteil unserer Vergangenheit. Es ist nicht immer leicht, damit fertig zu werden, aber es ist notwendig, sich dem zu stellen. Erfreulich ist, dass jetzt auch der Staat versucht, gewisse Ungerechtigkeiten, die passiert sind, zumindest ein bisschen gutzumachen. Vieles kann man natürlich nicht mehr ungeschehen machen, aber gerade die Rückgabe der Kirchengüter ist ein wichtiger Schritt, den ich sehr begrüße.

Gibt es in Hohenfurth viele Österreicher, die hier nach der Wende Grundstücke oder Immobilien erworben haben?
Nein, wir können nicht behaupten, dass sich die Österreicher groß bei uns einkaufen. Es gibt Landwirte, die hier Felder erworben haben und es gibt auch österreichische Firmen, die in Tschechien Filialen gegründet und sich hier beteiligt haben. Der größte Industriebetrieb in Hohenfurth ist derzeit die Firma Aumayr aus Linz, die mehr als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Wir wären froh, wenn andere Unternehmen das auch tun würden. Es gäbe hier viel Potenzial.

Stichwort grenzüberschreitende Kriminalität: Ist das in Ihrer Gemeinde auch ein Problem?
Die Grenzöffnung hat viel verändert. Auch bei uns ist die Kriminalität gestiegen. Früher hatte man bei den Grenzkontrollen doch einiges entdecken können. Die Steigerung der Verbrechensrate ist aber nicht auf die Menschen aus der Region zurückzuführen, sondern wird von Leuten verursacht, über die wir wenig wissen. Das wirksamste Mittel dagegen ist eine enge Kooperation der tschechischen und österreichischen Polizei.

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