"Stadtchef greift in Kindergärten ein"

"Stadtchef greift in Kindergärten ein"
Bildungs-Plattform "EduCare" kritisiert den Wertekatalog des Welser FPÖ-Bürgermeisters für Pädagoginnen.

Ein von FPÖ-Bürgermeister Andreas Rabl für die Kinderbetreuungseinrichtungen der Stadt Wels in Auftrag gegebener "Wertekodex" stößt bei den Bildungsexperten der Plattform EduCare auf Kritik: "Der Bürgermeister versteht unter Weiterentwicklung offensichtlich etwas anderes, als in der Präambel des österreichischen Bildungs-Rahmenplans zu lesen ist", sagt Plattform-Sprecherin Heidemarie Lex-Nalis.

Seit 2009 stelle der Rahmenplan die Grundlage für die pädagogische Arbeit in Kindergärten: "Österreich ist damit einer Empfehlung der OECD nachgekommen und hat endlich den Anschluss an das europäische Ausland gefunden", betont Lex-Nalis. Der Bildungsplan sei bewusst offen angelegt worden, um die Vielfalt pädagogischer Konzeptionen und die Methodenfreiheit in den einzelnen Einrichtungen zu berücksichtigen. "Bürgermeister Rabl bildet in seinem Kodex hingegen Werte ab, die für das gesamte Personal in Welser Kinderbetreuungseinrichtungen bindend sind."

Deutsche Gedichte

Der Plattform-Sprecherin missfällt, dass neben allgemeinen Verhaltensregeln auch ganz konkrete Bildungsanforderungen für die Kindergartenpädagogen definiert werden: "Im Kodex ist beispielsweise vorgesehen, dass mindestens jeweils fünf deutschsprachige Lieder und Gedichte zu singen bzw. vorzutragen sind. In Klammer wird darauf hingewiesen, dass eine konkrete Festlegung der Lieder und Gedichte erfolgt", beklagt Lex-Nalis.

Laut EduCare dürfe ein Stadtchef das aber nicht vorschreiben. Trägereinrichtungen seien angehalten, ihre eigenen Konzepte – orientiert am Bildungs-Rahmenplan – zu erarbeiten und Leitbilder zu erstellen. Dies verschaffe Eltern und Pädagogen Orientierung für die Auswahl des für sie passenden Kindergartens. Lex-Nalis: "In Wels wird aber künftig nach den Wertvorstellungen des Bürgermeisters gearbeitet."

Diese Kritik kann Andreas Rabl nicht nachvollziehen: "Unser Wertekodex befindet sich gerade in Ausarbeitung. Über Vorschläge von Kindergartenpädagoginnen dazu wird diskutiert, wobei Änderungen noch jederzeit möglich sind." Ab September könnte er in Kraft treten.

Kulturelle Grundwerte

Das pädagogische Konzept im Welser Wertekodex beruhe auf jenem des Kindergartens der Franziskanerinnen: "Es werden kulturelle Grundwerte, die Regelung des gesellschaftlichen Zusammenlebens und das Lösen von Konflikten angeführt", erklärt der Stadtchef. Angesichts von 67 Prozent Kindergartenkindern mit Migrationshintergrund in Wels sei die Aufregung über nur fünf zu lernende Lieder und Gedichte unverständlich: "Diese Kinder sollen in der Volksschule dem Unterricht auf Deutsch folgen. Nach zwei Kindergartenjahren fünf Lieder und Gedichte zu können, erscheint mir kein Unding."

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