Linz sprengt Rekorde– und alte Brücken
2016 wird auch ein hartes Jahr werden", sagte der Linzer Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ) in seiner Neujahrsansprache. So deutlich, dass die Landeshauptstadt ein veritables Finanzproblem hat, wollte der Bürgermeister dann aber doch nicht werden.
Mit 783 Millionen Euro steht Linz in der Kreide. Rechnet man die Verbindlichkeiten städtischer Betriebe wie der Wohnbaugesellschaft GWG und des Versorgers Linz AG dazu, sind es gar 2,3 Milliarden. Die bereits beschlossenen Schritte zur Schuldenreduktion würden nicht ausreichen, "es braucht weitere Kraftanstrengungen", rügte zuletzt der Direktor des städtischen Kontrollamtes.
Auch wenn den Verbindlichkeiten ein Vermögen von 5,2 Milliarden gegenüber steht, ist Linz so etwas wie der Schulden-Rekordhalter unter den Landeshauptstädten. Bezogen auf den Rechnungsabschluss 2013 weist die Stadt mit 3564 Euro die mit Abstand höchste Pro-Kopf-Verschuldung auf, noch deutlich vor Wien (2624 Euro), Graz (2210 Euro) und St. Pölten(2195 Euro). Weil hohe Schulden einen hohen Zinsendienst zur Folge haben, schränken sie auch den Investitionsspielraum ein. Von 1000 Euro Steuern bleiben in Linz gerade einmal 13,24 Euro für Investitionen. In Salzburg sind es 152 Euro.
Immerhin: "Wir haben im Budget 2016 keine Netto-Neuverschuldung", sagt Bürgermeister Luger. Das Blatt könnte sich aber rasch wenden, wenn die Stadt im Rechtsstreit mit der Bawag um den verlustreichen Swap (Kurs-Zins-Wette auf den Schweizer Franken, Anm.) den Kürzeren zieht (siehe Nachgefragt). Linz droht ein Schaden von mehr als einer halben Milliarde Euro, was einen neuen Rekordverlust aus einem Finanzgeschäft für eine Kommune bedeuten würde.
200.000 Einwohner
Abseits der tristen Finanzsituation gibt es in Linz auch Grund zur Freude. 2015 wurde erstmals die 200.000-Einwohner-Marke überschritten, seit 2005 wuchs die Bevölkerung um 6,5 Prozent. Neben starkem Zuzug aus dem In- und vor allem dem Ausland – fast ein Fünftel der Linzer sind Nicht-Österreicher aus insgesamt 149 Nationen – gab es auch eine Art Baby-Boom: 2014 wurden 2200 Kinder geboren, so viele wie seit 1971 nicht.
Parallel dazu wächst auch die Bevölkerung im Speckgürtel um Österreichs drittgrößte Stadt, die mit 210.000 Arbeitsplätzen mehr Jobs bietet als sie Einwohner hat – im europäischen Vergleich ein rekordverdächtiger Wert. Gerade Jungfamilien bauen im Grünen und pendeln zur Arbeit nach Linz.
Wichtige Arbeitgeber sind börsennotierte Großkonzerne wie die voestalpine, aber auch öffentliche Einrichtungen wie das neu gegründete Kepler-Universitätsklinikum. Das zweitgrößte Spital Österreichs nach dem Wiener AKH entstand mit Jahreswechsel durch die Fusion des Linzer AKh, der Landesnerven- sowie der Landesfrauen- und Kinderklinik. 6500 Menschen arbeiten dort unter einem Dach, in Zukunft dient die Uniklinik auch als Ausbildungsspital für die im Vorjahr gestartete Medizin-Fakultät der Johannes Kepler Universität. Im Endausbau ab 2028 werden in Linz 1800 Studierende zu Ärzten ausgebildet.
110.000 Pendler
Worunter sowohl Linzer als auch Einpendler stöhnen, ist der Verkehr. Knapp 110.000 Menschen fahren täglich meist mit dem Pkw zur Arbeit nach Linz, der Großteil aus den Bezirken Linz-Land (fast 25.000) und dem Mühlviertel (fast 50.000). Eine Entspannung durch den Bau des Westrings ist noch fern, derzeit liegt der Baubeginn der 650 Millionen Euro teuren und 4,7 Kilometer langen Stadtautobahn wegen Einsprüchen von Projektgegnern noch auf Eis.
Viele Staus verspricht unterdessen die endgültige Sperre der maroden Eisenbahnbrücke Ende Februar. Das historische Bauwerk wird nach einer Volksbefragung abgerissen und durch eine neue Brücke ersetzt.
Bis diese frühestens 2020 befahrbar sein wird, fehlt eine wichtige Donauquerung – zu Stoßzeiten sind die Ausweichrouten aber jetzt schon überlastet. Obwohl das Brückendilemma lange absehbar war, hat die Stadtpolitik eine Lösung über Jahrzehnte verschlafen. Auch wenn jetzt mit Notmaßnahmen wie Parkverboten in den Einfallstraßen reagiert werden soll, droht als Folge der Versäumnisse ein Verkehrschaos.
KURIER: Im Vergleich zu anderen Landeshauptstädten steht Linz finanziell ziemlich schlecht da. Warum bekommt man die Schulden nicht in den Griff?
Christian Forsterleitner: Solche Vergleiche hinken, denn es kommt immer darauf an, was eingerechnet wird. Ich bin mit der Höhe der Schulden auch nicht zufrieden, habe aber Schritte in die richtige Richtung gesetzt.Wir bauen heuer mehr Verbindlichkeiten ab, als wir aufnehmen.
Wird die Stadt Anteile an der Linz AG verkaufen müssen?
Eine Privatisierung der Linz AG kommt für mich nicht infrage. Eine der besten Argumente dagegen ist die Gründung einer Linz Holding, die uns helfen wird, viele Millionen zu sparen.
Was tun Sie, wenn die Stadt den Prozess mit der Bawag um den Swap verliert?
Das sind doch absolute Science-Fiction-Zahlen, die durch die Medien geistern. Nur weil ein Schaden behauptet wird, muss er nicht tatsächlich entstanden sein.
Die Fortsetzung des Prozesses verschiebt sich auf unbestimmte Zeit, weil Ex-Finanzdirektor Penn nicht einvernommen kann bzw. darf. Wie realistisch ist in der Zwischenzeit ein Vergleich?
Wir führen Gespräche mit der Bawag. Wenn wir uns auf einen vernünftigen Betrag einigen, ist das möglich. Aber wir gehen sicher nicht um jeden Preis einen Vergleich ein.
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