Im oö. St. Georgen im Attergau (Bezirk Vöcklabruck) sind rot-weiß-rote Flaggen gehisst. Vom Fenster des Kindergartens, beim Hotel, auch vor dem Kriegerdenkmal gleich neben der Kirche weht eine Fahne gemächlich im Wind.
Doch an diesem Nationalfeiertag sollten noch einige mehr dazukommen. Denn während die Tiroler Gemeinde Absam versucht, mittels Bescheid die Zelte für Flüchtlinge zu bekämpfen, hatte der St. Georgener Bürgermeister Ferdinand Aigner (ÖVP) zu einem Protestmarsch aufgerufen – inklusive Sperre der Auf- und Abfahrt zur A1. Denn die 17 Zelte, die beim Erstaufnahmezentrum Thalham spontan vom Innenministerium aufgestellt wurden, seien zu viel.
Unmenschlich
Die Uhr am Kirchenturm schlägt 9.30 Uhr. Es ist eine Stunde vor Versammlungsbeginn. Für Gabriele H. kein Grund, nicht schon jetzt ihre Botschaft zu übermitteln. Mit einem Plakat steht sie vor dem Gemeindeamt mit dem Holzbalkon, auf dem gerade ein riesiges Banner angebracht wird. „Mit so einem Haufen an Flüchtlingen kommen wir nicht zurecht. Man müsste sie aufteilen. Und denkt an die Flüchtlinge, die in den Zelten wohnen müssen“, sagt sie und schlägt damit in die Kerbe von Bürgermeister Aigner. Von ihm ist noch keine Spur, auch wenn ein Podium schon auf ihn wartet.
Bis er es gegen 10.45 Uhr betritt, versammeln sich zwischen 700 und 1.000 Menschen. Gerechnet hatte man mit bis zu 3.000. Der Großteil der Demo-Teilnehmer: Bürger, darunter Familien. „Es ist schon extrem geworden mit den Flüchtlingen“, sagt eine Frau, die dem Kind, das sie auf dem Arm trägt, das große Polizeiaufgebot zeigt.
Aber auch ungebetene Gäste lassen sich blicken, etwa Anhänger der Identitären-Bewegung und deren Sprecher Martin Sellner. Bereits am Vortag zeigte sich der Bürgermeister über solchen Besuch ernsthaft besorgt, was ihn am Mittwoch zu folgenden Begrüßungsworten veranlasst: „Hass und Krawalle haben an diesem Ort nichts zu suchen.“
Kopf im Sand
Denn man sei nicht ausländerfeindlich. St. Georgen leiste mit dem Erstaufnahmezentrum viel für die Asylpolitik. Man hat zusätzlich sogar 73 Waisenkinder aus der Ukraine aufgenommen, aber irgendwann sei Schluss. „Dieses über uns Drüberfahren lassen wir uns nicht gefallen“, richtet er Innenminister Gerhard Karner und der Landesregierung aus, die den Kopf in den Sand stecke. An der Seite von Aigner Vertreter aller Fraktionen, vor ihm ein Plakat mit den Worten „Keine Asyl-Zelte in Thalham. Für Menschlichkeit und Gerechtigkeit“.
Aigner erhält Applaus, sein Folgeredner, der grüne Gemeinderat Martin Plackner, der trotz der „unmenschlichen“ Zelte „keine Flüchtlingskrise wie 2015“ sieht, erntete für diese Worte Spott und Hohn.
Als schließlich der Marsch in Richtung Autobahn loszieht, ist er unter anderem aus Sicherheitsgründen nicht dabei.
Ende Abbiegespur
15 Gehminuten ist die Autobahn entfernt, es wird eine halbe Stunde. Gebremst wird der Zug vor allem durch die Gruppe, die das Banner „Für Grundrechte und Neutralität, gegen Spaltung und Impfmassnahmen [sic!]“ vor sich herträgt.
Weiter als bis zur Abbiegespur kommen die Demo-Teilnehmer jedoch nicht: Mit Scherengittern ist die Auf- und Abfahrt versperrt. Dahinter rund 100 Polizisten.
„Das ist einmal ein Grenzschutz. Nur an der falschen Stelle“, hört man es aus den Reihen, ehe der Bürgermeister zum Mikrofon greift: „Heute betreten wir die Autobahn noch nicht. Wir gehen jetzt wieder zurück.“ Dem schließen sich nicht alle an. Eine kleine Gruppe bleibt vorerst zurück. Jene, die Aigner ohnehin nicht eingeladen hatte.
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