Solarenergie boomt und wird gebremst

Fotovoltaik-Anlage auf den Dächern eines Bauernhofs
In Oberösterreich werden heuer bereits mehr Anträge auf Fotovoltaik als im gesamten Vorjahr gestellt. Es gibt hohe Hürden. Von Gerhard Marschall.

Für die angestrebte Energiewende soll verstärkt die Sonne angezapft werden. Wirtschaftslandesrat Markus Achleitner (ÖVP) ortet in der Fotovoltaik enormes Potenzial, zumal Wasserkraft und Biomasse weitgehend ausgeschöpft seien. Für Windkraft wiederum mangle es an Wind – im Gegensatz zum Widerstand, der den mächtigen Windrädern von Anrainerseite oft entgegen bläst. Absolute Priorität bei der Fotovoltaik haben für die Landespolitik Dachflächen, überwiegend auf Einfamilienhäusern. Das ehrgeizige Ziel bis 2030 wird durch das „200.000-Dächer-Programm“ klar abgesteckt.

Vier Calls

Um dorthin zu gelangen, wird viel Geld ausgeschüttet. Der Bund fördert Fotovoltaikanlagen je nach Größe in vier Kategorien. Für die in der Regel bei Privathäusern ausreichende Kategorie A bis 10 kWp gibt es 285 € pro kWp, zusätzlich für Stromspeicher 200 € pro kWp. Die Förderungen werden heuer in vier so genannten Calls vergeben. Aktuell wird der mit 60 Millionen Euro dotierte Topf zwei abgewickelt, im August und im Oktober gibt es weitere Termine. Interessenten müssen Tickets ziehen.

Massive Verzögerung

Ergänzend dazu fördert das Land Investitionen in Baumaßnahmen zur Erhöhung der Tragfähigkeit von Dächern (Private bis maximal 15.000 €) sowie die Errichtung von Energiegemeinschaften. Das Förderangebot wird in hohem Maße angenommen. Allein im Netzgebiet der Energie AG sind heuer bis dato mehr als 18.000 Anträge gestellt worden. Zum Vergleich: Im Vorjahr waren es in Oberösterreich insgesamt 9.043.

Nachfrage stösst an Grenzen

Doch die explodierende Nachfrage stößt an Grenzen. Erstens sind die technischen Voraussetzungen zu klären, und das dauert. Kein Antrag gehe verloren, doch komme es zu massiven Verzögerungen, heißt es seitens der Netz Oberösterreich GmbH, des Netzbetreibers der Energie AG. Wohl habe man sich für einen Anstieg gerüstet, sagt Geschäftsführer Manfred Hofer, „ein derartiges Volumen war aber nicht vorhersehbar“. Zweitens gibt es Lieferengpässe. Vor allem mangelt es an Chips, die überwiegend aus Asien kommen sollen. Das Problem am Beispiel Fronius mit Sitz in Pettenbach (Bez. Kirchdorf). Die Firma hat Anfang der 1990er-Jahre den Einstieg in die Sonnenenergie gewagt, seither hat sich die Sparte zum größten Standbein des Familienbetriebs entwickelt.

Chips fehlen

Für heuer ist die Produktion von 510.000 Wechselrichtern geplant, damit ist Fronius Nummer 1 in Europa. Eine Verdoppelung wäre möglich, heißt es aus dem Unternehmen. Es gebe das Potenzial, überdurchschnittlich zu wachsen. Doch könne der enorme Bedarf derzeit nicht gedeckt werden, weil etwa der Lieferrückstand bei Halbleitern ein halbes Jahr betrage.

Überlastete Installateure

Das Problem schlägt auf die Installationsbetriebe durch. Thomas Vorhauer, Projektleiter der Firma Doma in Hohenzell (Bez. Ried), bringt die Situation mit einem Wort auf den Punkt: „Katastrophal!“ Es gebe Aufträge bis Ende des Jahres, die vermutlich aber nicht abgearbeitet werden könnten. Zum einen fehle es an Material: PV-Module, Unterkonstruktion, Wechselrichter – alles nicht ausreichend verfügbar. Mit rund 300 Prozent beziffert Markus Rauchenecker, Eigentümer und Geschäftsführer von Marasolar in Reichersberg (Bez. Ried), das Nachfrageplus gegenüber dem Vorjahr. Der hohe Strompreis mache Fotovoltaik für Private wie Betriebe sehr interessant. Eine zusätzliche Motivation für Private sei die hohe Inflation: „Lieber jetzt noch eine PV-Anlage anschaffen, bevor das Ersparte weniger wert ist. Wie die gesamte Branche klagt Rauchenecker über Engpässe und lange Lieferzeiten bei der Materialbeschaffung. Als zusätzliches Problem nennt er den Rückstau bei der Förderabwicklung und bei Anfragen an die Netzbetreiber.

Fördersystem zu kompliziert

Obendrein sei das Fördersystem zu kompliziert, „es gehört um einiges vereinfacht“. Alleine der Aufwand, für Kunden um Förderungen anzusuchen, sei sehr aufwendig. Zudem seien Projekte in der vorgegebenen knappen Zeit kaum umsetzbar. Zu alldem komme der akute Arbeitskräftemangel speziell auch im wirtschaftlich überaus potenten Innviertel. Vorhauers pessimistischer Ausblick: „Unsere Einschätzung ist, dass sich die Lage nicht wirklich entspannen wird.“ Bis zu einer Leistung von 400 kWp sind Anlagen genehmigungsfrei.

Zu wenig Leitungen

Allerdings braucht es – und hier schließt sich der Kreis – den Sanktus des zuständigen Energieversorgers. Der muss prüfen, ob der reibungslose Betrieb sichergestellt ist und der zu Spitzenzeiten produzierte Strom eingespeist werden kann. Die Leitungskapazitäten sind allerdings beschränkt und müssen ausgebaut werden. Land und Energie AG haben dieser Tage eine Offensive angekündigt (siehe eigener Artikel). „Die Situation ist für die gesamte Branche sehr herausfordernd“, resümiert Martin Hackl, Marketing- und Vertriebsleiter bei Fronius.

Vieles ist zusammengekommen

Viel sei zusammengekommen und habe zu einem so massiven Peak geführt: Das Energieausbaugesetz sei mehrere Jahre lang verschleppt worden. Seit über einem Jahr würden die Strompreise massiv steigen, gefolgt von sehr hohen Gaspreisen. Das mache Fotovoltaik so rentabel wie nie, dazu komme das Thema Energiesicherheit. Kurzum: „Der Markt hat sich vervielfacht. Jetzt geht es darum, so rasch wie möglich zu reagieren.“

 

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