„Schoarl, mia grausdd voa deina“
Statt Wein in Auerbachs Keller fließt in Joschi Anzingers „GRANIDD fausdd“ Most in der Teufelbruckmühle bei Haslach.
Der Mundartdichter vom Pöstlingberg hat den wohl berühmtesten Stoff der vergangenen Jahrhunderte ins Mühlviertel verlegt und mit erdigem Dialekt aus der Region ausgestattet. Die Grundaussage ist jedoch unverändert geblieben. So wird aus dem Doktor Heinrich Faust der schuadl und aus Mephisto der ganggarl. Und das Gretchen, das in der Mühlviertler Version seinen Namen behält, stößt gegen Ende kein „Heinrich! Mir graut’s vor Dir“ hervor, sondern rügt ihren Ex-Geliebten mit ursprünglicher Mundart „schoarl, mia grausdd diaregdd voa deina“.
Erbe
Im Mühlviertel gibt es viele faustische Strukturen wie das Faustschlössl in Feldkirchen, den Schwammerling-Stein in Rechberg oder die Burgruine Prandegg, wo ich die Walpurgisnacht hinverlegt hab’.“ Für den Dialektdichter, der den Stoff des ersten Teils in 640 epische Strophen auf 150 Seiten verpackt hat, ist die Geschichte stets aktuell. „Die Verführung ist allgegenwärtig. Jeden Tag kommt jemand und will einem den Himmel auf Erden anpreisen“, ist der 53-Jährige, der sein Werk auch als Hörbuch auf 4 CDs veröffentlicht hat (erschienen beim Verlag Bibliothek der Provinz), überzeugt.
Fast zwei Jahre hat der Kreativkopf Anzinger, der sich angeblich zwingen müsse, nichts zu schreiben, an dem Mammutprojekt gearbeitet. Der Regisseur Franz Horcicka hat den GRANIDDfausdd für das Theater bearbeitet. Noch bis 25. August läuft das Stück mit Laiendarstellern auf der Seebühne Waldhausen.
Nibelungenlied
Der Faust war nicht der erste berühmte Stoff, den der Autor – der Vorstandsmitglied des Stelzhamerbundes ist – in den Westen des Landes verlagert hat. Vor drei Jahren erschien bereits sein „s mühlviaddla nibelungenliad“, ebenfalls mit Hörspiel-Fassung. Zuvor habe er ausschließlich Gedichte geschrieben, dann sei ihm vorgeschlagen worden, einmal etwas Großes zu machen. „Das ist so voll mit Pathos, das wollte ich mit neuem Leben einhauchen.“ Auch beim Epos bedient sich Anzinger einer Sprache, die heute kaum mehr benutzt wird. „Ich hab’ den Dialekt verwendet, der in meiner Kindheit in Altlichtenberg im Mühlviertel gesprochen worden ist.“
Natürlich habe die Mundart auch etwas Abgrenzendes an sich, weil sie nicht für alle verständlich sei. „Aber mein Slogan lautet, ich bin ein Literat der Region.“ Größere Verständigungsprobleme gebe es lediglich in Vorarlberg. Dem oft zitierten Satz, wonach Mundart die Sprache des Herzens ist, stimmt der rustikale Poet, vollinhaltlich zu. „Der Dialekt hat im Positiven wie im Negativen eine enorme Emotionalität, er ist saftig, kernig und auch sehr derb.“
Anzinger meint aber auch Tendenzen auszumachen, die den Dialekt ablehnen: „Mundart ist durch diverse volksdümmliche Aktivitäten zu Recht in Verruf geraten.“
Vita
Der 53-jährige Joschi Anzinger wuchs in einer Großbauernfamilie in Altlichtenberg im Mühlviertel auf. Seit mehr als 20 Jahren schreibt er Dialektgedichte. Anzinger arbeitet im Brotberuf als Fahrfertigmacher bei der Linz AG. Der Mundartpoet ist Vorstandsmitglied des Stelzhamerbundes. Er lebt auf dem Pöstlingberg.
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