"Schickt eure Talente raus!"

Paul Breitner mit dem Champions-League-Pokal, auf den der FC Bayern auch heuer ein Auge wirft.
Die Bayern-Legende über Chancen und Grenzen des österreichischen Fußballs.

"Der Bayern-Fan will eigentlich keine Spannung", sagt Paul Breitner (64) nach dem Achtelfinal-Knüller mit Happy End gegen Juventus in der Champions League. Aber immerhin sei das 4:2 nach Verlängerung ein sensationelles Spiel gewesen. Der KURIER traf den Welt- und Europameister, Champions-League-Sieger und Markenbotschafter des FC Bayern München zum Interview.

KURIER: Ärgern Sie sich eigentlich, dass Sie in den 1970ern und -80ern aktiv waren und es nicht heute sind? Sie hätten ein Vielfaches verdient.

Paul Breitner: Nicht eine Sekunde. Ich möchte nicht tauschen und wenn ich hundert Millionen Euro in der Minute kriegen würde. Ich durfte in einer Zeit spielen, in der man noch eine Privatsphäre hatte, in der man noch kein Popstar war, wo man noch nicht von morgens bis abends verfolgt wurde. Es gab keine Handys und kein Facebook, es war ein wunderbares Leben. Und ganz nebenbei haben wir auch damals sehr gut verdient. Wenn ich 1991 geboren worden wäre und nicht 1951, dann fände ich das heute vielleicht alles großartig. So wie der David Alaba.

Das ist ein gutes Stichwort. Hat der FC Bayern ein Auge auf weitere Österreicher?

Unser Verein steht auf zwei Säulen. Das eine ist die Jugendakademie, aus der auch David kommt. Wir haben sie 1996 gegründet und in 20 Jahren 70 Spieler ausgebildet, die heute in der ersten deutschen Bundesliga oder vergleichbaren Ligen spielen. Im Finale in Rio 2014 kamen fünf Weltmeister aus unserer Akademie.

Wir sind aber auch davon abhängig, uns mit den besten internationalen Spieler zu verstärken. Einen Lewandowski und einen Ribery braucht man nicht scouten.

Scouting spielt beim FC Bayern trotzdem eine wichtige Rolle.

Für unsere Akademie. Sie müssen sich das so vorstellen, es geht irgendwo in Südamerika ein achtjähriger Junge aus dem Wald, jongliert mit dem Ball, macht auf Maradona. Diesen Jungen sieht jemand, führt ihn in einen Verein. Innerhalb von vier Wochen ist dieser Junge auf der Watchlist von 50 Topclubs. Dann kommt es darauf an, wem es gelingt, eine Verbindung zum Umfeld, zu den Eltern herzustellen. Der FC Bayern achtet die Menschenrechte und verpflichtet keinen Nicht-EU-Europäer, bevor er 18 ist. Es gibt viele Vereine, denen das egal ist. Die holen sich rudelweise Jugendliche aus Brasilien oder Afrika, parken die in irgendwelchen Ländern und haben dann auf einmal wieder ein 16-jähriges Supertalent.

Wo könnte man in der österreichischen Bundesliga ansetzen, um den Abstand zur europäischen Spitze zu verkleinern?

Das Problem in Österreich ist: Ihr spielt auch Fußball, es gibt also andere populäre Sportarten. In Deutschland ist Fußball das ganze Jahr die Nummer eins. Dazu kommt, dass Fußball in Österreich nicht das Spektakel werden kann wie bei uns, dafür ist das Land zu klein. Es gibt keine großen Arenen. Das sind Grenzen, über die die Liga schwer hinwegkommt.

Ihr werdet dann wieder vorne mitspielen, wenn ihr kapiert, dass ihr eure 14-jährigen Talente rausschicken müsst nach Deutschland, England oder Holland.

Dass Österreich jetzt international eine Rolle spielt und bei der EM ist, liegt an den Alabas. Und am Trainer Marcel Koller. Ich predige seit Jahrzehnten, ihr braucht einen Teamchef, der nicht Österreicher ist, der nicht eure Mentalität hat, der aber damit umgehen kann. Dafür bin ich immer abgewatscht worden. Siehe Bericht Seite 8.

667 Millionen Euro schwer ist die Wertschöpfung, die in Österreich mit Fußball erzielt wird. Das entspricht immerhin 0,23 Prozent des BIP, mit dem Kick sind hierzulande 23.000 Jobs direkt oder indirekt verbunden.

Dennoch trennen Österrich Welten vom großen Fußball-Nachbarn Deutschland, gerade wenn es um Stadion-Infrastruktur, wirtschaftlich gesunde Clubs und letztendlich auch um sportliche Erfolge geht. Paul Breitner, Fußball-Legende und Markenbotschafter des FC Bayern München, brachte die 400 Besucher beim Investment-Gespräch der Hypo Oberösterreich mit deutschen Fußball-Dimensionen zum Staunen: 40 Millionen Euro hätte die Bayern ein Champions League-Aus gegen Juve gekostet, doch auch das wäre für den Club locker zu verkraften gewesen. Schwarze Zahlen schreibe man heuer sowieso.

Elf Milliarden Euro würden die deutschen Fußball-Fans für ihren Lieblingssport ausgeben, für ein perfektes Entertainment auf der grünen Bühne, das für den FC Bayern mittlerweile zum weltumspannenden Geschäft geworden sei. Der Frauenanteil in den Stadien betrage mittlerweile 35 Prozent, Familien verbrächten ganze Nachmittage in den großen Arenen. Breitner: „Wir brauchen keine Damen mehr veräppeln und sie fragen, was passives Abseits ist. Die meisten Frauen wissen das. Der Fußball ist Mittelpunkt der Gesellschaft.“

Und in Österreich? ÖFB-Präsident Leo Windtner hofft, dass sich aus der EM-Teilnahme ein Hype entwickelt, der sich langfristig auch in der Infrastruktur niederschlägt. Denn die heimischen Stadien seien derzeit weder für Familien noch für Wirtschaftsleute attraktiv. „Wir haben hier enormen Aufholbedarf“, sagte Windtner. „Man sieht im italienischen Fußball, dass es sich rächt, wenn jahrelang nichts getan wird.“

Tatsächlich würden in Österreich derzeit nur 57 Millionen pro Jahr in die Fußball-Infrastruktur investiert, bestätigte Sportökonomin Anna Kleissner . „Das ist definitiv zu wenig.“ Blieb die Frage, wer das alles zahlen soll: „Auch die öffentliche Hand“, meinte Windtner.

Zum Abschluss präsentierte Hypo-Wertpapierchef Franz Jahn noch einige Aktien, die eng mit Fußball und Sport verbunden sind: Ein Blick auf die Charts von Konzernen wie adidas bewies: Das globale Geschäft mit dem runden Leder boomt.

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