„Salzkammergut ist voller Abgründe“

„Salzkammergut ist voller Abgründe“
Autor Robert Menasse beschäftigt sich intensiv mit der EU. Die Festwochen Gmunden widmen ihm ein großes Fest.

Wer an Salzkammergut und Literatur denkt, verbindet damit meist  den Namen Thomas Bernhard. Nicht so  Romancier und Essayist Robert Menasse, der ab Donnerstag beim Literaturschwerpunkt der Festwochen Gmunden vier Tage  im Zentrum steht. Er sieht in der Region eher ein Ransmayr-Land. Den Autor Christoph Ransmayr habe er dort  öfter getroffen. Aber Thomas Bernhard, der in Gmunden eine Wohnung hatte, habe er hier nie gesehen. „Ransmayrs Literatur ist wunderschön, zugleich voller Abgründe. Genauso ist Gmunden, überhaupt das Salzkammergut. Da gibt es offenbar eine Prägung. Bei Ransmayr viel mehr und differenzierter als bei Bernhard.“

Soundtrack

Ransmayr wird  beim „Fest für Robert Menasse“ teilnehmen und am Sonntag, dem 12. August, um 10 Uhr mit dem Geehrten und Franz Schuh zum Thema „Should I stay or should I go“ im Stadttheater diskutieren. Am selben Tag tritt um 20.30 Uhr mit der Sängerin Misia die berühmteste Vertreterin der portugiesischen Musik Fado auf. „Als ich meinen Roman ‚Die Vertreibung aus der Hölle‘ schrieb und  eine Zeit lang in Lissabon lebte, bin ich ihr zu Konzerten nachgereist. Ihre Lieder sind  gewissermaßen der Soundtrack zu meinem Roman. Dass sie jetzt mir zu Ehren singt, ist so fantastisch, dass ich es  gar nicht wirklich glauben kann.“

Das Fest zu seiner Person  kreist generell um Österreich, Europa und die Welt. „Ich bin aus Österreich, lebe derzeit vor allem  in Brüssel, suche mich selbst auf dem kürzesten Weg – und der führt einmal rund um die Welt.“ Europa steht derzeit auch im Zentrum seiner Arbeit. Seit längerem ist ein EU-Roman im Gespräch. Wann genau er fertig wird, könne er nicht sagen. „Als Schwierigkeit erwies sich die Realität. Der Roman, den ich vor drei Jahren begonnen habe, handelt von einer Krise der Europäischen Union.“ Dann sei ihm die wirkliche Krise in die Quere gekommen. „Ich finde, die Realität sollte warten, bis sie zu Ende gedacht und beschrieben ist.“

Landbote

Deshalb habe er die Arbeit  unterbrochen, um einen Essay über die  Misere der EU und die Zukunft Europas zu schreiben. Der erscheint im September unter dem Titel „Der Europäische Landbote“.  „Ich habe  Material verarbeitet, das für die Diskussion  hoffentlich nützlich ist, aber nicht romantauglich war.“ Unter anderem kritisiert er darin den Europäischen Rat, das Gremium der Staats- und Regierungschefs. „Kommission und Parlament haben die Krise kommen gesehen. Sie hatten keine Chance. Der Rat hat die Krise produziert, vor allem die Vertreter der so genannten großen Länder, die behaupteten, nationale Interessen zu verteidigen.“

Jetzt kehrt er zur Erzählung zurück. „Aber ich habe immer mehr Skrupel. Je länger ich mich mit dem Romanschreiben befasse, desto rätselhafter wird es mir, wie es menschenmöglich ist, einen Roman zu schreiben.“

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