Missbrauch-Videos um ein paar Euro: Vier Jahre Haft für Ex-Amtsleiter

Missbrauch-Videos um ein paar Euro: Vier Jahre Haft für Ex-Amtsleiter
Prozess gegen 59-Jährigen aus dem Bezirk Braunau, der Minderjährige via Internet missbraucht hat. Das Urteil ist rechtskräftig.

Das Interesse an dem Prozess im Schwurgerichtssaal des Rieder Landesgerichts ist enorm. Kein Wunder, steht doch ein ehemaliger Amtsleiter einer Gemeinde aus der Region vor Gericht. 

Der 59-jährige Mann aus dem Bezirk Braunau sitzt seit einem Jahr in Untersuchungshaft. Ihm wird schwerer sexueller Missbrauch vorgeworfen.

Über Snapchat und andere soziale Medien soll er teils sehr junge Chatpartnerinnen und auch Chat-Partner, hauptsächlich im Ausland, kontaktiert und sie aufgefordert haben, geschlechtliche Handlungen an sich selbst bzw. an anderen - ebenso minderjährigen - Personen vorzunehmen. Und zwar live in Videocalls oder durch Zusendung von Bild- und Videomaterial.

Jeans, grauer Pulli, graue Sneakers, schwarze Brille. So kommt der Angeklagte mit gesenktem Haupt in den Schwurgerichtssaal. Zwei Justizwachebeamte begleiten ihn von der angeschlossenen Justizanstalt in den Gerichtssaal. 

Die Gemeinde, die der Mann - er ist Vater von zwei Söhnen (9, 18) früher geleitet hat, hat einen Anwalt als Privatbeteiligtenvertreter geschickt, dahinter sitzen die Schöffen, zwei Männer, drei Frauen. 

Bevor der Prozess beginnt, spricht er sich noch kurz mit seinem Anwalt Andreas Mauhart ab. Technische Problem verzögern den Prozessauftakt. Technische Probleme, die der Angeklagte bei den ihm vorgeworfenen Taten, die er hauptsächlich im Internet begangen haben soll, nie hatte.

Dann legt der Staatsanwalt los. 

Über Skype, Snapchat und andere Messenger-Dienste soll der Mann Personen kontaktiert haben - als eine Userin auf den Philippinen anbot, eine 12-Jährige zu missbrauchen und gemeinsam mit ihr zu urinieren, hat er virtuell zugegriffen. Die entscheidende Info, die den Mann auffliegen hat lassen, kam vom amerikanischen Homeland Security.

Vier Monate altes Baby im Visier

Um umgerechnet 35 Euro hat er mehrmals diese Dienste in Anspruch genommen. Einmal soll er sogar ein 11-jähriges Mädchen samt vier Monate altem Baby an der Angel gehabt haben. "Das ist es aber zu keinen Handlungen gekommen", zeigte sich der Staatsanwalt erleichtert.

Die Zuhörer bekommen eine lange Liste von Mädchen und Burschen zwischen 11 und 16 Jahren zu hören, laut der er über Snapchat versucht habe, zu pornografischen Bildern und Videos zu kommen, in denen sie sich selbst sexuell befriedigen. Nicht nur im Ausland, auch hierzulande hat er Kinder kontaktiert.

Selbstbefriedigung vor den Kindern 

Der Angeklagte hört sich die Vorwürfe mit gesenktem Kopf an. Schwerer sexueller Missbrauch, mehrere Taten waren zudem nicht anklagbar, weil das jugendliche Alter nicht nachweisbar gewesen sei.

Sein Anwalt, Andreas Mauhart, bestätigt: "Mein Mandant ist voll und reumütig geständig, das ist genau so passiert. Der Sympathiegrad gegen meinen Mandanten hält sich in Grenzen. Das Delikt muss streng bestraft werden, ich hätte wenig Freude, wenn er meine Töchter kontaktiert hätte."

Aber er verweist darauf, dass der Mann bei "zig-Vereinen und in der Gemeinde engagiert" gewesen sei: "Das darf nicht ganz vergessen werden."

Anwalt: "In Corona in Illegalität abgeglitten"

Und der Anwalt gibt der ehemaligen Lebensgefährtin des Mannes eine Mitverantwortung. "Sie hat ihn verlassen und ihn in Corona mit einem kleinen Kind zurückgelassen", sagt der Anwalt. 

Während Corona habe er sich ins Internet geflüchtet, "wie jeder Mann". Dann habe er Teenies besucht und sei ins Illegale mit ganz jungen Mädchen abgeglitten. 

Er habe nicht eine Sekunde nachgedacht, welche Konsequenzen das habe. Jetzt wisse sei Mandant, dass "bei jedem Video ein Missbrauch dahintersteht". Er hat eingesehen, dass er krank ist: "Er hat sich das nicht ausgesucht. Und er hat 35,5 Einheiten auf eigenen Wunsch zur Behandlung dieser Krankheit aufgewendet."

Mauhart betont, dass alles überprüft wurde – auch Personen wurden überprüft, mit denen der ehemalige Amtsleiter oft als Betreuer auf Lagern gewesen sei. "Da wurde nichts gefunden. Er hat kein Kind jemals angegriffen."

Aus seiner Sicht sei es nämlich unterschiedlich zu beurteilen, dass er die Taten nur im Internet gesetzt habe. Deshalb beantragt der Anwalt auch zwar keinen Freispruch, aber er "bittet das Gericht höflich", den Amtsverlust, der mit einem harten Urteil einhergeht, auszusetzen. 

Sehr deutlich ist auch der Angeklagte selbst auf die Frage des Richters nach seiner Verantwortung: "Ich bin schuldig im Sinne der Anklage." Er habe ein umfassendes Geständnis abgelegt, es sei ihm bewusst gewesen, dass die Kinder sehr jung gewesen seien. 

Chats abgebrochen

Er gesteht auch, dass er versucht habe, sich das Alter betreffend herauszureden. Heute gibt er vollinhaltlich zu, dass ihm das Alter bekannt gewesen sei. Den Videocall mit dem vier Monate altem Baby, das er in einer Wiege im Chat gesehen habe, habe er selbst beendet, betont der Angeklagte. 

Dass da kriminelle Machenschaften dahinter stecken, sei ihm nicht von Anfang an bewusst gewesen. Das sei ihm erst später klar geworden. "Mir wurden Kinder gezeigt, die haben posiert, um mich zu verführen und ich Geld überweise", schildert er die Vorgangsweise. Zumindest zwei Mal sei das Geld nicht angekommen, deshalb wurden Chats auch abgebrochen. 

Öffentlichkeit wird ausgeschlossen

Angeklagt ist auch eine besondere Herabwürdigung der Opfer im Internet, weil er in Chats darum gebeten hat, dass Kinder vor ihm urinieren. Er gesteht beschämt ein: "Mich erregt das." Deshalb sei er auch in Therapie. 

Der Staatsanwalt lässt auch keinen Zweifel daran, wie intensiv sich der Mann auf diversen Plattformen herumgetrieben hat. Auf einer dieser Plattformen sei er über 500 Mal gesperrt worden, weil er sich selbst für diese Plattformen „unangemessen verhalten“ habe. Um zehn Euro habe man sich dort dann von der Sperre "freikaufen" können, um neue Chatpartner zu suchen.

Zur Klärung intimer Details wird die Öffentlichkeit ausgeschlossen, die später wieder in den Saal darf.

Abschließend fordert der Staatsanwalt im Plädoyer eine angemessene Bestrafung, der Verteidiger bittet mit Verweis auf die Bibel um ein mildes Urteil. Es sei völlig verachtenswürdig, was er gemacht habe, aber "Menschen, die Fehler machen und das bereuen, sollte man nochmals eine Chance geben". Deshalb beantragt der Anwalt auch die Aussetzung der Rechtsfolgen des Urteils, den Verlust der Beamtenpension. 

Der Mann hat übrigens seit seiner Verhaftung zwei Drittel seines Gehalts von der Gemeinde weiterbezahlt bekommen - rund 2.200 Euro netto. 

Seinen Job und die Reputation habe er längst verloren: "Aber mein Mandant war überschüssig geständig und hat alles zugegeben." Der bekommt vom Richter das letzte Wort und sagt nochmals: „Es tut mir irrsinnig leid.“

Dann ziehen sich die Schöffen und der Richter zu Beratungen zurück, die derzeit hinter wieder verschlossenen Türen laufen.

Vier Jahre Haft

Nach eineinhalb Stunden das Urteil: Der Mann, der seit einem Jahr in U-Haft sitzt, wird zu vier Jahren Haft wegen schweren sexuellen Missbrauchs Minderjähriger verurteilt. Außerdem muss er 1.000 Euro an ein Mädchen Schmerzensgeld zahlen. 

Das Gericht spricht darüber hinaus den Amtsverlust für den Beamten aus. Den Antrag der Verteidigung, dass der Verlust der Pension bedingt nachgesehen wird, lehnt das Gericht ab. 

Eine besondere Herabwürdigung, wie die Staatsanwaltschaft angeklagt hatte, sieht das Gericht nicht. Deshalb liegt die Mindeststrafe bei einem, nicht bei fünf Jahren Haft. Das Urteil ist bereits rechtskräfitg.

Kommentare