Hochgenuss auf der Niederalm: Wo der Kaiserschmarrn zur Legende wurde
Koch Florian Simmer steht am Herd auf der Rettenbachalm.
Von Achim Schneyder
Es sind gleich mehrere Legenden, die sich rund um die Herkunft und die Namensgebung des Kaiserschmarrns ranken. Und eine dieser Legenden spielt hier oben auf der Rettenbachalm, einem der liebsten Jagdreviere von Kaiser Franz Joseph I., wenn die Hoheit mal wieder unten in Bad Ischl sommerfrischelte und dann im Herbst auf einen Brunfthirsch ging.
Demnach soll der Monarch eines Tages nach der Pirsch ein Hungergefühl verspürt haben, woraufhin ihm ein almansässiger Senner, in Österreich auch Kaser genannt, der gerade nichts anderes zur Hand hatte als Milch, Mehl, Eier und Zucker sowie ein wenig Butter, einen Schmarrn zubereitete. Dieser schmeckte Franz Joseph laut Überlieferung vorzüglich und entlockte dem prominenten Jäger das Wortspiel „Kaserschmarrn, Kaiserschmarrn“ – die Geburtsstunde einer kulinarischen Legende. So sagt man halt …
Der kaiserliche Schmarrn, ein absoluter Hochgenuss.
„Angeblich hat sich das genau in diesem Haus zugetragen, das damals noch eine bescheidene Almhütte war“, sagt Florian Simmer, Pächter der von ihm im September 2019 zum Gasthof herausgeputzten und davor ein Jahr leer stehenden Jausenstation.
Es gibt mehr als Speck
„Dann hat sich recht schnell herumgesprochen, dass es hier plötzlich mehr gibt als nur Brot und Speck und Saure Wurst.“ Hirschragout zum Beispiel, meist vom hier heroben geschossenen Tier, oder Gulasch vom Ochsen, „wobei es leicht sein kann, dass ich genau dieses Rindvieh schon einmal persönlich vor dem Zaun von meinem Gasthaus verscheucht hab’ …“
Gelernt hat Florian, ein 1988er-Jahrgang, seinerzeit im „Hotel Goldener Ochs“ in Bad Ischl, später stand er nicht zuletzt und insgesamt fast sechs Jahre im „Steirereck am Pogusch“, in „Döllerers Wirtshaus“ in Golling und im „Landhaus Bacher“ in Mautern am Herd – eine Visitenkarte, die sich sehen lassen kann. Und gewissermaßen ein Versprechen, das er hier auf der Rettenbachalm im Salzkammergut, ob der bescheidenen Höhe von 640 Metern eine sogenannte Niederalm, hält, denn kochen kann er, der Florian, der Ausflug ist also absolut lohnenswert. Aber auch, weil’s hier generell sehr schön ist. Ein Paradies für Spaziergänger, Wanderer und Schwammerlsucher, im Winter für Tourengeher, Schneeschuhwanderer und Langläufer.
Das Rosinen-Dilemma
„Sofern Schnee liegt“, sagt Florian. Und auf Frau Holles Großzügigkeit hofft er wie jedes Jahr, „denn dann hab’ ich auch im Winter unter der Woche offen und nicht nur an den Wochenenden.“ Oder, anders gesagt: Die tagesaktuellen Winteröffnungszeiten sind telefonisch zu erfragen, die sechs Kilometer lange Straße durch die Klamm auf die Alm wird im Fall der Fälle jedenfalls regelmäßig geräumt.
- Wo?
Rettenbach 74, 4820 Bad Ischl, 0664/88107412, rettenbachalm.co.at - Wann?
Im Winter Sa., So. und Feiertag 10.30 bis 21 Uhr. Unter der Woche auf Anfrage. Gruppen ab 15 Pax bei Voranmeldung. Von 26. 12. bis 3. 1. täglich 11 bis 20 Uhr. - Was und wie viel?
Vorspeisen & Suppen: Kürbisknödel (14,50 €), Grammelschmalz-Brettl (9,50 €), Rindsuppe mit Kaspressknödel (8,50 €), Kürbis-Ingwer-Cremesuppe (7,90 €); Hauptspeisen: Rindsgulasch (19,90 €), Ragout vom Hirschkalb (29,50 €), Knödeltrio – Spinat, Bergkäse, rote Rüben – (19,90 €), Schweinsschnitzel (18,90 €); Nachspeisen: Malakoff im Glas (8,50 €), Kaiserschmarrn mit Röster (17,90 €). - Warum?
Weil’s idyllisch ist und die Küche vorzüglich. Auf Vorbestellung gibt’s den legendären Schweinsbraten aus dem Holzofen.
„Magst einen Kaiserschmarrn?“, fragt Florian jetzt, und als ich bejahe, will er wissen, ob mit Rosinen oder ohne. „Natürlich mit!“, sag’ ich mit gespielter Empörung. „Ich frag’ nämlich immer, weil normal mach’ ich ihn ohne. Weil früher, als ich ihn noch automatisch mit Rosinen g’macht hab’, sind dauernd die Rosinen auf den Tellern rumg’legen, weil die meisten Leut’ wollen sie nicht und kletzeln sie raus.“ Ob der Kaiser ein Rosinenfreund war, ist übrigens nicht bekannt.
"Meine Heimat, mein Glück"
Rinder sind inzwischen keine mehr auf der Alm, die gut 100 Tiere der insgesamt zehn Bauern, die sich hier nach Lust und Laune frei bewegen können, überwintern in den Ställen im Tal. Und auch die frei laufenden und ungezähmten Noriker-Pferde und die vielen herumtrottenden Ziegen haben übergangsweise anderswo Quartier bezogen.
„Im Winter leben wir hier ganz allein, meine Freundin Jessica und ich, denn dieses Wirtshaus mit der Wohnung im ersten Stock ist das einzige Privathaus auf der Alm“, sagt Florian. „Alle anderen 22 Hütten gehören den Bundesforsten und stehen bis zum Frühjahr leer. Das klingt jetzt vielleicht ein bisserl gespenstisch, aber ich liebe es, auch wenn uns zwei Monate lang kein Sonnenstrahl streift. Hier heroben ist meine Heimat und mein Glück.“
Und dann geht er in die Küche, um Holz nachzulegen im Ofen. „In dem mach’ ich den Schweinsbraten oder das Gansl, auf dem köchelt die Rindsuppe, und das bis zu vier Tage lang. Ohne diesen Ofen geht nix“, sagt er. Sonst kocht Florian mit Gas, mit Strom will nämlich sparsam umgegangen werden in den Bergen, denn der wird hier nur von Photovoltaikanlagen geliefert.
Unverzichtbar in Florians Küche ist der Holzofen.
Und freilich freut sich Florian schon jetzt wieder auf’s Frühjahr. Dann nämlich wird er wieder wilden Kerbel und andere Kräuter am Waldrand und auf den Wiesen zupfen, um sie erstens gleich zu verwenden und zweitens zu trocknen, denn der nächste Winter kommt bestimmt. „Bei mir soll’s das ganze Jahr so regional wie möglich sein“, sagt Florian, „und ich denke, das gelingt mir recht gut.“ Ja, das tut’s.
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