Wie ein Wiener in Niederösterreich zum Wirt mit Kultstatus wurde

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Johannes Jungwirth hatte nur eines im Sinn: Er wollte Koch und Gastgeber werden. Als solcher begeistert er nun in Göttlesbrunn.

Von Achim Schneyder

Da sitzt er nun also im prachtvoll restaurierten Gastraum neben dem eben von ihm höchstselbst angefeuerten Kamin, trinkt ein Achtel Pinot Noir und wirkt rundum zufrieden. Und das, obwohl ausgerechnet heute die Gansln vom Züchter Reisenbauer aus der Buckligen Welt bei ihm in die neue Saison starten, und zwei aus der Küchenbrigade krankheitsbedingt ausfallen. „Aber was soll’s“, sagt er, „kommt vor, gibt Schlimmeres, wird schon alles hinhau’n.“ Und damit sagt er gleichzeitig schon viel über sich selbst.

Röllchen mit Gänsefleisch gefüllt stehen auf einem Tisch beim Jungwirt. Daneben ein Glas Wein.

Ganslzeit beim Jungwirt mit herrlichen Röllchen.

Der Mann ist tiefenentspannt, lebenslustig, stets positiv und einer von der sehr fröhlichen Sorte. „Durch Ideen muss man sich durchfressen“, sagt er wenig später, als wir über den von ihm ins Leben gerufenen und inzwischen legendären Trüffelmarkt plaudern, der Göttlesbrunns Kiragstettn, eine Kellergasse, an zwei Samstagen im Oktober in einen kulinarischen Jahrmarkt verwandelt.

„Den Markt gibt’s seit 2014, die Idee hab’ ich allerdings schon 2012 g’habt. Aber, wie g’sagt: Durchfressen, also zwei Jahre Recherche in Istrien und im Piemont…“ Und dann lacht er.

Fleischknödel als Entscheidungshilfe

Durch die Idee, Koch werden zu wollen, hat sich Johannes Jungwirth nicht zuletzt unter Zuhandnahme von Fleischknödeln durchgefressen. Schon die von der Oma, einst angestellte Köchin in einem vornehmen Wiener Haushalt, waren legendär, und auch die Mutter ist nach wie vor alljährlich gleichsam verpflichtet, den Herrn Sohn zum Geburtstag mit ebendiesen zu verwöhnen. „Mein absolutes Lieblingsessen“, sagt Johannes. Und auf die Frage, ob’s die auch im Wirtshaus gibt, sagt er bloß: „Nein, die g’hören nur mir.“ Und dann lacht er wieder.

Geboren am 16. März 1969 in Wien – „Ich bin ein Sonntagskind, daher auch mein sonniges Gemüt…“ –, besuchte Johannes die Gastgewerbeschule am Judenplatz, obwohl der Vater ihn gerne in der Computerbranche gesehen hätte. „Aber ich mich halt nicht. Ich hatte einen Lebenstraum, und der war Gastwirt, und den hab’ ich mir nach Stationen im Sacher und im Waldviertlerhof 1995 in Göttlesbrunn mit der Selbstständigkeit erfüllt.“

"Wo bitte ist Göttlesbrunn?"

Ein Kumpel war’s, der ihn hierher verkuppelt hat, weil dieser den Sohn des Besitzers gut kannte. „Meine erste Frage damals war allerdings: Wo bitte ist Göttlesbrunn? Das hat man mir dann verraten, und außerdem, dass das Gebäude früher ein Bauernhof war und später dann vom Eigentümer zu einem Großheurigen umgebaut wurde. Aber als sie die Autobahn eröffnet haben, sind die Leut’ an Göttlesbrunn nur noch vorbeig’fahren, darum ist der Heurige auch schon drei Jahre leerg’standen, bevor ich ihn gepachtet hab’.“

Und dann ging’s also los. „30 Prozent von jedem verkauften Schnitzel und jedem Glas Wein hab’ ich zur Seite geschaufelt und dann in die weiteren Arbeiten gesteckt. Ging alles recht zizerlweise, aber wir hatten’s ja nicht eilig“, erzählt der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder. 

Und das Ergebnis kann sich sehen lassen, das beginnt schon beim Entree. Rechts ein kleiner, sehr feiner Weinshop, in dem man auch Johannes’ absolut empfehlenswertes Kochbuch erstehen kann – „Im ersten Lockdown war mir ziemlich fad, da hab’ ich das halt g’macht …“ –, links die Schank mit einem Hochtisch, zwei frei stehenden, sowie mit zwei in Nischen untergebrachten Esstischen. Und quasi in der Mitte geht’s ein paar Stufen rauf in den erwähnten Gastraum mit der imposanten Dachkonstruktion. Ein Ort zum Sitzenbleiben.

Das Kochbuch von Johannes Jungwirth ist im Regal im Wirtshaus aufgestellt.  Genauso wie viele Weinflaschen.

Zum Nachkochen: Das Buch zum Wirt gibt’s um 42 Euro.

Es ist mittlerer Nachmittag an diesem Donnerstag, an dem es – wie an jedem Donnerstag – erst um 17 Uhr losgeht. Aber jetzt kommt Daniela aus Küche und vermeldet, dass die Ganslrollen fertig sind und ob ich nicht eine kosten möge. Was ich bejahe – und was mich Minuten später sehr glücklich macht. „Daniela stammt aus Rumänien und hat vor 25 Jahren als Küchenhilfe bei mir angefangen“, erzählt Johannes. „Und inzwischen ist sie meine Küchenchefin.“

Chefin in einer Küche, die für einen Betrieb dieser Größe übrigens recht klein ist. „Tja“, sagt Johannes, „war früher halt eine Heurigenküche, und fürs Liptauer-Z’sammenrühren brauchst bekanntlich nicht rasend viel Platz.“ Und was auch immer diese kleine Küche verlässt, ob Fisch, Fleisch, vegetarisch oder vegan, ist verlässlich große Küche. „Weil ich’s persönlich ja auch nicht anders haben wollte“, sagt der italophile Johannes, der mit seiner Frau Claudia so gerne Genussreisen nach Italien unternimmt. Recherchen quasi …

Und sollten Sie demnächst nach Göttlesbrunn fahren, es gibt – bildlich gesprochen – noch „Überbleibsel“ vom Trüffelmarkt in Form von Tagliolini in einer Trüffel-Parmesan-Creme. Und die sind überragend!

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