So legendär ist das Gansl beim Tschebull am Faaker See
Der Wirt Hannes Tschemernjak steht in seinem Lokal "Tschebull".
Dies ist die Geschichte eines der ältesten Wirtshäuser Kärntens. Aber die Welt ist klein und dreht sich, deshalb darf die Geschichte auch ein Stück weiter westlich vom Faaker See beginnen, dessen kalkreiches Wasser so türkisblau leuchtet wie eine karibische Bucht. Sagen wir: knapp 10.000 Kilometer weiter westlich.
Es ist wieder einmal Oscar-Nacht im Dolby Theatre von Los Angeles, und Hannes Tschemernjak, der Wirt eben dieses Wirtshauses, steht in einer Brigade von hunderten Köchen, schneidet und brutzelt, rührt um und richtet an.
Seit 1987 macht er diesen illustren Nebenjob fast jedes Jahr, und zwar deshalb, weil die Tschemernjaks – vor allem Vater Hans – schon eine halbe Ewigkeit mit dem austroamerikanischen Koch Wolfgang Puck befreundet sind, dem längst nicht mehr abwählbaren Küchenchef der Mutter aller Filmnächte.
Promis nicht warten lassen
„Ich fühl’ mich dort nützlich“, erzählt er daheim in seinem Gasthaus namens „Der Tschebull“. Er ist mittlerweile, wie er sagt, „einer der dienstältesten Köche dort und einer der wenigen, die wissen, was in welcher Schublade ist“. Das schadet nicht, wenn man – ohne die Prominenz warten zu lassen – zum Beispiel 1.600 Portionen Beef Wellington aus der Küche schupfen muss. Hannes Tschemernjaks Lieblingsposten ist allerdings jener, auf dem die Extrawürste für die heiklen Nasen gebraten werden. Da kommt dann Harrison Ford daher und sagt, er will seine Pizza nur mit Gemüse, weil er gerade „a new diet“ ausprobiert.
Oder Al Pacino, der immer von allem was will: „Give me one of all, please.“ Und wenn Wolfgang Puck in die Küche kommt und ruft: „Extra truffles for Barbra Streisand“, lachen alle. Jedes Jahr das Gleiche. Die Diva will nur Chicken Pot Pie mit ganz viel Trüffel. Was das ist? Hannes Tschemernjak erklärt die Sache auf gut kärntnerisch: „A eing’mochts Hendl holt, mit ana Blätterteighaube.“
Gans schön viel
Zurück an den See mit seiner exotischen Wasserfarbe. Es ist Mittwochmittag und es herrscht Ruhe vor dem Sturm, weil von Donnerstag bis Sonntag brechen beim Tschebull noch bis Anfang Dezember die sogenannten „Ganslflugzeiten“ an – auch schon seit gefühlt ewig.
„Wir können gar nicht mehr datieren, wann genau das angefangen hat, jedenfalls geht das seit drei Generationen so.“ Und weil nicht nur im sonnigen Kalifornien stetiges Wachstum alles ist, ist die Sache mit der Ganslsaison auch im südlichen Kärnten etwas ausgeufert. „2,3 Tonnen Gans, verteilt auf 32 Tage“, rechnet der Wirt vor. Da jede Gans um die 4,2 Kilo auf die Waage bringt, fällt die Volkszählung des Vogelschwarms nicht schwer: Es müssen an die 550 Exemplare sein.
Um diese Menge zu bewältigen, hat Hannes Tschemernjak, der nach Lehrjahren in Häusern wie dem „Au Crocodile“ in Strasbourg oder dem „Prinz Eugen“ im Wiener Hilton an den See bei Villach heimkehrte, eine eigene Logistik entwickelt: „Die Gänse werden sanft vorgebraten, dann im eigenen Fett confiert und vor der Verwendung herzhaft angeknuspert, da gibt es keine Probleme mit der Ofenkapazität.“
Die Gansl-Karte ist in Österreich wohl einzigartig, denn der klassische Martini-Braten ist nur ein Bruchteil davon.
Es gibt von der Gans auch die Leber (natürlich ungestopft) mit Salbei und Apfel, Salami, Schinken und Mortadella, Pasta mit Ragout und gefüllte Paprika, Krautwickler und eines der Lieblingsgerichte von Hannes Tschemernjak: Triestiner Ganslkutteln mit Magen und Herz. Schmunzelnd merkt er an: „Ich weiß nicht, ob’s die in Triest auch so gibt, aber wir stellen uns das halt so vor.“
Großmutters Rezeptschatz
Triest ist überhaupt ein gutes Stichwort, um die Philosophie des Hauses zu verstehen. Hannes’ Vater Hans und Onkel Willi – der Herr über die landesweit beliebten Cremeschnitten übrigens, die es nur am Sonntag gibt, so lange der Vorrat reicht – wandten sich schon Anfang der 1990er Jahre dem Alpe-Adria-Raum zu; viele Wirtinnen und Wirte schlossen sich dieser Alpe-Adria-Partnerschaft an.
- Wo?
Egger Seeuferstr. 26, 9580 Egg am Faaker See, 04254/2191-0, www.tschebull.cc. - Wann?
Donnerstag bis Sonntag 11.30 bis 14.30 und 17.30 bis 21 Uhr, Kartenzahlung möglich. - Was und wieviel?
Noch bis 1. Dezember alles von der Gans, vieles auch als kleinere Portion: Gansl-Kirchtagssuppe mit Safran (10,80 €), Etagere mit kalten Ganslvariationen (20,90 €), Ganslkutteln (18,90/26,90 €), Butterschnitzel (20,90/29,90 €), klassisches Gansl aus dem Ofen (42,90 €); im restlichen Jahr Kärntner und Alpe-Adria-Küche wie etwa Kasnudeln, Topfenhaluschka, Tagliatelle mit Paradeisern und Wurzelspeck, Rosmarin-Polenta mit Trevisaner Radicchio, Steinpilzen und Almschoten, Wild und Backhendl; Hauptgerichte: 22,40 bis 39,80 €. - Warum?
Drei von vielen Gründen abseits der Gans: die sonntägliche Cremeschnitte (9,40 €), die üppige italophile Weinkarte, das Angebot an Kärntner Edelbränden und Grappa.
„Friaul und Slowenien sind uns wichtig“, sagt Hannes, „wir waren ja immer schon ein gemischtsprachiges Gebiet.“ Großmutter Elisabeth war in ihren jungen Jahren Köchin in einem Herrschaftshaus in Opatja, bevor sie ihren „Sinn für Geschmack und Harmonie und die vielen gesammelten Rezepte“ an ihre Söhne Hans und Willi und Enkel Hannes weitergab.
Und auch der Name des Hauses verweist auf die ethnisch bunte Geschichte Kärntens. Der erste, im Jahr 1521 erwähnte Besitzer des Hauses hieß Primus Zwibol. „Das kommt vom slowenischen Wort čebula für Zwiebel, und daraus wurde dann Tschebull“, klärt Hannes Tschemernjak auf. „Uns gibt’s seit 1849 hier, aber es ist wie bei den Hofnamen: Der Tschebull war und bleibt der Tschebull.“ Auch wenn dereinst die drei Söhne, alle bereits in der Gastronomie tätig, die Take Off Clearance für die Ganslflugzeiten erteilen werden.
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