Puchegger Wirt in NÖ: Wo man kulinarisch Erste Klasse reist

Von Achim Schneyder
Peter Mayerhofer, ein gelernter Schneider aus Grünbach am Schneeberg, arbeitete vor sehr langer Zeit zur Aufbesserung seines überschaubaren Einkommens als Kellner in einer Wirtschaft im Wiener Prater. Nebenbei. Weil er einen Plan hatte. Und den richtigen Riecher. Denn ob der Tatsache, dass im späten 19. Jahrhundert rund um sein Heimatdorf, gelegen nahe der Bahnstrecke von Wiener Neustadt nach Puchberg am Schneeberg, Sommerfrischler wie Tagesausflügler unterwegs waren, und er überdies wusste, dass die Zahnradbahn auf den Hochschneeberg in nicht allzu ferner Zukunft Realität sein würde, kratzte er sein Erspartes zusammen und eröffnete ein Wirtshaus. Im Jahre 1896 war das, in Winzendorf am Fuße der Hohen Wand und schräg gegenüber vom Bahnhof an oben erwähnter Strecke.
„Die Zahnradbahn hat dann im Juni 1897 ihren Betrieb aufgenommen, und das hat natürlich gleich noch viel mehr Gäste in die Region gelockt“, sagt Christoph Puchegger, Ururenkel des findigen Schneiderleins und heute in fünfter Generation Herr über den „Puchegger Wirt“, man könnte auch sagen über das Erste-Klasse-Bahnhofs-„Resti“.
Seit den Anfängen ist freilich viel Schmelzwasser den Schneeberg hinuntergeronnen. Christophs Großvater Johann heiratete die Enkelin des Wirtshausgründers, wodurch aus dem Mayerhofer der Puchegger wurde, und der Vater, auch ein Johann, hat schließlich 1983 um- und ausgebaut, und dass der heutige Chef (seit 2021) und Chefkoch (seit 2018) gerade einmal experimentierfreudige und weltoffene 35 Jahre jung ist, spiegelt sich im kulinarischen Angebot wider. „Bei mir dürfen’s auch mediterrane und orientalische Einflüsse sein“, sagt er. Wie etwa beim Schwertfisch mit Paradeiser-Minzcouscous, Saubohnen, Curryfond und Zitruspanko oder beim Kichererbsen-Erdnusssalat mit Melanzanicreme, gegrilltem Salatherz und Wasabi. „Aber natürlich leg’ ich das Hauptaugenmerk auf regionale Küche, wobei ich mich auch da ganz gern ein bisserl spiele. Das Paprikahendl heißt bei uns daher Paprikahendl 2.0, weil’s kein ganz klassisches ist.“

Paprikahendl 2.0 – ein klein wenig anders, aber sehr gut.
Aber, so viel sei verraten, ein wirklich gutes ...
Im guten Gschäft’l
Gelernt hat Christoph in einem Betrieb in Puchberg, die Wanderjahre führten ihn, der immer Koch und Jäger werden wollte, „aber für den Jäger hat’s irgendwie nicht gereicht“, nach Zell am See, Spanien und auf den Arlberg, ehe es ihn der Liebe wegen 2013 wieder nach Hause zog. Die damalige Liebe gibt’s zwar nicht mehr, aber eine neue, Brigitte heißt sie, und eine bald fünfjährige Tochter namens Marlene. „Und jetzt bringen mich keine zehn Pferde mehr von hier weg.“
- Wo?
Bahnhofplatz 86, 2722 Winzendorf, 02638/22224. puchegger.at. - Wann?
Mi. & Do. 11 bis 15 und 17 bis 22.30, Fr. 17 bis 22.30, Sa. 11 bis 15 und 17 bis 22.30, So. 11 bis 15 Uhr. - Was und wie viel?
Vorspeisen: von Rindsuppe über Beef Tatar bis zum geflämmten Thunfisch (5,40 € bis 16,90 €); Hauptgerichte wie geschmortes Schulterscherzl vom Schwein, Gulasch vom Lamm, gekochtes Rindfleisch, Filet von der Lachsforelle oder Cordon bleu 16,50 € bis 30,50 €. - Warum?
Weil’s ein Wohlfühlwirtshaus ist. Service perfekt, Küche perfekt, Ambiente sehr angenehm und die Weine top! Und: Kommt man per Bahn, steigt man vor der Wirtshaustüre aus. Passt.
Kurzum: Er ist verwachsen mit der Region, verwachsen mit dem Betrieb, in dem Papa Johann, der nie Koch, sondern immer nur Wirt war, in der hauseigenen und 120 Jahre alten Räucherkammer nach wie vor alle ein bis zwei Monate 20 bis 30 Schinken selcht, die dann mindestens vier Monate reifen. Schwarz- und Weißbrot fürs Wirtshausg’schäft bäckt er ebenfalls regelmäßig, während Christoph nebst hervorragenden Säften auch allerlei Chutneys und Marmeladen produziert, darunter eine wahrhaft überragende Paradeisermarmelade. „Die passt perfekt zu unserem Rauchschinken“, sagt er.
All diese Köstlichkeiten kann man nicht nur an Ort und Stelle genießen, sondern im sogenannten Gschäft’l gleich beim Eingang auch kaufen.
„Und Olivenöl verkaufen wir auch, weil ich einen Onkel in Griechenland hab, der in Oliven und Kräutern macht. Einmal hat er mir getrockneten griechischen Oregano mitgebracht, mit dem ich ein Ragout gewürzt hab. So, wie ich eigentlich immer würze. Bloß hab’ ich dieses Ragout dann wegschmeißen müssen, weil der griechische Oregano rund zehn Mal so intensiv ist wie der, den wir bei uns gewohnt sind.“
Wein- und Käsekenner
Kulinarische Missgeschicke wie dieses haben freilich Seltenheitswert in diesem so einladenden Lokal. Und wenn’s mal auch nur eine klitzekleine Kleinigkeit zu beanstanden geben sollte, gäb’s eine Klagemauer, an die man sich vertrauensvoll wenden könnte – Dominik Köppl-Pongracic. Der ist Servicechef, Weinkenner (als solcher führt er die Gäste gerne in den Weinkeller und berät und empfiehlt dort an Ort und Stelle) und Käsesommelier. „Und er ist mein unverzichtbarer Kompagnon“, sagt der Chef.
„Magst eine Nachspeise?“, fragt Dominik. „Ich kann leider nicht mehr“, sage ich. „Schade“, sagt er, „aber ich zeig’ dir trotzdem was.“ Dann geht er ab und kommt wieder. Mit zwei alten Nähkästchen vom Altwarenhändler.

Käse aus dem Nähkästchen.
Und dann macht er diese auf. Und jetzt weiß ich: Der Puchegger ist das Wirtshaus, in dem der Käse aus dem Nähkästchen plaudert ...
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