"Fröhlicher Arbeiter": Wie Hannes Tschida das Wirtshaus schultert

Hannes Tschida schultert den Familienbetrieb und das Fleisch für seine Reifekammer.
„Stimmt“, sagt Hannes Tschida, „daran hätt’ ich jetzt gar nicht gedacht.“ Vor zehn Jahren, am 1. Oktober 2015, hat er das elterliche Gasthaus in Apetlon übernommen. Er schaut kurz grinsend ins Narrenkastl, und in seinem Gesicht steht: Danke für die Frage, fast hätt’ ich das vergessen. Groß feiern wird er das kleine Jubiläum dennoch nicht, auch wenn er sich – im Vergleich zu anderen Gasthäusern des Landes, die mit der Nachfolge hadern – glücklich schätzen darf: „Ich bin die vierte Generation, und die fünfte steht schon in den Startlöchern.“
Sein Sohn Michael arbeitet nämlich seit zwei Jahren im Wiener „Steirereck“; das ist Harvard und Oxford zugleich für jemanden, der ein Landgasthaus, wie es der „Fröhliche Arbeiter“ ist, kulinarisch auf beachtlicher Reiseflughöhe halten will.
Hannes Tschida sitzt am Ecktisch mit den Fenstern zur Straße, genau dort, wo man das gesamte weitläufige Entrée des Gasthauses „Zum Fröhlichen Arbeiter“ im Blick hat: die freundlichen Kräutergrüntöne von der Schank in Minze bis zu den Wänden in Salbei, dazwischen die Holzlamperie in warmen Eichentönen und die vielen Krickerl und Geweihe an den Wänden. Die Seewinkelsonne, die durchs Fenster strahlt, malt grelle Streifen auf die Tische. Henri Matisse, der Großmeister des Lichts, hätte seine helle Freude daran gehabt. Man sucht unweigerlich ein Wort für diese Atmosphäre und findet es: einladend.
Noch eine Lohnrunde
Nach seiner Ausbildung fängt Hannes Tschida mit 25 Jahren daheim in Apetlon zu kochen an – wie alle seine Vorfahren: „Die Väter waren immer in der Küche.“
Der Urgroßvater hat das Gasthaus 1924 erbaut; rasch wurde es zum Mittelpunkt des damals einigermaßen entlegenen Dorfes. Zu seinem auffälligen Namen kam der „Fröhliche Arbeiter“, weil der Gutsherr des Meierhofs dort jeden Freitag den Lohn auszahlte. „Dazu haben alle noch ein Brot und ein Getränk bekommen“, erzählt Hannes Tschida. Aber weil ein einzelnes Getränk nach einer harten Woche eher ein Witz ist, blieb gleich ein Teil des Lohns im Haus – bis alle fröhlich waren, die Arbeiter und der Wirt. „Dieses Dorfleben“, sagt Hannes Tschida, „gibt’s längst nicht mehr, und im Tourismus war Ende September eh Saisonschluss bei uns im Seewinkel.“
Doch dann zeigte der berüchtigte Weinskandal von 1985 eine seiner gar nicht so wenigen guten Seiten. Winzer erfanden das Martiniloben, um – wie es offiziell hieß – „das Vertrauen in den burgenländischen Wein wieder herzustellen“. Davon profitierten auch die Gasthäuser der Region. „Auf einmal war auch im November noch was los“, sagt Hannes Tschida. Im „Fröhlichen Arbeiter“ war man dafür bestens gerüstet. „Mein Vater hat schon anders gekocht als frühere Generationen, nämlich saisonal und regional.“
Hannes selbst hat diese selbstbewusste authentische Küche noch zeitgemäßer gemacht. Alle drei Wochen schreibt er die Speisekarte neu und lässt sich mit dem, was gerade vollreif ist, etwas einfallen.

Neulich hat er die ersten Zwetschken gekriegt, die jetzt in einer Terrine mit Entenleber stecken; aus den Feigen vom Nachbarn kreiert er eine warme Vorspeise mit Frühkraut, Wassermelone und Senfsaat; und weil er halt Jakobsmuscheln ebenso gerne mag wie seine Gäste, macht er sie im Herbst auf dem Teller mit schlachtfrischer Blunze bekannt. Die Paarung hat er zwar nicht erfunden, aber sie schmeckt halt so gut.
Trocken gereift
Dabei tauscht sich der Chef oft und gerne mit seinem Sohn Michael aus, „weil das, was er im Steirereck lernt, ist für die Küche am Land immer eine wertvolle Inspiration“. „Regional mit Weitblick“ – so beschreibt Hannes Tschida seinen Stil. Und weil eben Wild sein „Herzblut“ ist, wie er sagt, gipfelt diese kleine Philosophie in Wantan-Taschen mit Feldhasenfülle.
Hannes Tschida erhebt sich vom lichtdurchfluteten Tisch am Fenster und macht mit dem Arm diese Geste, die bedeutet: Komm mit, ich muss dir was zeigen! Neben der Schank steht eine imposante Glasvitrine, an der grelle Digitalziffern leuchten: 1,6 Grad Celsius, 62,5 Prozent Luftfeuchtigkeit. Den „Dry Ager“ hat er sich 2021 zugelegt, weil er so etwas immer schon haben wollte. Gerade hängt ein ganzer Rinderrücken für 30 Tage zur Trockenreifung drin, aber er hat auch schon ganz andere Sachen zu geschmacklicher Vollendung gebracht. „Ein Zander, der sieben Tage da drinhängt, ist einfach kompakter und besser, aber das Allerbeste ist ein trocken gereiftes Hirschherz.“
- Wo?
Quergasse 98, 7143 Apetlon, 02175/2218, Internet: www.froehlicherarbeiter.at. - Wann?
Mo und Di, 10 bis 14 und 18 bis 23 Uhr, Fr 18 bis 23 Uhr, Sa, So, Fei, 9 bis 23 Uhr; Kartenzahlung ist möglich. - Was und wie viel?
Modernisierte pannonische Klassiker wie gefüllte Spitzpaprika mit Couscous, Linsen und Schafkäse, Grammelknödel mit Paradeiskraut und Schweins-Popcorn; Wildgerichte: Gebackenes von Reh, Hirsch und Wildschwein, Zweierlei von der Rehkeule, Hirschcarpaccio; Hauptgerichte: 15,70 bis 33,90 €. - Warum?
Weil das helle Licht so schön ins Gasthaus scheint und die Küche von Hannes Tschida strahlen lässt, und weil der dunkle Weinkeller lauter pannonische Schätze birgt.
Hat er eh schon gesagt: Wild ist sein Herzblut.
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