Was bleibt, ist Nostalgie

Was bleibt, ist Nostalgie
Der in Oberösterreich einst überaus populäre Rennsport ist zur Rarität geworden. Von Gerhard Marschall.

Bad Mühllacken, Freistadt, Höhnhart, Landshaag, Mehrnbach, St. Agatha, Weyer – Oberösterreich hat gleich mehrere Orte mit Motorsporttradition. Da und dort wird noch gefahren, doch der Rennkalender dünnt aus.

Was bleibt, ist Nostalgie

Bei den Rennen in Schwanenstadt gab es oft spektakuläre Szenen

Der 1969 gegründete MSV Schwanenstadt gab lange Zeit das Tempo vor. Am Anfang waren Straßenrennen für Motorräder, später kam Motocross dazu. 1977 wurde der erste WM-Lauf organisiert, 21 weitere folgten. Auf der Straße wie im Gelände waren ungezählte Stars am Start, die Zuschauer kamen in Scharen. Doch irgendwann war Schluss.

Prototypen

Die Motorsportwelt habe sich einfach verändert, erklärt Präsident Peter Aicher. Erstens die Rennmaschinen: Früher konnte man ein rennfähiges Motorrad kaufen und aufrüsten; mittlerweile sind das Prototypen, die nicht in den Handel kommen. Das mache den Einstieg in den Rennsport schier unmöglich. Heute sind die Aktiven im Klub laut Aicher überwiegend Hobbysportler.

Die Rennen sind heute zu teuer

Dann die Sicherheit. Strecken, auf denen besonders gefährliche Passagen mittels Strohballen halbwegs entschärft wurden, sind heute undenkbar. Rennen finden auf permanenten Kursen statt. Das WM-Programm ist durchkomponiert, ein riesiger Tross zieht rund um den Erdball. Für Abstecher zu Events à la Schwanenstadt bleibt da keine Zeit. Schließlich das Geld. Damals pilgerten die Menschen von weitum herbei, um die Stars live und vor allem ganz nah zu erleben. 23.000 waren es 1993 beim Motocross der Nationen. Der Reiz des Spektakulären und Elitären ist verflogen, Motorsport ist im TV allgegenwärtig. Hand in Hand damit geht die Kommerzialisierung. Die Rechte für Motocross-WM-Läufe werden teuer verkauft. „Da geht es bei 300.000 € los“, sagt Aicher. Plus hohe Auflagen an die Infrastruktur. „Wir haben aufgehört, weil es finanziell nicht mehr zu machen war.“

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Giacomo Agostini

Was bleibt, ist die Nostalgie. Seit 1998 wird alle zwei Jahre der „Oldtimer-Grandprix“ veranstaltet. Heroen von einst starten auf ihren Maschinen von damals. Es riecht nach seinerzeit, als es noch legerer zuging. Und sie kommen immer wieder nach Schwanenstadt, die Ex-Weltmeister Freddie Spencer, Wayne Gardner, Jon Ekerold und wie sie alle heißen. 2018 gab der Italiener Giacomo Agostini – seine 15 WM-Titel sind nach wie vor unerreicht – den Schwanenstädtern die Ehre. Mit 76 fuhr er seine kaum jüngere MV Agusta aus. Auch das legendäre Seitenwagengespann Rolf Biland – Kurt Waltisperg aus der Schweiz, fünfmaliger Schwanenstadt-Gewinner, ist regelmäßig zugegen. Biland wurde unlängst 70 und will im Herbst wiederkommen. Das im Vorjahr geplante Rennen soll Anfang September nachgeholt werden.

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Tausende Zuschauer standen an den Strecken

Corona gibt dem Motorsport den Rest. Das Bergrennen Landshaag– St. Martin musste erneut abgesagt werden, die Jänner-Rallye rund um Freistadt ebenfalls. Völlig unklar sei, wie sich die Politik bei einer Freiluftveranstaltung ohne Absperrungen eine Obergrenze von 3.000 Zuschauern vorstelle. Zu den Oldtimer-Rennen kommen üblicherweise doppelt so viele. Generell macht sich der Präsident Sorgen um das Vereinsleben, das seit einem Jahr ruht. Der MSV Schwanenstadt hat knapp 300 Mitglieder. Einige könnten sich verabschieden, wenn sich weiterhin nichts tue. „Die Situation ist für alle Vereine ganz schlecht“, sagt Aicher. Einige könnte es bald nicht mehr geben.

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