Die Liste der Vorwürfe ist lang: „Geschobenes“ Hearing ist dabei noch der geringste, es geht um Aufträge an sich selbst und seine Frau, um Compliance-Verfehlungen, um Nebenbeschäftigungen, um das Engagement von Agenturen zur Programmerstellung trotz Aufstockung des eigenen Mitarbeiterstabs.
Und diese Liste ist noch nicht vollständig. SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger, er ist Aufsichtsratsvorsitzender der LIVA, zu der das Brucknerhaus gehört, ist sich bewusst: „Es sind erhebliche Vorwürfe, die da im Raum stehen.“
Deshalb wurde noch am Dienstag eine Sonderprüfung durch das Linzer Kontrollamt beauftragt, sagt Luger. Auch das Engagement einer Agentur für die Programmerstellung habe er nach Bekanntwerden sofort überprüfen lassen.
Reise nach New York
Dabei war Luger gerade erst auf Werbetour für das Brucknerjahr mit Kerschbaum in New York. Die Vorwürfe der Schiebung bei der Besetzung waren ihm zu diesem Zeitpunkt bekannt, räumt der Stadtchef ein.
Und ergänzt: „Ja, ich habe darüber nachgedacht, ob es gut ist, diese Reise anzutreten.“ Das juristische Vorgutachten dazu, das am Freitag präsentiert wird, habe ihm keinen Anlass gegeben, diese Reise abzusagen.
Alle anderen Vorwürfe seien erst während der Reise aufgetaucht, als sich Luger noch privat in den USA aufgehalten hatte. „Auf eigene Kosten selbstverständlich“, fügt Luger an, ehe er danach gefragt wird.
"Keine Kavaliersdelikte"
Und verweist auf den Aufsichtsrat, nach dem es eine offizielle Stellungnahme über Konsequenzen geben wird, um neuerlich zu betonen: „Die Vorwürfe wiegen schwer, das sind keine Kavaliersdelikte.“
Ob am Freitag die Abschiedssinfonie von Joseph Haydn für Dietmar Kerschbaum intoniert wird, ist offen. Er selbst ist überzeugt, dass dem nicht so sein wird, wie er in einer Stellungnahme betont.
Denn „die gezogenen Schlüsse zu den dargestellten Punkten sind nicht zutreffend“. Dass in der Aufsichtsratssitzung alle Anschuldigungen behandelt werden, sei ganz in seinem Sinne, betont Kerschbaum, „damit die vorgebrachten Behauptungen richtiggestellt werden“.
Selbstbedienungsladen
Politisch gehen indes die Wogen hoch. Neos-Fraktionschef Georg Redlhammer: „Kerschbaum ist nicht mehr tragbar. Die Beweise sind erdrückend. Wenn man sucht, wird noch mehr gefunden.“
Er fragt sich, ob es auch bei Sponsorverträgen geldwerte Vorteile oder Compliance-Probleme gibt: „Das Brucknerhaus ist für den künstlerischen Leiter ein Selbstbedienungsladen auf Kosten der Steuerzahler.“
„Die nun bekannt gewordenen Vorwürfe schaden dem guten Ruf des Brucknerhauses als wichtiger Linzer Kulturinstitution. Umso dringender ist es, eine rasche und lückenlose Aufklärung voranzutreiben und gegebenenfalls Konsequenzen zu ziehen“, ist Michael Svoboda (Grüne) überzeugt.
Kulturschaffende sind entsetzt
Das fordert auch ÖVP-Kulturstadträtin Doris Lang-Mayerhofer. Für Thomas Diesenreiter, Geschäftsführer der Kulturplattform KUPF Oberösterreich, sind das „ungeheuerliche Zustände“, die beweisen, dass „die Stadt mit zweierlei Maß misst und die eigenen Häuser auf Kosten der freien Szene finanziell bevorzugt“.
Ein ohnehin „hoch bezahlter künstlerischer Leiter“ gönne sich 5.000 Euro für Auftritte im eigenen Haus, während die „Kulturarbeiterinnen der Linzer freien Szene von Fair Pay nur träumen“ könnten.
In der Kritik steht dabei auch SPÖ-Bürgermeister Klaus Luger als Aufsichtsrat, denn dieser habe das alles gebilligt. Und Letzterer gibt bei der entscheidenden Sitzung am Freitag den Takt an.
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