OÖ: Drogenbande wurde zerschlagen

OÖ: Drogenbande wurde zerschlagen
Kriminalisten aus Österreich, Tschechien und Deutschland arbeiteten bei der länderübergreifenden Aktion zusammen. Es gab sechs Festnahmen in Oberösterreich.

Kriminalisten aus Österreich, Tschechien und Deutschland ist durch länderübergreifende Zusammenarbeit ein Schlag gegen eine Drogenbande gelungen: Es wurden 104,5 Kilo Crystal Meth sichergestellt, zwei große Drogenlabors ausgehoben und 26 Personen festgenommen. In Oberösterreich sitzen sechs Personen in U-Haft, gab die Polizei bei einer Pressekonferenz am Freitag in Linz bekannt.

Insgesamt 50-köpfige Tätergruppe

Die Verdächtigen mit einem rund 60-jährigen bosnischen Serben als Anführer haben gemeinsam im Bosnienkrieg gekämpft. Die hierarchisch organisierte, mehr als 50-köpfige Tätergruppe, sei sehr professionell vorgegangen. Die Ermittler haben Drogen mit einem Verkaufswert von rund acht Millionen Euro beschlagnahmt und zwei Großlabore für Crystal Meth ausgehoben. Die Suchtmittel waren überwiegend für den mitteldeutschen Raum, aber auch Österreich und Berlin bestimmt. Im oberösterreichischen Zentralraum wurden Rauschgift im Straßenverkaufswert von 190.000 Euro und zwei Indoor-Aufzuchtanlagen sichergestellt. Es gab sechs Festnahmen, zehn Hausdurchsuchungen und 52 Anzeigen gegen Endabnehmer. Die Festgenommenen sind zwischen 25 und 40 Jahre alt, darunter sind zwei deutsche, ein serbischer und drei österreichische Staatsbürger. Sie seien laut Oberstleutnant Hermann Furtmüller speziell zum Knüpfen von Kontakten und der Beschaffung von finanziellen Mitteln für die Drogenproduktion zuständig gewesen.

Landeskriminalamtsleiter Gottfried Mitterlehner verdeutlichte das Volumen der Suchtmittel mit einem Vergleich: "In Deutschland werden im gesamten Jahr keine 100 Kilo Methamphetamine sichergestellt, hier waren es in einem dreiviertel Jahr über 100 Kilo." Die beiden Großlabors hatten ein geschätztes Produktionsvolumen von jeweils 50 bis 100 Kilogramm Crystal Meth pro Woche.

Bereits mehrere Polizeiaktionen

Im Juni beschlagnahmten die Ermittler in einem Labor in Tschechien mehr als 20 Kilo Crystal und 90 Kilo Ephedrin, ein Grundstoff zur Herstellung von Crystal Meth. Die bosnisch-albanische Tätergruppe zahlte 20.000 Euro Miete für das zu einem Drogenlabor umfunktionierte Einfamilienhaus. Der noch im Haus lebende Vermieter hat immer mit einer Gasmaske geschlafen. "Den zwei Drogenköchen haben die chemischen Prozesse anscheinend nichts ausgemacht", sagte Furtmüller. Im September wurden in einem in den Niederlanden beschlagnahmten Labor mehr als 74 Kilo Crystal und reine Methamphetaminbase sichergestellt. Die Ermittler vermuten, dass die Täter ihre Produktion nach der Aushebung des Labors in Tschechien nach Holland verlegt haben.

OÖ: Drogenbande wurde zerschlagen

Am Mittwoch wurden im Zuge einer Großrazzia in Deutschland und Tschechien insgesamt 36 Durchsuchungsbeschlüsse und weitere neun Haftbefehle in drei Ländern vollstreckt. Dabei wurden Drogen, über 100.000 Euro Bargeld, Waffen, eine Indoorplantage, Mobiltelefone und Störsender gefunden.

Den Startschuss für den aktuellen Ermittlungserfolg setzten die deutschen Beamten bereits im Jahr 2014. Die länderübergreifenden Ermittlungen unter dem Namen "Mama-Tata" mit insgesamt 30 Beamten dauerten schließlich knapp neun Monate, nachdem im Februar 2016 ein Vertrag über die Errichtung einer "Gemeinsamen Ermittlungsgruppe" (JIT) unterzeichnet wurde. Die Polizei und Justiz in Linz waren das erste Mal Teil einer solchen gemeinsamen Ermittlungsgruppe. Österreichweit war es die 20. JIT, sagte Staatsanwalt Philip Christl. Vom Landeskriminalamt Oberösterreich waren bis zu zehn Beamte im Ermittlungsteam tätig.

Crystal Meth, eigentlich Metamphetamin, ist eine in Europa vorwiegend in illegalen Drogenlabors in Tschechien hergestellte Substanz. Daher taucht sie in Österreich meist an den Grenzregionen auf. Das kristalline Metamphetamin wird als weißes oder eingefärbtes kristallines Pulver, aber auch als Tabletten oder Kapseln verkauft.

Hergestellt kann es aus dem Wirkstoff Ephedrin werden, der auch in Asthma-, Husten- und Grippemedikamenten enthalten ist. Crystal Meth besitzt ein sehr hohes psychisches Abhängigkeitspotenzial, warnte das Wiener Drogen-Kompetenzzentrum "ChEcK iT!" auf seiner Internetpräsenz. Zusätzlich könne es kaum von Amphetamin unterschieden werden, wirkt aber viel stärker als dieses: Nämlich statt zwei bis vier Stunden bis zu 24 Stunden. In Österreich ist die Substanz als Suchtgift im Sinne des Suchtmittelgesetzes eingestuft.

Crystal Meth putscht den Körper auf und unterdrückt Hunger, Schlaf und Schmerzempfinden. Psychisch sorgt es für Euphorie, extreme Nervosität, gesteigertes Selbstwertgefühl und erhöhte Risikobereitschaft. Für die Nervenzellen ist Crystal hochgiftig. Vor allem Langzeitkonsum kann zu Nervenschäden, Gedächtnis- und Konzentrationsproblemen, Zahnausfall, Herzproblemen, Hautentzündungen und Psychosen führen. Wenige Tage Dauerkonsum reichen demnach aus, um eine sogenannte Amphetamin-Psychose zu bekommen.

Die Höhe der in Österreich sichergestellten Mengen von Crystal Meth geht laut dem jährlich vom Innenministerium veröffentlichten Suchtmittelbericht nach oben: In den fünf Jahren von 2006 bis 2010 betrugt diese noch 5,3 Kilogramm, von 2011 bis 2015 wurden bereits 20,9 Kilogramm verzeichnet. Die Menge liegt aber weit unter jener von bekannteren Suchtmitteln wie Heroin, Kokain oder Amphetamin.

Metamphetamin ist übrigens nicht neu: Bereits im Zweiten Weltkrieg nahmen es NS-Soldaten, etwa Kampfpiloten, zur Steigerung der Aufmerksamkeit zu sich. Damals war die Substanz zeitweise unter dem Namen Pervitin frei im Handel erhältlich. Gegenwärtig nimmt der Konsum von Crystal Meth in Europa und Nordamerika zu, hieß es zuletzt im Drogenbericht 2015 des UNO-Büros für Drogen- und Verbrechensbekämpfung (UNODC).

Ein 46-jähriger Mann ist am Freitag im Wiener Landesgericht für Strafsachen zu einer achtjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, weil er laut Anklage am 11. Dezember 2015 in der Bundeshauptstadt 37 Kilogramm Speed verkaufen wollte. Der erwartete Abnehmer, der für das Suchtgift 81.400 Euro bezahlen hätte sollen, erwies sich allerdings als ein verdeckter Ermittler der Polizei.

Bei der geplanten Übergabe des Geldes in der Wohnung des 46-Jährigen in Wien-Landstraße wurden dieser und zwei mutmaßliche Komplizen festgenommen. Die Helfer wurden als Mitangeklagte zu jeweils drei Jahren unbedingter Haft verurteilt. Ihnen rechnete der Schöffensenat (Vorsitz: Claudia Bandion-Ortner) die untergeordnete Tatbeteiligung mildernd an: den Männern konnte nur nachgewiesen werden, dass sie das Suchtgift abgepackt und in einen Koffer gegeben bzw. Observationen durchgeführt hatten.

Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung angekündigt

Die Urteile sind nicht rechtskräftig. Der Verteidiger des Hauptangeklagten, Mirsad Musliu (Kanzlei Nikolaus Rast), meldete Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung an. Wolfgang Haas und Philipp Wolm, die Rechtsvertreter der Komplizen, verzichteten auf Rechtsmittel. Die Staatsanwältin gab zu sämtlichen Urteilen vorerst keine Erklärung ab.

Die Verhandlung war insofern "spannend", wie selbst Richterin Bandion-Ortner in ihrer Urteilsbegründung einräumte, weil der Hauptangeklagte behauptet hatte, er wäre von der Polizei hineingelegt und Opfer einer vom Obersten Gerichtshof (OGH) mittlerweile verbotenen "unzulässigen Tatprovokation" geworden. Eine solche liegt dann vor, wenn eine Person, die mit Suchtgift-Kriminalität bis dahin nichts zu tun hatte, durch dem Staat zurechenbares Verhalten zur Begehung von strafbaren Handlungen verleitet wird. Verdeckt operierende Polizeibeamte haben sich "auf eine im Wesentlichen passive Ermittlung strafbarer Aktivitäten zu beschränken", hält der OGH in seiner jüngsten Judikatur fest.

V-Mann der Polizei habe ihn da hineingeritten

Die Behauptung des Hauptangeklagten, ihm wäre genau das Gegenteil widerfahren, war für den Schöffensenat nicht nachweisbar. Der 46-Jährige hatte versichert, ein V-Mann der Polizei habe ihn in die Sache hineingeritten und geradezu erpresst, das Geschäft mit dem Speed abzuwickeln. Dafür gebe es "keinen objektiven Beweis", stellte die Vorsitzende am Ende der dreimonatigen Verhandlung fest. Vielmehr habe sich der Hauptangeklagte bereits beim ersten Treffen mit dem Ermittler über Suchtgift unterhalten und sich als "Mister Speed" vorgestellt. Als eine aus Amsterdam erwartete Suchtgift-Lieferung von den Behörden beschlagnahmt werden konnte, sei es dem 46-Jährigen gelungen, in kurzer Zeit einen anderen Lieferanten ausfindig zu machen. Das spreche für beste Kontakte in europäischen Suchtgift-Kreisen. Fazit von Richterin Bandion-Ortner: "Das war mit Sicherheit keine unzulässige Tatprovokation."

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