Oberösterreichs Brauereien hängen an der Flasche
Bier zählt zwar in Krisenzeiten wie diesen nicht unmittelbar zur Grundversorgung, darf andererseits aber auch nicht ausgehen. Wenn die Menschen in das Private verbannt sind und nicht ausgehen können, sollte der Genuss nicht ganz zu kurz kommen. Und Bier spielte dabei hierzulande eine wichtige Rolle. Mit einem Pro-Kopf-Jahreskonsum von 107 Litern ließ Österreich 2018 Deutschland hinter sich. Nur die Nachbarn in Tschechien schafften mehr, nämlich 144 Liter.
Brau Union produziert mit voller Mannschaft
„Die Bierversorgung ist komplett gewährleistet“, versichert Gabriela Maria Straka, Konzernsprecherin der Brau Union. Zum Branchenriesen gehört die Brauerei Zipf mit einem Jahresausstoß von rund einer Million Hektoliter. Der Fassbieranteil macht rund 30 Prozent aus. Der ist wie bei allen anderen komplett weggebrochen, weil die Gastronomie als Abnehmer derzeit ausfällt. Alles Bier fließt momentan in Flaschen. „Alle, die in den Handel hineinliefern, sind jetzt gefordert“, sagt Straka. Deshalb fahre man in der Produktion mit voller Mannschaft.
Neue Arbeitsweise
„Wir haben den gesamten Betrieb umgestellt“, erklärt Freistädter-Geschäftsführer Ewald Pöschko. Der Vertrieb läuft auf zwei getrennten Schienen: Die Gruppe A beginnt um sechs Uhr mit dem Aufladen und muss das Betriebsgelände bis 7.30 Uhr verlassen haben; dann lädt die Gruppe B und fährt los. Am Abend wiederholt sich das Ganze in die umgekehrte Richtung. Sollte es in einer Gruppe Probleme mit Corona geben, wäre die andere immer noch einsatzbereit, erklärt Pöschko die Vorsichtsmaßnahme. Nach diesem Muster ist auch die Produktion organisiert. So gibt es im Sudhaus, wo rund um die Uhr gearbeitet wird, einen fliegenden Wechsel. Die Schichten treffen sich nicht.
Freistädter sind größte Privatbrauerei
Die Freistädter stoßen im Jahr rund 120.000 Hektoliter aus und sind mittlerweile die größte Privatbrauerei in Oberösterreich. Knapp 25 Prozent der Produktion geht in Normalzeiten im Fass weg. „Flaschen laufen derzeit noch ganz normal“, berichtet Pöschko. Die weitere Entwicklung lasse sich aber nicht abschätzen. Er geht davon aus, dass der Handel noch Nachholbedarf hat, nachdem sich die Kunden gleich einmal kräftig eingedeckt haben. Auf Sicht rechnet Pöschko freilich mit Umsatzeinbrüchen: „Die gedrückte Stimmung wird sich auf den Bierkonsum auswirken, die Leute sind nicht unbedingt in Feierlaune.“
Brauereien werden wieder mehr
Nach einem markanten Rückgang aufgrund einer weitreichenden Marktkonzentration ist die Zahl der Brauereien wieder im Steigen, weil in jüngster Zeit viele Kleinbrauereien dazu gekommen sind. In Oberösterreich sind derzeit 56 Braustätten registriert, in etwas gleich viel sind es in Niederösterreich und der Steiermark. Bier boomt, doch seit Corona ist nichts mehr wie bisher.
Nachfrage vorhanden
Baumgartner in Schärding hat den Betrieb weitgehend herunter gefahren. „Soweit es irgendwie geht, sind die Leute zu Hause“, sagt Braumeister Michael Moritz. Der Jahresausstoß von rund 100.000 Hektolitern ist bis dato zu einem Drittel an die Gastronomie gegangen. „Wir halten nur noch das Notwendige aufrecht, um Flaschenbier abzufüllen. Alles andere ist stillgelegt.“ Beliefert werden die Handelsketten und die Raiffeisen-Lagerhäuser. Die Nachfrage sei größer als erwartet, stellt Moritz fest: „Die Leute sind zu Hause und wollen in dieser Situation das eine oder andere Bier trinken.“
Tiroler Markt völlig weggebrochen
Als „grundsätzlich dramatisch“ bezeichnet die Situation hingegen Marcus Mautner Markhof, Eigentümer der Grieskirchner Brauerei. Zwar laufe der Flaschenabsatz an den Handel „noch relativ normal“, von den rund 40.000 Hektolitern Eigenbier ging bisher jedoch die Hälfte an die Gastronomie. Der für die Hausruckviertler Brauerei wichtige Absatzmarkt Tirol ist völlig weggebrochen, die Niederlassung in Kufstein geschlossen. Weil viele Gastronomiebetriebe an sich schon wirtschaftlich zu kämpfen hätten, sieht Mautner Markhof erhebliche Turbulenzen aufziehen: „Ich hoffe, dass nicht ein Hauch des Todes in diese Branche hineinfährt.“ Sollten viele Kunden in Schwierigkeiten geraten, würde das klarerweise auch die Brauerei hart treffen.
Eggenberg verkaufen online
Alle Kraft in Richtung Handel, lautet auch in der Brauerei Schloss Eggenberg die Devise. „Im Prinzip gibt es keine reduzierte Nachfrage, im Gegenteil punktuell sogar mehr“, sagt Geschäftsführer Hubert Stöhr. Über den Online-Shop wird neuerdings ein Heimdienst angeboten. „Die Leute dürfen und wollen weniger aus dem Haus“, begründet Stöhr die Ad-hoc-Maßnahme. Da in der Lkw-Logistik Kapazitäten frei sind, soll ab Montag in den Bezirken Gmunden, Kirchdorf, Wels-Land und Vöcklabruck, quasi rund um den Kirchturm, Privathaushalte bei einer Mindestbestellung über 100 Euro beliefert.
Handarbeit
Zipfer-Sprecherin Straka sieht in der aktuellen Krise ein Plus für die Branche: „Bier ist ein Regionalprodukt und muss nicht importiert werden.“ Das erspare lange Transportwege, und auch das Mehrwegflaschen-System funktioniere bestens. Wie es längerfristig weitergeht, wagt im Moment niemand abzuschätzen. Unklar ist nicht zuletzt auch, wie die Hopfenproduktion organisiert werden kann. Ende August, Anfang September ist Erntezeit und schon demnächst müssen die jungen Triebe an den Rankhilfen aufgedreht werden – jede Menge beschwerliche Handarbeit. Hier waren in der Vergangenheit viele Arbeitskräfte aus dem benachbartem Ausland im Einsatz. Wichtiges Personal, das fehlen könnte.
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