NS-Geheimprojekt: Filmemacher von Behörde gestoppt

Andreas Sulzer recherchiert unermüdlich für seinen Film über die Geschichte des KZ Gusen, der noch heuer im ZDF zu sehen sein wird.
Bundesdenkmalamt pocht nach neuem Fund auf wissenschaftliches Vorgehen.

Auf den ersten Blick ist St. Georgen an der Gusen kein weiter auffälliger Ort. Knapp 4000 Einwohner leben in der Mühlviertler Gemeinde 16 Kilometer östlich von Linz. Es gibt viele Pendler, ein paar Betriebe, ein reges Vereinsleben, einige Wirtshäuser und einen roten Bürgermeister. Im St. Georgen über der Erde gibt es kaum Neues zu entdecken.

Unter der Erde hingegen gleicht St. Georgen einem noch nicht gänzlich erforschten Labyrinth. Bekannt ist, dass die Nationalsozialisten ab Ende 1943 gigantische Stollen zur Rüstungsproduktion in die Erde treiben ließen, weil diese hier vor Luftangriffen sicher war. Fast 9000 KZ-Häftlinge kamen bei den Bauarbeiten ums Leben. In den unterirdischen Anlagen mit dem Decknamen "Bergkristall" wurde vor allem das Düsen-Jagdflugzeug "Messerschmitt Me 262" gefertigt.

Das sei allerdings nicht die ganze Wahrheit, meint Andreas Sulzer. Der Linzer Filmemacher beschäftigt sich seit vielen Jahren mit "Bergkristall". Er stöbert in Archiven von Wien bis New York, spricht mit Zeitzeugen und trägt dabei Indizien zusammen, die darauf hindeuten, dass die Nazi-Stollen deutlich größer waren als bisher angenommen.

Unbekannter NS-Bau

NS-Geheimprojekt: Filmemacher von Behörde gestoppt
Grabungen St. Georgen an der Gusen - Eingang entdeckt
In den Unterlagen eines ehemaligen Agenten des OSS (Vorläufer der CIA) aus dem Jahr 1944 stieß Sulzer nun auf einen Hinweis, dass sich am Gelände des ehemaligen SS-Schießplatzes ein weiterer Stollen befindet. Und tatsächlich: Als er vor Weihnachten auf eigene Faust einen Bagger auffahren ließ, trat unter einer meterdicken Lehmschicht der Eingangsbereich zu einem unterirdischen NS-Bauwerk zutage. Von dort führen steile Stufen in die Tiefe. "Wir haben einen SS-Helm und einen Lkw-Steigbügel (Einstiegshilfe, Anm.) gefunden. Das deutet auf eine Lkw-Einfahrt hin", sagt Sulzer. Ob der Stollen unterirdisch mit dem 500 Meter entfernten Röhren des bekannten "Bergkristall" verbunden ist, steht noch nicht fest. Der Filmemacher hatte keine Gelegenheit, die Anlage weiter zu erforschen. Denn obwohl Gemeinde und Schützenverein die Grabungen genehmigt hatten, rückte plötzlich die Polizei an. Die Bezirkshauptmannschaft verhängte einen sofortigen Baustopp, Sulzer wurde angezeigt.
NS-Geheimprojekt: Filmemacher von Behörde gestoppt
Grabungen Stollenanlage St. Georgen an der Gusen OÖ
"Die Grabungen widersprechen dem Denkmalschutz. Daher mussten wir einschreiten", sagt Bezirkshauptmann Werner Kreisl. Das Bundesdenkmalamt in Wien (BDA) erklärt, dass es für jede Forschungsgrabung eine Genehmigung brauche. "Diese muss von einer Person mit einschlägigem Universitätsabschluss geleitet werden", betont BDA-Fachdirektor Bernd Euler-Rolle. Die Entdeckungen des Filmemacher seien nicht uninteressant. "Wir werden dem Fund nachgehen, sind aber gegen Hauruck-Aktionen. Es braucht mehr als einen Löffelbagger."

Altlasten

Sulzer hingegen versteht nicht, warum seine Grabungen gestoppt wurden: "Die Behörden erwecken nicht den Eindruck, als ob sie an einer Aufklärung interessiert sind. Auch eine weitere Entdeckung aus dem Februar 2014 hat man uns wieder zugeschüttet." Die Bürger von St. Georgen und auch der Bürgermeister wollten hingegen, dass die Wahrheit ans Licht kommt. "Denn möglicherweise gibt es noch gefährliche Altlasten", sagt Sulzer.

BDA-Fachdirektor Euler-Rolle pocht dennoch auf einen streng wissenschaftliche Vorgehensweise. Mit Sulzers Methoden habe er keine Freude, weil er sich nicht an die Regeln halte. "Er berücksichtigt die wissenschaftlich-archäologischen Aspekte nicht ausreichend und nimmt keine Rücksicht auf die Betroffenheit in der Region."

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