„Nikotinbeutel machen extrem schnell süchtig“

„Nikotinbeutel machen extrem schnell süchtig“
Sie enthalten keinen Tabak, sind im Trend, bergen aber jede Menge Risiken: Nic-Bags sind schwer zu kontrollieren

Das kleine, weiße Päckchen wird unauffällig in den Mund gesteckt, zwischen Ober- oder Unterlippe und Zahnfleisch platziert – und los geht’s mit dem Gezutzle.

Als Reaktion auf das Negativ-Image der Zigarette und auf die Einführung strengerer Tabakgesetze hat die Tabakindustrie neue Produkte designet, sogenannte „next generation products“ oder „reduced risk products“. Dazu zählen auch die Nikotinbeutel. Sie enthalten keinen Tabak, fallen deswegen nicht unter das Tabak- und Nichtraucherschutzgesetz – und somit auch nicht unter das damit verbundene Werbeverbot.

„Das ist ein echtes Problem“, sagt Rainer Schmidbauer, Leiter des Instituts für Suchtprävention in Linz. „Denn die Nic-Bags werden als moderne, trendige und sogar als gesunde Alternative zu herkömmlichen Tabakprodukten vermarkten. Dabei machen sie extrem schnell süchtig.“

Wie drei Zigaretten

Das liegt daran, dass Nikotinbeutel oral konsumiert werden und zum Teil einen sehr hohen Nikotingehalt haben: „Ein Säckchen enthält meist zwischen vier und elf Milligramm Nikotin. Zum Vergleich: Eine Zigarette enthält etwa 12 Milligramm Nikotin, wobei beim Rauchen ungefähr 10 Prozent davon tatsächlich inhaliert werden. Sprich ein konsumierter Nic-Bag entspricht rund drei gerauchten Zigaretten“. Damit wird also deutlich mehr Nikotin im Körper aufgenommen als beim Rauchen.

„Nikotinbeutel machen extrem schnell süchtig“

Rainer Schmidbauer, Leiter des Instituts für Suchtprävention

Vor allem bei Neulingen kann es dadurch zu Überdosierungen und Nikotinvergiftungen kommen. Wenn Kinder einen Nic-Bag verschlucken, kann das aufgrund des hohen Nikotingehalts sogar lebensbedrohlich sein.

„Nikotinbeutel machen extrem schnell süchtig“

Durch den fehlenden Tabak fallen natürliche etliche Risikofaktoren weg. „Wenn also jemand mit dem Rauchen aufhören will, könnte das sehr wohl ein Schritt in diese Richtung sein. Man muss sich aber bewusst machen, dass man natürlich weiterhin abhängig von Nikotin ist, selbst wenn man die Zigarette gegen Nic-Bags eintauscht. Für Jugendliche, die bis dato gar nicht rauchen, könnte dadurch aber der Umstieg auf herkömmliche Zigaretten gefördert werden“, so der Experte. Der Schritt dahin sei dann nur mehr ein kleiner.

Ständig verfügbar

Ein weiteres Problem bei den Beuteln, auch „Pouches“ genannt, sei die ständige Verfügbarkeit: „Sie können überall leise und unauffällig konsumiert werden, am Arbeitsplatz, in der Schule, in den öffentlichen Verkehrsmitteln, wo auch immer. Niemand bemerkt das. Dadurch gibt es keine Kontrollierbarkeit, es lassen sich die Mengen nur schwer dosieren und es kann ganz schnell zu Abhängigkeiten kommen.“

Eine Frau zündet sich eine Zigarette an.

Eine Frau zündet sich eine Zigarette an. 

"Tabakwirtschaft will weiter im Spiel bleiben"

Nikotin ist eine schnell und hochgradig abhängig machende, psychoaktive Substanz. Abgesehen vom Suchtpotenzial gilt Nikotin aber auch ohne Tabak als Gesundheitsrisiko: Es spielt eine zentrale Rolle bei schlechter Wundheilung. Die Hinweise auf einen negativen Einfluss bei Herz-Kreislauferkrankungen häufen sich.

Aufgrund einer fehlenden, gesetzlichen Regelung  kommt es zu etlichen Problemen: Nikotinbeutel unterliegen nicht jener Regulierung und Kontrolle, die ihrem Gefährdungspotenzial entsprechen würde: „Es gibt keine Produktsicherheit was die Dosis, Inhaltsstoffe, Kennzeichnung und vieles mehr betrifft“, sagt Experte Rainer Schmidbauer. Auch der gesetzliche Jugendschutz und das Verbot von Werbung und Sponsoring greifen dadurch nicht. Die Produkte dürfen also beworben werden als seien sie risikolose Konsumgüter.

Bemühungen konterkariert

Das ärgert den Leiter des Instituts für Suchtprävention: „Die Tabakwirtschaft stand lange in der Ecke. Sehr viele Menschen und Institutionen haben sich in den vergangenen 25 Jahren dafür eingesetzt, das Image der Zigarette zu verändern, was auch geglückt ist. Mit Produkten wie diesen will die Tabakwirtschaft weiterhin im Spiel bleiben. Und konterkariert damit die Bemühungen der Suchtprävention in Österreich.“

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