Zwei Jahre Haft: Die Geschichte eines Nazis im Bandidos-Dunstkreis

Von zwei Justizwachebeamten wird der Mann in den Schwurgerichtssaal im Landesgericht Ried gebracht. In schwarzer Jeans, dunkelgrauer Weste und das Kinn auf die Hand gestützt nimmt der kleine, etwas untersetzte Man mit hoher Stirn und gezwirbeltem Oberlippenbart ein weiters Mal auf der Anklagebank Platz.
Die Liste, die die Staatsanwaltschaft Ried an Verbrechen nach dem Verbotsgesetz vorlegt, ist lang. Sehr lang. Über viele Jahr soll der Mann einschlägig unterwegs gewesen sein.

"Schwarze Sonne" vor dem Haus, Nazi-Chats, NS-Devotionalien. Von letzteren hat er so viele gebunkert, um ein eigenes NS-Museum zu etablieren. "Hitler-Wein", "Deutsche Kernseife" und NS-Devotionalien, mit Hakenkreuzen übersät, Hakenkreuzfahnen.
Das hat die Hausdurchsuchung am 26. Juni 2023 im Elternhaus in Zwettl und an mehreren anderen Orten, an denen der Mann auch Bordelle betrieben haben soll, zutage gebracht.
Der Richter zeigt Bilder, wie der Angeklagte mit seinem mittlerweile verstorbenen Vater die Schwarze Sonne im Hof pflastert. „In der Nazi-Zeit wurde dieses Zeichen auf einem Versammlungsort der SS eingelassen“, erinnert der Richter an die Bedeutung des Symbols.
127 Nazi-Treffer in den Handys
127 Treffer zum Nationalsozialismus haben die Ermittler in den rund zehn Handys des Angeklagten entdeckt. In den Nachrichten hat er etwa Bilder von Nazi-Großvätern bekannter Politiker verschickt, „die bloß das beste für ihr Land wollten“.
Oder Christbaumbilder mit Hakenkreuzfahnen und Nazi-Schmuck - ein Engel, der den Hitlergruß zeigt -, dazu der Satz "White Christmas". Und unzählige Nachrichten mit Hitlerbildern - etwa Hitler auf einem Schlitten: "Guten Rutsch, Kameraden."
Einige beziehen sich auf Corona-Maßnahmen, etwa ein Judenstern mit "Nicht geimpft" und dem Zusatz: "Die Menschenjagd kann wieder beginnen."
Angeklagter: "Nicht schuldig"
Der Anwalt verzichtet auf Gegenäußerung, der Angeklagte bekennt sich nicht schuldig, zu keinem der Punkte: „Ich möchte mich nicht äußern, das macht der Anwalt.“ Der Anwalt hat sich aber nicht geäußert und zuckt mit den Schultern - das lässt den Richter vorerst ratlos zurück.

Waffen und NS-Devotionalien in OÖ und NÖ
Der Oberösterreicher dürfte sich schon lange in der Szene bewegt haben. Ins Visier der Ermittler ist er wegen seiner Kontakte zu einem der ganz großen in der oberösterreichischen Nazi-Szene geraten.
Kontakte in Nazi-Szene seit 2009?
Der frühere Kopf des Nazi-Zentrums "Objekt 21" und späterer Bandidos-Boss (der übrigens in Freiheit ist) soll laut Anordnung der Hausdurchsuchung zumindest seit 2009 auf die Dienste das Angeklagten gerne zurückgegriffen haben.
Bei konspirativen Treffen, vornehmlich in Marchtrenk, sollen etwa Waffendeals besprochen worden sein.
Dass er ein Bordell betrieben habe, weist der Angeklagte zurück, das komme aus dem Akt nicht heraus. „Ich will die grottenschlechte Ermittlungsarbeit aufzeigen“, poltert der Anwalt.
Bordellbetreiber, ja oder nein?
Dann regt sich auch der Angeklagte lautstark auf, als die Staatsanwaltschaft einwirft, er habe sich als „Hausmeister“ in dem Bordell bezeichnet. Bei der Hausdurchsuchung wurden jedenfalls vier Prostituierte angetroffen. Das geht aus dem Akt hervor.
Auch auf neuerliche Nachfrage will er sich nicht äußern, weil man ihm gegenüber "voreingenommen" sei. Was das Gericht zurückweist. Der Angeklagte bleibt beim "Nein".
Dass der Angeklagte seine Nazi-Aktivitäten noch ausbauen wollte, ist im Elternhaus ersichtlich. Denn dort war er bereits dabei, ein NS-Museum einzurichten.
NS-Museum in Zwettl geplant
Der Richter zeigt Details: Wehrmachtshelm mit Hakenkreuz, SS-Gürtelschnalle, ein Messer mit der Aufschrift: „Meine Ehre heißt Treue“, Nazi-Taschenatlas, Sprengkörper mit Reichsadler und Hakenkreuz. „Ist das wirklich eins?“, fragt der Angeklagte. „Ja“, sagt der Richter und zoomt den Reichsadler heraus, der auf eben diesem Hakenkreuz positioniert ist.
Das Museum in Zwettl wird jetzt wohl nichts. Denn der Anwalt legt einen Schenkungsvertrag vor, den der Angeklagte heute unterschrieben hat: Alle NS-Devotionalien, die bei der Hausdurchsuchung gefunden wurden, hat er einem Kriegsmemorial-Museum im französischen Colmar geschenkt.
Ortsvorsteher kannte "sonderbares Mosaik"
Und auch zur "Schwarzen Sonne" gibt es Details. Diese sei schon im Mai 2015 gepflastert worden. Dem Ortvorsteher des Zwettler Ortsteils sei „das sonderbare Mosaik“ zwar bekannt gewesen, die Bedeutung sei ihm aber bis zum Einschreiten der Polizei nicht bewusst gewesen, gab dieser zu Protokoll.
Lang ist nicht nur die Anklage, auch das Vorstrafenregister kann sich sehen lassen. Einbruchsdiebstahl, mehrmals Verurteilungen wegen Waffenbesitzes, Sachbeschädigung, Körperverletzung, schwerer gewerbsmäßiger Betrug, Suchtgift.
Absage an Nationalsozialismus? Nicht vor Gericht
Nach der bedingten Entlassung kam er sofort wieder in U-Haft - wegen der aktuellen Anklage. Jetzt wird er von einer Bewährungshelferin betreut. Laut ihrem Bericht strebe er an, die Landwirtschaft seiner Eltern übernehmen "und künftig ein deliktfreies Leben" führen zu wollen.
Eine Nazi-Haltung habe er nicht, er würde sich vom Nationalsozialismus distanzieren, hat er der Bewährungshelferin erzählt. Der Richter fragt überrascht nach, ob sich der Angeklagte nicht auch vor Gericht distanzieren wollen. Der Angeklagte bleibt die Antwort schuldig.
Dann ziehen sich die Geschworenen mit über 50 Fragen des Richters zur den Beratungen zurück. Während die Staatsanwältin eine harte Strafe fordert, plädiert der Anwalt "auf einen glatten Freispruch in allen Fragen".
Plötzlich ergreift der Angeklagte doch noch das Wort: "Zu dem, was mein Vater gemacht hat, sage ich nichts. Mein Vater hat schon alles gesammelt, ich bin damit aufgewachsen. Mich hat das politisch nie interessiert. Ich bin kein Nazi, und war auch keiner. Ich kann mich nicht von etwas distanzieren, das ich nicht bin."
Um dann einzuräumen, dass er sich für einschlägige WhatsApp-Nachrichten in der Corona-Zeit entschuldigen möchte.
Schuldspruch nach drei Stunden Beratung
Nach knapp drei Stunden Beratungen das einhellige Urteil: Der Mann wurde in allen angeklagten Fakten schuldig, zahlreiche Verbrechen nach dem Verbotsgesetz begangen zu haben.
Der Mann, der eine zweijährige Freiheitsstrafe wegen eines Drogendelikts verbüßt, wurde zu einer zweijährigen unbedingten Zusatz-Haftstrafe verurteilt. Vom einem ebenfalls erhobenen Falschgeldvorwurf wurde der Mann freigesprochen.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Die Staatsanwaltschaft meldete Berufung wegen der Strafhöhe an, die Verteidigung gab keine Erklärung ab. Damit endet der kurze Haftausgang für den Angeklagten mit der Rückkehr ins Gefängnis.
Detail am Rande: Wegen des riesigen Waffenarsenals, das auch in diesem Prozess immer wieder zur Sprache gekommen ist, läuft noch ein weiterer Ermittlungsstrang gegen den Innviertler und andere Beschuldigte.
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