„Soll kein Sündenbock sein“

Nach dem Freistpruch den Tränen nahe: Javier Figuero mit Anwalt Benno Wageneder.
Schwurgericht sprach Ex-Polizei-Direktor aus Guatemala frei: Nicht rechtskräftig.

Der Angeklagte ist sicherlich ein hervorragender Schauspieler“, sagte Staatsanwältin Claudia Jenichl am Donnerstag in ihrem Schlussplädoyer im Landesgericht Ried über Javier Figueroa. Der ehemalige Polizei-Subdirektor von Guatemala sei intelligent, höflich und redegewandt. „Er tut so, als ob er kein Wässerchen trüben könnte.“ Jenichl zeigte sich fest davon überzeugt, dass er am 25. September 2006 in seiner Heimat in die außergerichtliche Exekution von sieben Häftlingen der Strafanstalt Pavón involviert gewesen sei. „Ihm wird kein eigenhändiger Mord vorgeworfen, aber er hat sich beteiligt“, betonte die Staatsanwältin.

Puzzleteilchen

Sie beschuldigte den 42-Jährigen, an der Erstellung eines Geheimplans zur Tötung der Sträflinge mitgewirkt und die ausführenden Täter mit seiner Anwesenheit gelenkt und bestärkt zu haben.
Jenichl verwies auf etliche Zeugenaussagen, die zwar jeweils unterschiedliche Ausschnitte der Geschehnisse an dem Tag beschrieben, sich aber dennoch „wie Puzzleteilchen“ zusammenfügen würden. Gegen eine Manipulation der Zeugen spreche, dass es bei den Aussagen auch in unwesentlichen Details Übereinstimmung gebe. „Natürlich heißt es im Zweifel für den Angeklagten – aber hier bleiben keine Zweifel“, resümierte die Anklägerin.

Der ausgebildete Gynäkologe Figueroa, der mit Anzug und Krawatte aus der U-Haft vorgeführt wurde, hatte ab dem ersten Verhandlungstag am 10. September stets bestritten, an den gezielten Tötungen in irgendeiner Form mitgewirkt zu haben: „Ich war zwar in der Nähe des Tatorts, hatte mit den illegalen Aktionen aber nichts zu tun.“

Todesliste

Die Haftanstalt Pavón stand damals schon seit einiger Zeit unter der Kontrolle einer Gruppe von Häftlingen, die sich als „Komitee für Ordnung und Disziplin“ bezeichnete. Das Gefängnis war Ausgangspunkt zahlreicher krimineller Machenschaften.
Die staatlichen Organe wollten die Herrschaft über die Anstalt zurückerobern und erarbeiteten einen entsprechenden Strategieplan. Rund 2000 Sicherheitskräfte, zusammengesetzt aus diversen Polizeieinheiten, Mitgliedern der Justizwache und des Militärs, sollten am 25. September 2006 die Anlage stürmen und alle Häftlinge in ein anderes Gefängnis verlegen, um Pavón nach Waffen, Sprengstoff, Drogen und anderen verbotenen Gegenständen und Substanzen durchsuchen zu können.

Neben dem offiziellen Einsatzplan dürfte aber eine ranghohe kriminelle Gruppe im Sicherheitsapparat einen Parallelplan geschmiedet haben. Dieser soll vorgesehen haben, dass 25 Gefangene anhand von Listen aussortiert und an Ort und Stelle getötet werden. Als Motiv wird eine Machtdemonstration vermutet.Laut Zeugenaussagen sollen vermummte Einsatzkräfte tatsächlich einzelne Gefangene von den anderen abgesondert haben. Sieben wurden später tot gefunden.
Offiziell sollen sie bei einem Schusswechsel mit Sicherheitskräften gestorben sein. Laut einem Gerichtsgutachten wurden sie aber gezielt aus nächster Nähe erschossen. Ihre Körper wiesen Fessel- und post-mortale Schleifspuren auf. Sie dürften vor der Erschießung nackt gewesen und hinterher bekleidet worden sein.

„Die sieben Getöteten wurden niedergemäht – keine Frage. Doch Figueroa war in den Parallelplan nicht eingeweiht. Machen Sie ihn daher bitte nicht zum Sündenbock für die Verbrechen anderer“, appellierte Benno Wageneder, der Verteidiger des 42-Jährigen, in Richtung der Geschworenen. Er ersuchte um einen Freispruch.
Das Schwurgericht schloss sich mehrheitlich (6:2) dieser Ansicht an: Freispruch – nicht rechtskräftig. Vor Freude standen Figueroa Tränen in den Augen.

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