Mit der Badewanne auf der Bühne
Wenn der Posaunist Bertl Mütter aus Steyr das „Muthorn“ an seine vollen Lippen setzt, die schon Autor Franzobel in einem Text gewürdigt hat, schließt er die Augen. Dann beginnt er zu improvisieren und wechselt fließend in Kompositionen von Mahler oder Bruckner über.
Der 47-Jährige Musiker gilt als einer der besten Posaunenindividualisten Österreichs. Womit er nichts anfangen kann, sind Bezeichnungen wie Avantgardist. „Der Begriff kommt aus dem Militärwesen und meint das Voranschreiten im Kampf. Und das will ich nicht.“ Er wolle sich nicht anmaßen, dass er vorangehe und alle anderen nachkommen. Und auch mit der Zuschreibung Ausnahmekünstler ist er nicht glücklich. „Gibt es denn einen Regelkünstler?“
Mahler
Für Aufsehen in der Musikwelt sorgte Mütter, als er Schuberts Winterreise oder Mahlers Kindertotenlieder, die er zu mütterkinderlieder nachmahler umbenannte, mit seiner Posaune interpretierte. „Das ist aus einer Notlage heraus entstanden. Ich habe ein Instrument mit einem beschränkten kodifizierten Repertoire. Ich spiele nicht Klavier und leite kein Orchester, aber ich habe eine Posaune zur Verfügung, die zu einem Körperteil geworden ist.“ Wenn er spiele, sei das wie wenn man alleine in der Badewanne singe. Hier hört der Badende innerlich das gesamte Orchester. „Meine Badewanne steht auf der Bühne.“
Für ihn sei aus der Beschäftigung mit Jazz klar geworden, dass das Great American Songbook nicht seine geistige Herkunft sei. „Meine Vorfahren sind keine afroamerikanischen Baumwollpflücker. Ich wurde in Steyr geboren und da sind Bruckner und Schubert zu spüren, auch wenn man von der Geistigkeit der Kultur nicht mehr viel merkt.“ Bei Konzerten zur Winterreise sei es vorgekommen, dass sich Besucher einen Pianisten mit Frack vorgestellt haben und keinen Posaunisten. „Manche sind gegangen, andere waren umso entschlossener und sind dageblieben“
Kirche
Aus seiner Ministrantenzeit in der Kindheit habe er gelernt, wie man sich einen Raum aufbaue, bevor man zu spielen beginne. Damals sei er vom Auftreten des Priesters bei der Messe fasziniert gewesen. „Der Kaplan hatte eine gute Art, seine Botschaften an die Menschen zu adressieren.“ Den Musiker habe fasziniert, wie der Geistliche „Der Herr sei mit euch“ gesagt habe. „Da habe ich gemerkt, der ist mit einer Macht ausgestattet, das zu sagen. Das wollte ich auch und Pfarrer werden. Vielleicht war das auch der Grund für meinen Schwerpunkt in der Soloarbeit.“ Später ist er aus der Kirche ausgetreten. Apropos Soloarbeit: Gerade bereitet er für den Sommer ein langes und leises Musikstück vor, „wo sich die Zeit selbst aufhebt“. Vier bis fünf Stunden wird er dann spielen.
Der Mann mit der Posaune
Der in Steyr geborene Bertl Mütter lernte in seiner Kindheit Blockflöte und Tenorhorn, bevor er zur Posaune kam. Neben seiner Solotätigkeit spielt er auch gerne mit kleineren Gruppen. Der 47-Jährige wollte als Kind Pfarrer werden und hat ein Theologiestudium begonnen. Später studierte Jazz-Posaune in Graz. Der Musiker hat zahlreiche Konzerte im Ausland gespielt, unter anderem im Iran oder in Indonesien. Er arbeitete mit Autoren wie Josef Haslinger, Franzobel und Gert Jonke zusammen. Selbst ist er auch literarisch aktiv. Täglich schreibt er auf seiner Homepage einen Blog.
Der Musiker komponiert Auftragswerke für junge Musiker. Derzeit arbeitet er für das Akkordeon-Duo Dyas. Außerdem widmet er sich seiner Dissertation an der Kunstuni Graz über den „creativen prozeß“.
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