Missbrauch im Stift Kremsmünster war "privat"

Missbrauch im Stift Kremsmünster war "privat"
Ex-Schüler fordert Schadenersatz, Stiftsleitung weist Verantwortung von sich.

Mehr als 25 Jahre lang hat „Pater Alfons“ im Stift Kremsmünster, OÖ, mindestens 25 Internatsschüler sexuell gefoltert und misshandelt. Das ging von sadistisch motivierter Züchtigung mit einem Ochsenziemer bis zur Vergewaltigung. Der inzwischen 83-jährige einstige Konviktsdirektor August M. sitzt seine zwölfjährige Haftstrafe in der Justizanstalt Stein ab.

Borderline-Störung

Die Opfer wurden mit ihren Schadenersatzansprüchen zwischen 50.000 und 550.000 Euro auf den Zivilrechtsweg verwiesen. Stellvertretend für alle beschreitet ein heute 42-jähriger ehemaliger Schüler ab kommenden Dienstag vor dem Landesgericht Steyr diesen steinigen Pfad. Der Mann war von der Klasnic-Kommission mit 35.000 Euro abgefunden worden und klagt inklusive Verdienstentgang weitere 65.000 Euro ein. Die Gerichtspsychiaterin Adelheid Kastner attestierte dem Opfer eine verzögerte posttraumatische Belastungsstörung sowie eine durch den zwischen 1991 und 1995 erfolgten Missbrauch verursachte Borderline-Persönlichkeitsstörung. Der 42-Jährige konnte wegen der Folgen erst mit sechsjähriger Verspätung mit seinem Studium beginnen und macht geltend, dass er von 1996 bis 2000 kein geregeltes Einkommen hatte. Er wirft dem Benediktinerstift Kremsmünster vor, seinen vertraglichen Schutz- und Sorgfaltspflichten gegenüber den Schülern nicht nachgekommen zu sein.

Der Abt des Stiftes, Ambros Ebhart, hatte nach dem Urteil über „Pater Alfons“ erklärt, den Opfern sei „ein Stück Gerechtigkeit zuteil“ geworden. Und Prior Maximilian Bergmayr befand, die Betroffenen seien seinerzeit zu wenig gehört worden.

Und jetzt? Zum Prozessauftakt lässt das Stift – abgesehen von der eingewandten Verjährung – wissen: Der ehemalige Pater August M. sei der Stiftsleitung „stets als korrekte Persönlichkeit“ bekannt gewesen. Er habe „die unerlaubten Handlungen außerhalb der ihm übertragenen Funktionen gesetzt“, nämlich „nach dem Abendessen während privater Nachhilfestunden“. Für eine Haftung des Stiftes mangle es deshalb an einem inneren Zusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und der Erfüllung des Vertrages. Auch habe der Pater die Handlungen „klammheimlich vollführt“, sodass die Stiftsleitung keine Abhilfe habe schaffen können. Trotz „tadelloser Organisation des Stiftsbetriebes“ könnten derartige Einzelfälle nicht verhindert werden.

Fahrlässig

Eine wissenschaftliche Studie des Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung, die 350 Vorfälle sexueller, körperlicher und psychischer Gewalt in Kremsmünster (an denen 20 Patres beteiligt gewesen sein sollen) analysierte, kam freilich zum Schluss: Mit besserer Kommunikationsstruktur wäre der Missbrauch zu verhindern gewesen. Das Stift habe es auch durch das Versagen der kirchlichen Hierarchie „auf fahrlässige Weise“ über Jahrzehnte nicht geschafft, die anvertrauten Schüler vor gewaltaffinen und pädosexuellen Tätern zu schützen.

Das Stift Kremsmünster sieht in diesem wissenschaftlichen Bericht, den es zur Aufarbeitung der Vorfälle selbst in Auftrag gegeben hatte, allerdings „keine rechtliche Relevanz für den gegenständlichen Rechtsstreit.“ Sollte überhaupt ein Anspruch des Opfers gegeben sein, müsste man diesen im Wege der Amtshaftung gegen den Bund geltend machen, da das Stiftsgymnasium Kremsmünster eine mit Öffentlichkeitsrecht ausgestattete Privatschule sei.

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