"Meist kommt nichts Besseres nach"

Kastner: „Trennungen sind oft traumatische Erlebnisse.“
Psychiaterin Heidi Kastner fordert in Beziehungen mehr Großzügigkeit und warnt vor zu schnellem Aus.

"Wir haben uns auseinandergelebt." Diesen Satz hört man häufig, wenn es darum geht, warum Beziehungen enden. "Wenn ich nachgefragt habe, woran es denn gescheitert ist, habe ich oft keine Antwort bekommen. Viele Paare wussten keine triftigen Gründe für die Trennung. Das hat mich stutzig gemacht."

Und wenn Heidi Kastner, Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie und Leiterin der forensischen Abteilung der Landesnervenklinik Linz, stutzig wird, kommt manchmal ein Buch dabei heraus. In diesem Fall "Tatort Trennung. Ein Psychogramm".

Hohe Erwartungen

"Leute trennen sich offenbar lieber von ihren Partnern als von ihren Erwartungen", ist eine der Schlussfolgerungen, die Kastner im KURIER-Gespräch zieht. Die meisten Menschen würden unterschätzen, wie traumatisch sich eine Trennung auf ihre Biografie auswirken kann.

In ihrem Buch schreibt Kastner unter anderem, dass Trennungen in vielen Fällen zu früh erfolgen, dass einfach zu schnell aufgegeben wird. "Die Frage, die man sich stellen muss, wenn man eine Trennung erwägt, ist folgende: Bin ich mit mir alleine tatsächlich glücklicher? Oft besteht die Gefahr, dass sich Menschen Großes von einem neuen Partner erhoffen. Diese Hoffnungen werden meist enttäuscht, denn ja: Meistens kommt nichts Besseres nach." Triftige Gründe für Trennungen seien natürlich Gewalt in jeder Form, die Verletzung der Würde und wenn Lebensziele weit auseinanderklaffen.

Gibt es denn eine gute Trennung? "Eine gute Trennung ist die, die man zum Anlass nimmt, seine eigenen Anteile daran zu reflektieren. Und eine, in der man den anderen leben lässt. Das ist in der Akutphase schwierig, aber es hilft, auch die positiven Aspekte einer Beziehung zu sehen."

Nach einer Trennung müssen sich beide Seiten neu aufstellen und positionieren, das betreffe etwa den Wohnort, den Freundeskreis, die Familie und das Zusammengehörigkeitsgefühl. Im Buch schildert Kastner drastische und weniger drastische Trennungsszenarien aus ihrer beruflichen Praxis und ihrem privaten Umfeld.

"Es kann sein, dass man durch das Ende einer Beziehung den Boden unter den Füßen verliert, deswegen sollte man bereit sein, seine Idealvorstellungen schon vorher zu hinterfragen und sich vielleicht auch davon zu lösen. Haare im Waschbecken sind durchaus mit meiner Würde vereinbar."

Nachsicht mit Peanuts

Man müsse sich klar werden, was die wesentlichen Dinge in einer Beziehung seien, nämlich Loyalität, Freundschaft, Verlässlichkeit und der Wille beider, auch in Krisen zusammenzubleiben. "Wenn das alles da ist, appelliere ich an Nachsicht mit Peanuts. Jeder vergisst gern eigene Schwächen, beim anderen sehen wir schnell, was schief läuft. Deswegen: Großzügiger sein bei Kleinigkeiten. Schmutzige Socken sind nur Socken, Haare im Waschbecken sind nur Haare."

Über persönliche Trennungserlebnisse spricht Heidi Kastner nicht, nur soviel: "Das ist wirklich ein Weltuntergang, deswegen soll man Jugendliche, die gerade eine Trennung erleben und wirklich leiden, ernst nehmen."

Die Person

Heidi Kastner ist Fachärztin für Psychiatrie und Neurologie, Chefin der forensischen Abteilung des Neuromed Campus Linz. Als Gerichtsgutachterin ist sie in prominenten Strafverfahren präsent, etwa beim Fall Fritzl oder bei der Begutachtung von Estibaliz C., die zwei Männer tötete und zerstückelte.

Die Bücher

Nach "Täter Väter. Väter als Täter am eigenen Kind", "Schuldhaft. Täter und ihre Innenwelten" und "Wut. Plädoyer für ein verpöntes Gefühl" erschien jetzt "Tatort Trennung. Ein Psychogramm" bei Kremayr & Scheriau.

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