Machte Heim psychisch krank?
War Ex-Heimkind Jenö Molnar nach seiner Volljährigkeit psychisch derart angeschlagen, dass er jahrzehntelang selbst nicht in der Lage war, seine Rechte zu verfolgen?
Diese Frage steht heute im Mittelpunkt eines Zivilrechtsprozesses im Landesgericht Linz. Wie berichtet, hat der 66-Jährige das Land OÖ auf 1,6 Mio. Euro Entschädigung geklagt – für Qualen, die ihm in Kinder- und Erziehungsheimen zugefügt wurden.Sein 21. Lebensjahr hatte Molnar am 5. August 1967 vollendet. Die 30-jährige Verjährungsfrist für eine gerichtliche Geltendmachung der Ansprüche wäre demnach am 5. August 1997 abgelaufen. Allerdings: Verhindern psychische Krankheiten, dass Opfer (die keinen Sachwalter haben) Klage einreichen, dann verlängert sich die Frist.
Im Fall Molnar beauftragte das Landesgericht Linz den Salzburger Psychiater Christian Geretsegger mit der Erstellung einer neurologischen Expertise. Die Begutachtung des Probanden erfolgte am 20. Juli. Dabei kam der Sachverständige zur Ansicht, dass bei Molnar seinerzeit keine psychische Erkrankung in dem Maße vorgelegen sei, die so ausprägt war, dass er seine Recht nicht durchsetzen konnte.
Im Anschluss warf aber das Ex-Heimkind dem Neurologen vor, „ein vorsätzlich falsches Gutachten" erstellt zu haben. Molnar erstattete Strafanzeige wegen Betrugsverdachts (der KURIER berichtete). Die Staatsanwaltschaft Salzburg ermittelt. Als Beweis wird Molnar heute ein psychiatrisches Gutachten des Neurologen Wilhelm Classen aus Trier (Deutschland) vorlegen. Dieser kritisiert darin die Arbeitsweise des österreichischen Kollegen massiv und kommt zu einer deutlich anderen Einschätzung.
Expertenstreit
Laut Classen war Molnar im Jahr 1967 psychisch derart „derangiert", dass er „in keiner Weise zur Durchsetzung seiner Interessen in der Lage" gewesen sei. Ein Zustand, der bis in die 1990er-Jahre angedauert habe. Classen ortet in Geretseggers Expertise „erhebliche Mängel in der Form und Qualität". Für ihn sei „überhaupt nicht nachvollziehbar", wie dieser zu dem Schluss kommen konnte, dass keine gravierende psychische Erkrankung vorgelegen haben soll.
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