"Wir Dirigenten sind in gewisser Weise selbst ein Kunstwerk"

Concertgebouw Amsterdam, davor ein Engagement in Paris, Bruckner im Musikverein Wien mit dem ORF-Radio-Symphonieorchester, im März München, im April in der Schweiz und im Sommer wieder bei den Bayreuther Festspielen – Markus Poschner, ein gefragter Dirigent.
KURIER: Bei diesen vielen Engagements außerhalb von Linz stellt sich die Frage: Für wen arbeiten Sie?
Poschner: Eigentlich arbeite ich als Künstler in erster Linie für mich selbst - ich kann ja gar nicht anders. Natürlich bin ich auch Chefdirigent des Bruckner Orchester Linz, aber die internationale Präsenz ist ebenso entscheidend. Wir Dirigenten sind in gewisser Weise selbst ein Kunstwerk, man muss sich sichtbar machen, die eigene Einzigartigkeit unterstreichen und zeigen, dass wir etwas zu sagen haben.
Das ist dann auch für Paris, Bayreuth oder Amsterdam sehr interessant. Aber der Name Markus Poschner ist immer ganz eng mit dem Bruckner Orchester und mit Linz verknüpft, als erster Repräsentant sozusagen.
Warum sind Sie aktuell so gefragt?
Ich habe mich jahrelang sehr intensiv mit Bruckner, mit Brahms und Beethoven beschäftigt, aber auf eine ganz eigene ungewöhnliche Weise. Das hat dazu geführt, dass ich diese Musik auf eine Art interpretiere, die sich nur schwer mit anderen vergleichen lässt.
Viel hat mit Oberösterreich direkt zu tun, mit der wunderbaren Volksmusik und eigenen Spieltradition hier. Auf das Besondere kommt es eben an. Deshalb sind wir auf internationalen Podien gefragt.
Was macht Bruckner aus?
Das ist sehr schwer zu erklären. Man muss das Phänomen Bruckner selbst erleben. Ich kann nur für mich beschreiben: Bruckner hören, sich mit seiner Musik auseinanderzusetzen, ist wie ein Gipfelerlebnis, ganz oben das Panorama aufsaugen: ein unbeschreibliches Glücksgefühl. Es ist diese emotionale Seite Bruckners, die in uns etwas ins Schwingen bringen kann.
Wie finde ich Zugang zu Bruckner?
Jeder kann diese Musik hören, man muss nicht Noten lesen können. Man muss nichts wissen, nur seine Ohren aufsperren, die Augen schließen und Zeit mitbringen, weil die Symphonien eine gewisse Zeit dauern. Aber das ist beim Aufstieg auf einen Berggipfel: wenn man die Abkürzung über die Seilbahn nimmt, ist das Gipfelerlebnis längst nicht so intensiv.
Das Bruckner-Jubiläum – passt es, was da geplant ist?
Ja, unbedingt! Wir bereiten uns seit Jahren mit großem Stolz und großer Vorfreude darauf vor. Es ist bekannt, dass wir uns diesem Genie Brucker auf unnachahmliche Weise nähern, aber 2024 wird alles in ganz komprimierter Version zu erleben sein, sozusagen als Essenz aller unserer Erkenntnisse
Und Sie werden 2024 noch in Linz tätig sein?
Ja, freilich. Ich habe einen sehr langfristigen Vertrag und freue mich, den erfüllen zu dürfen.
Markus Poschner ist Jahrgang 1971 und stammt aus München
Seit 2017 leitet er das Bruckner Orchester Linz am Musiktheater
Markus Poschner spielt Klavier, Kontrabass und Trompete
Musik ist für Poschner eine Meta-Sprache, sich selbst zum Ausdruck zu bringen. Jeder Mensch suche danach, sich auszudrücken. Ob über Bewegung, Sprache, Mode oder Sport. Das seien Möglichkeiten, sich zu spüren, sich auszudrücken, sich selbst zu finden. Er könne all diese Dinge in der Musik finden, sagt Poschner: "Musik ist mein Leben.“
Ist Linz Provinz für Sie und nur eine Zwischenstation?
Nein, so würde ich niemals denken. Was bedeutet eigentlich Provinz? Wir sind kulturgeschichtlich hier so reich beschenkt, in Österreich grundsätzlich und in Oberösterreich ganz speziell. Bruckner, Brahms, Schubert, Mozart, Korngold haben hier ums Eck gewirkt, um nur einige zu nennen. Ich habe ein fantastisches Orchester zur Verfügung, es gibt so viel zu zeigen und zu erzählen. Es ist immer eine Frage der Qualität, und nicht der Größe einer Stadt oder einer Landschaft.
Brucknerhaus, Bruckner Orchester, Musiktheater, Stadt und Land: Spielt das gut zusammen?
Ich finde, es ist gut aufeinander abgestimmt. Aber Sie haben recht, es ist ein großer Akkord von verschiedenen Klängen, die immer aufs Neue gut justiert werden müssen. Jeder hat eine gewichtige Geschichte zu erzählen. Natürlich ist die Koordination dabei etwas ganz Entscheidendes und Bestandteil unserer täglichen Arbeit. Wir haben eine hervorragende Beziehung zueinander und suchen, nicht zuletzt auch für 2024, nach möglichst viel Gemeinsamkeit, das Musiktheater, das Brucknerhaus, das Bruckner Orchester Linz ...
.. und die Bruckner-Uni ...
… die spielt selbstverständlich auch eine ganz entscheidende Rolle, weil sie dieses Thema wissenschaftlich abbildet und gerade über Musikvermittlung beleuchtet. Viele ehemalige Studenten spielen bei uns im Orchester. Wir sind da in einem sehr intensiven Austausch.
Wie geht es Ihnen in und mit Linz?
Mir geht es ausgesprochen gut hier, ich wohne mit meiner Familie hier seit bald sieben Jahren, wir fühlen uns ausgesprochen wohl, haben viele Freunde gefunden.
Ihr Lieblingsplatz in Linz?
Es gibt am Freinberg oben die sogenannte Schubertlinde, die Franz Schubert zu Ehren gepflanzt wurde. Früher war auch ein Wirtshaus dort. Es hieß, dass Schubert, wenn er in Oberösterreich, in Linz war, dort am liebsten gewesen sei. Da bin ich selbst sehr gern – auch, weil ich mir bestens vorstellen kann, wie sich der Schubert da bei diesem herrlichen Alpenpanorama Inspirationen holte.
Gibt es ein Stück, das sie mit uns teilen möchten, ihr Lieblingsmusikstück?
Auch wenn es abgegriffen klingt: es ist meistens das Stück, mit dem ich mich aktuell am meisten beschäftige. Ich liebe es, in diese Meisterwerke einzutauchen, darin zu versinken. Auch wenn ich die Werke gut kenne, man kann immer was Neues herausholen.
Sie finden immer etwas Neues?
Oh ja. Da ist so viel an Tiefe hineingedacht, an Komplexität hineinkomponiert, dass man nie an den Grund gelangt. Diese Werke offenbaren eine eigene Welt. Die Kunst erzeugt ein unglaublich starkes Gefühl für unsere Gesellschaft. Da haben wir Menschen uns seit 10.000 Jahren nicht verändert. Früher sind wir um ein Lagerfeuer gesessen, haben getanzt und getrommelt, gesungen und gegessen und haben uns als Gemeinschaft gespürt. Wir haben gelernt, zusammenzuarbeiten und zusammenzuhalten und letztlich besser zu überleben: das war im Prinzip die Geburtsstunde von Kunst und Musik.
Dieser Zusammenhalt bröckelt, oder ?
Deswegen war und ist das gemeinsame Musizieren, das Spüren von Resonanz, das ist ein gutes Wort dafür, die zentrale Fähigkeit, eine Community zu bilden. Wir existieren als Gesellschaft nur in dieser analogen Form, nicht virtuell. Mir bereitet Sorge, dass wir alles ins Digitale übersetzen und nur noch auf unsere Follower schauen. Daran wollen wir unsere Bedeutung, Wichtigkeit und Vernetztheit bemessen. Das ist zu hinterfragen. Das gemeinsame Erleben ist nicht ersetzbar.
„Ein Orchester Namens Bruckner“ – Markus Poschner, stellt im „Antons Kidsclub“ im Brucknerhaus „sein“ Orchester vor: 28. März, 16 Uhr
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