Pole Dance ist aus dem Schmuddeleck draußen. Die Kombi aus Tanz, Fitness und Akrobatik verlangt Körper und Hirn viel ab. Ein Selbstversuch, blaue Flecken inklusive
Das Wichtigste zuerst: Niemand legt einen Strip hin, es werden keine Geldscheine in BHs gesteckt und nichts, wirklich gar nichts ist schmuddelig. Im Gegenteil: Hier geht es sehr, sehr sportlich zu.
Pole Dance ist derzeit absolut angesagt, immer mehr Kurse werden angeboten. Aber was steckt hinter der Trendsportart? Wie lange dauert es, bis die Bewegungen schön aussehen? Und wie anstrengend ist das wirklich? Diese Fragen kann nur beantworten, wer sich selbst an die Stange wagt. Also Fitnessgewand und ganz viel Mut einpacken, los geht’s!
Das Studio in Traun ist puristisch, hell und mit vielen Pflanzen eingerichtet. Seit einem Jahr lehrt Julia Koss hier das Training an der Stange, das Interesse wird immer größer. Obwohl der Anfang nicht einfach war: „Natürlich gab es von manchen Seiten Vorurteile. Auf meiner Social Media-Plattform kamen grausliche Kommentare und vor dem Studio standen zu Beginn komische Typen und haben sogar Beschimpfungen nach oben gerufen. Das hat aber schnell aufgehört und mittlerweile verstehen die meisten, dass es sich hier um Sport handelt.“
Als die 21-Jährige im März des Vorjahres erstmals an einem Kurs teilnahm, „wollte ich gar nicht mehr runter von der Stange, so getaugt hat es mir.“ Nach intensivem Training und etlichen Ausbildungen eröffnete sie neun Monate nach der ersten Pole-Erfahrung ihr Studio.
Schnupperstunde, die erste: Nach dem Aufwärmen erklärt die Trainerin das Basiswissen und wir probieren, wie es sich anfühlt. Schnell ist klar: Da müssen viele Muskeln zusammenspielen, das ist richtig anstrengend und das Hirn hat auch allerhand zu tun: Das ist nämlich koordinationstechnisch gar nicht so einfach. Die Mischung aus Tanz, Akrobatik und Fitness lässt aber schnell vergessen, dass wir uns viel bewegen.
Schön die Stange hoch!
„Back Hook“, „Tinkerbell“ und „Leg Switch“ heißen ein paar der Anfänger-Bewegungen. Wer zuhört und zuschaut, kann schnell selbst erste Erfolge vorweisen. Das ist motivierend. Dann geht es ans Klettern, also die Stange hoch. „Ich kann nicht beschönigen, dass das anfangs wehtut, aber es wird mit jedem Training besser.“
Niemals hätte ich gedacht, dass ich die Stange hochkomme, aber mit der richtigen Technik funktioniert das gleich bei den ersten Versuchen. Oben lernen wir dann zu sitzen. Das sieht bei mir anfangs eher aus, als ob sich ein ertrinkender Maulwurf an einen Strohhalm klammern würde. Zwei Trainingseinheiten später kann ich dabei schon in den Spiegel schauen, ohne einen Lachkrampf zu bekommen.
Der Tag danach offenbart, wie motiviert wir alle bei der Sache waren: Beeindruckende blaue Flecken an Ober- und Unterschenkeln und ein Muskelkater, der sich auszahlt, sind die Mitbringsel. Das macht aber nichts, ich bin motiviert und freue mich auf nächste Woche.
„Pole Dance vermittelt mir ein ganz besonderes Körpergefühl, die Haltung, das Selbstbewusstsein, alles wird besser“, erklärt eine Teilnehmerin. Jene, die schon ein paar Monate trainieren, haben beeindruckende Elemente drauf, da ist der Kopf öfter unten als oben, alles sieht leicht und elegant aus.
Das kann ich von mir in Trainingsstunde zwei und drei noch nicht behaupten, aber es geht voran: Wir lernen Drehungen, spüren Muskeln, von denen wir nicht mal wussten, dass es sie gibt, lachen, feuern uns gegenseitig an und freuen uns an kleinen Erfolgen. Nach drei Einheiten habe ich das Gefühl, beizeiten zu schweben und dabei richtig hart trainiert zu haben, vor allem Oberarme, Bauch und Rücken machen sich bemerkbar.
Männer vor!
Nicht nur Frauen sind in Julias Koss’ Kursen, auch zwei Männer machen mit. Alterstechnisch sind die Gruppen gut durchgemischt, „meine älteste Teilnehmerin bis jetzt war Mitte 60. Und es ist auch schön, dass alle Körperformen vertreten sind“.
Fragt man die Teilnehmerinnen, warum sie Pole Dancen sagen die meisten: Weil es Spaß macht, weil es ein kräftiger Schubs für das Selbstbewusstsein ist, weil es hartes Training ist und weil die Gemeinschaft in der Gruppe respektvoll und angenehm ist.
Keine sagt: Weil ich für (m)einen Mann an der Stange tanzen will.
Das kann jede(r)!
Vorkenntnisse oder sportliche Voraussetzungen sind nicht nötig. Weder braucht es die Armmuskulatur eines Ruderers (okay, die würde helfen) noch die Elastizität einer Ballerina (obwohl: wäre schön). „Mit jedem Training bauen wir die Muskulatur Stück für Stück auf. Es reicht ein Mal pro Woche, mehr empfehle ich nicht“, sagt Expertin Koss. Nach ein paar Monaten beherrschen die meisten schon schwierige Choreografien und Figuren. Und sie haben einen entspannten Gesichtsausdruck, wenn sie kopfüber hängen.
Zum Schluss des Trainings werden die Poles poliert und die Matten verräumt: „Bis nächste Woche“, sagen die meisten. Sie bleiben bei der Stange.