Linz: Klingeln bei NS-Opfern auf Messing-Stelen

Stelen aus Messing mit Klingeln erinnern in Linz an NS-Opfer
Die Stadt Linz hat einen eigenen Weg gefunden, an Opfer des Nationalsozialismus zu erinnern. Nämlich in Form von Stelen aus Messing. Seit Mai vergangenen Jahres stehen 17 dieser Erinnerungszeichen im Stadtgebiet. Darauf sind Name und Geburtsjahr der Opfer des Nationalsozialismus sowie Angaben zur Deportation, Ermordung oder Flucht graviert.
Die Stelen stehen in der Nähe von Straßenzügen, wo die Deportierten zum Zeitpunkt des Anschlusses 1938 gewohnt hatten. So soll ein personalisiertes Gedenken an 194 jüdische Opfer des Nationalsozialismus ermöglicht werden. Gestaltet wurden die Mahnmale vom oberösterreichischen Künstler Andreas Strauss, der dabei von Lehrlingen der Voest unterstützt wurde.
Verena Wagner, Theologin und wissenschaftliche Kuratorin, recherchierte im Auftrag der Stadt Linz die Daten der auf den Stelen genannten Opfern der Shoah. Dabei versuchte sie, Betroffene, die im März 1938 einen Wohnsitz in Linz hatten, zu identifizieren.
Aufgrund fehlender Adressbücher und Meldekarteien aus dem Jahr 1938 habe sich die Forschungsarbeit schwierig gestaltet. Für die Datenrecherche griff Wagner sowohl auf die Archive der Stadt Linz und des Landes Oberösterreich als auch auf Gemeindeämter und Dokumentensammlungen im In- und Ausland zurück. Die Kurzbiografien der eruierten Personen sind im Internet abrufbar.
Verschiedene Töne
Neben den Namen sind Klingelknöpfe an den Stelen angebracht. Diese erzeugen alle unterschiedliche, leise Töne. Künstler Andreas Strauss stellt die Klingel als mehrdeutige Metapher des Erinnerns ins Zentrum seiner Gestaltung, die sowohl Assoziationen des Daheim-Seins hervorrufen, als auch den Moment des gewaltsamen Abholens beschreiben solle.
Der Akt des „Anläutens“ soll einen emotionalen Kontakt zu den Vertriebenen und Ermordeten herstellen und die Grenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart schwinden lassen.
Fünf weitere Stelen
Nun kamen fünf weitere Stelen dazu, die an 30 jüdische Linzer, von denen zwölf in Auschwitz zu Tode kamen, erinnern. Gedacht werden soll dabei auch an die Auslöschung ganzer Familien, wie des Ehepaares Leo und Eugenie Borger mit Sohn und Tochter, deren Stele am Linzer Hauptplatz steht, sowie des Ehepaares Emil und Martha Fränkel mit zwei Töchtern in der Rudolfstraße.
„Mit den Erinnerungszeichen wird ein weiterer wichtiger Weg beschritten, damit das Geschehene und vor allem die Opfer nicht vergessen werden“, sagt Bürgermeister Klaus Luger (SPÖ). Kulturstadträtin Doris Lang-Mayrhofer (ÖVP) sieht durch das personalisierte Erinnern einen „weiteren Schritt in Richtung Aufarbeitung der nationalsozialistischen Geschichte von Linz“.
Stadträtin Eva Schobesberger von den Grünen betont: „Umfangreiche wissenschaftliche Recherchen der Kuratorin Verena Wagner und deren Veröffentlichung gemeinsam mit dem Archiv der Stadt Linz haben dieses einzigartige, für die Aufarbeitung unserer geschichtlichen Vergangenheit so wichtige Projekt ermöglicht.“
Der Prozess begann 2019 mit einem einstimmigen Gemeinderatsbeschluss. Eine zehnköpfige Jury hat sich dann für den Entwurf „Erinnern…“ mit dem Element der Klingel des Künstlers Andreas Strauss ausgesprochen.
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