"Konflikte sofort direkt ansprechen"

Scham, Wut, Verzweiflung, Hilflosigkeit sind häufige Gefühle beim Mobbing
Kontakt suchen, Situationen klären, Hilfe holen – Experte Hellinger erklärt, was gegen Mobbing hilft.

Die Personaldecke in den meisten Unternehmen ist grundsätzlich schon dünn. Ist auch noch Urlaubs- und Ferienzeit, müssen sich die paar Verbliebenen die Arbeit aufteilen.

"Da werden dann einzelne Personen noch stärker belastet. Wenn das Betriebsklima sowieso schon schlecht ist und Vorgesetzte sich nicht darum kümmern, kann es schnell passieren, dass geschimpft wird und keine Toleranz mehr für einzelne da ist." Karl-Heinz Hellinger ist Mobbingreferent der Diözese Linz und Betriebsseelsorger. Der Sommer bringe sehr wohl vermehrt Anfragen und Anrufe beim Mobbing-Telefon mit sich (Mobbing-Telefon der Betriebsseelsorge OÖ: jeden Mo. 17 bis 20 Uhr, anonym, kostenlos, ☎ 0732/7610-3610).

Keine Begrüßung

Was sind denn diese klassischen Mobbing-Situationen im Arbeitsalltag? Aus der Beratung weiß Hellinger: "Das ist ganz verschieden, oft beginnt es damit, dass es ein Mitarbeiter nicht mehr begrüßt wird. Dass alle gefragt werden, ob sie gemeinsam Kaffeepause machen wollen, nur einer nicht. Dass alle den Raum verlassen, sobald eine bestimmte Person eintritt. Dass Arbeitsmittel verschwinden oder dass den Betroffenen unschöne Namen gegeben werden. Da wird dann jemand "Schlaftablette" gerufen, nur weil er ein introvertierter Typ ist. Der Unterschied zum Konflikt sei, dass Mobbing länger andauert und immer wieder kommt (siehe Infobox rechts).

Die richtige Reaktion in so einer Situation sei immer, die Dinge sofort direkt an zusprechen, rät Hellinger, in etwa so: "Was ist passiert? Habe ich dich beleidigt? Warum grüßt du mich nicht mehr?" Natürlich treffe es oft Personen, die sowieso schon konfliktscheu seien, aber "in so einer Situation ist es wirklich wichtig, all seinen Mut zusammenzunehmen." Der Weg zum Vorgesetzten sollte erst genommen werden, wenn der Versuch, ein direktes Gespräch zu führen, gescheitert ist oder das Mobbing nicht aufhört.

Der Auslöser von Mobbing? "Eine ganz große Triebfeder ist Neid. Neid auf den besseren Job, Neid auf die bessere Figur, auf das schönere Auto – das können auch sehr persönliche Dinge sein, die in den Beruf übertragen werden", weiß Hellinger.

Wobei natürlich zu bedenken ist, dass es dickhäutige und dünnhäutige Menschen gibt: "Was die einen lustig oder sogar als Kompliment meinen, kränkt den anderen schon ungemein. Dickhäutige Menschen haben es oft leichter im Leben, weil sie brenzlige Situationen mit Humor auflösen können."

Lösungen suchen

Wer beim Mobbingtelefon anruft, bekommt sofort Hilfe von geschulten Experten, gemeinsam werden Lösungen angedacht. Gegebenenfalls werden die Betroffenen an die Arbeiterkammer oder an Psychotherapeuten verwiesen, denn: "Ganz oft geht es einfach darum, dass Menschen lernen, sich für sich selbst einzusetzen und das eigene Selbstbewusstsein zu stärken", sagt Berater Hellinger. Und in manchen Fällen müsse man sich natürlich auch die Frage stellen: "Hat das Zukunft, was ich tue, oder bin ich tatsächlich auf dem falschen Platz?"

Begriff. Unter Mobbing versteht man eine länger (mindestens drei Monate) andauernde, feindliche Verhaltensweise am Arbeitsplatz, die darauf abzielt, den anderen fertig zu machen und/oder ihn vom Arbeitsplatz wegzubringen. Der Unterschied zum Konflikt ist, dass der Zustand wiederkehrt und anhält.

Recht. Schwierig ist eine rechtliche Handhabe, da Mobbing nur schwer beweisbar ist und es auch keine rechtliche Abdeckung gibt. In extremen Fällen von Mobbing kann z. B. Beleidigung, Stalking oder Sachbeschädigung angezeigt werden.

Geht es um Mobbing unter Kindern und Jugendlichen, ist die Kinder- und Jugendanwaltschaft OÖ erste Anlaufstelle (www.kija-ooe.at). "Rund um den Schulschluss war es besonders intensiv", sagt die Leiterin der Beratungsstelle, Christine Winkler-Kirchberger. Auch in den Sommermonate geht die Arbeit der Expertinnen und Experten weiter, viele Kinder werden die Ferien hindurch betreut.

"Wir setzen stark auf Prävention, sind mit Theaterstücke und Info-Kampagnen im ganzen Bundesland unterwegs", so die Juristin. "Denn viele Mitmacher wissen oft gar nicht, was sie da anrichten." Verstärkt habe sich in den vergangenen Jahren das Cyber-Mobbing, also Mobbing über das Internet. "Das ist für die Betroffenen besonders schlimm, weil das Mobbing gar kein Ende mehr nimmt, sondern online immer weitergeht."

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