„Die Klimabelastung muss sich in den Produktpreisen widerspiegeln"
Agrarlandesrat Maximilian Hiegelsberger ist davon überzeugt, dass Direktvermarktung weiter zunehmen wird.
KURIER: Immer mehr Landwirte setzen auf Direktvermarktung. Doch die erfordert zumeist hohe Investitionen und viel Arbeitseinsatz. Soll es dafür mehr staatliche Unterstützung geben?
Maximilian Hiegelsberger: Ohne Investitionen und hohen Arbeitseinsatz funktioniert keine Branche in der Landwirtschaft, das ist nicht nur in der Direktvermarktung so. Gerade in den letzten Jahren konnten wir eine Reihe an Entlastungen erreichen. Zudem werden über die ländliche Entwicklung im Rahmen der Diversifizierung jene Betriebe unterstützt, welche neue Vermarktungswege beschreiten. Klar ist aber auch, dass das Einkommen in erster Linie über den Verkauf der hochqualitativen Produkte funktionieren muss. Alles andere ist nicht nachhaltig.
Tatsache ist, dass die Landwirtschaft für die Produkte keine fairen Preise erzielen kann. Wer ist schuld daran: der Handel, der Konsument, der Bauer selbst?
Die müssen die hohen österreichischen Standards erfüllen, aber beim Preis mit Produkten aus aller Welt mithalten. Gleichzeitig steigen die Erwartungen an die Landwirtschaft weiter. In diese Situation sind wir alle gemeinsam gekommen, und da kommen wir auch nur gemeinsam wieder raus. Die Landwirtschaft allein kann es nicht richten.
Sollte der Staat hier lenkend eingreifen? Wenn ja, wie?
Wir brauchen wie in allen anderen Bereichen Kostenwahrheit. Daher fordern wir den Ausbau der Herkunftskennzeichnung. Auch die durch Lebensmittel erfolgte Klimabelastung muss sich im Produktpreis widerspiegeln.
Wie die Menschen schlussendlich einkaufen und welche Art der Landwirtschaft sie damit fördern, bleibt eine individuelle Entscheidung. Aber es müssen alle Informationen auf den Tisch, damit die Entscheidung nicht auf reinem Marketing beruht. Dabei muss sich der Handel als Partner der Landwirtschaft auftun und diese nicht nur für Werbezwecke nutzen.
Kleinere Betriebe, die auf Regionalität setzen, klagen über Bürokratie samt hohen Kosten. Muss es hier zu einer Entbürokratisierung kommen?
Gerade im Lebensmittelbereich ist das immer eine Gratwanderung zwischen notwendiger Sicherheit und unnötiger Belastung. Kleinere Betriebe richten im Unglücksfall aber auch kleinere Schäden an, daher braucht es da auch in den behördlichen Auflagen eine Abstufung. Daran wird laufend gearbeitet.
Der weitaus überwiegende Teil agrarischen Urproduktion erfolgt industriell, der Trend geht zu immer noch größeren Einheiten. Wird die Direktvermarktung eine Nische bleiben?
Der technische Fortschritt macht nicht an den Hoftüren halt. Vor 30 Jahren waren es noch 25 Kühe überwiegend im Anbindestall, heute sind es 70 Kühe im Freilaufstall mit automatischem Melksystem, die eine Familie ernähren. Wir müssen aufpassen, was wir genau unter „industriell“ verstehen und wie wir über Betriebsgrößen in der Landwirtschaft sprechen. Direktvermarktung gibt es schließlich in allen Größenklassen, bis hin zu Ackerbetrieben mit mehreren hundert Hektar. Als entscheidendes Ziel würde ich definieren, dass wir möglichst vielen Menschen eine erfüllende Beschäftigung in der Landwirtschaft mit einer adäquaten Entlohnung bieten wollen. Dafür braucht es die Vielfalt in der Landwirtschaft. Die Direktvermarktung wird sicher noch zunehmen, Corona hat das beschleunigt.
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