„Papa, wie funktioniert denn dieser Sex?“
Kinder stellen rund 300 Fragen pro Tag. Die meisten davon können rasch und simpel beantwortet werden. Nur wenn Fragen zur Sexualität kommen, wissen viele Erwachsene oft nicht weiter – reagieren entweder mit dem Auszug aus dem Lexikon. Oder sie reagieren gar nicht.
„Kinder merken sehr schnell, wenn Erwachsene überfordert sind. Sie hören dann irgendwann auf, Fragen zu stellen, und suchen sich ihre Infos anderswo zusammen.“ Magdalena Heinzl ist Sexualtherapeutin und -pädagogin mit eigener Praxis in Linz, sie hält Workshops an Schulen, leitet einen eigenen Lehrgang, unterrichtet und ist in sozialen Medien aktiv.
"Gib mir ein bisschen Zeit!"
„Das Thema Sexualität überfordert Kinder nicht, wenn man versucht, simple Fragen zu beantworten. Es wäre sehr einfach.“ Zu Hause müsse ein Klima herrschen, das es Kindern erlaubt, Fragen zu stellen. Und bei den Antworten muss nicht immer alles bis ins Detail erklärt werden. „Wenn wir ad hoc keine Antwort wissen, können wir auch sagen: ,Deine Frage ist echt super, du hast eine gute Antwort verdient. Gib mir ein bisschen Zeit, dann erkläre ich dir das!“
Es ist entscheidend, Sexualität alters- und entwicklungsgerecht zu erklären: „Einem vierjährigen Kind etwas von Samen- und Eizelle zu erzählen, ist sinnlos.“ Wichtig sei eine klare Sprache: „Bitte keine komischen Namen für die Genitalien erfinden, alle anderen Körperteile nennen wir ja auch so, wie sie heißen. Kinder sind nicht überfordert mit klaren Begrifflichkeiten wie Penis, Vulva oder Vagina. Sie sind überfordert mit Fantasiebegriffen. In einem Workshop, den ich in einer Volksschule hielt, hatte die Lehrerin den Kindern zuvor erklärt, dass Penis und Scheide beim Geschlechtsverkehr verschmelzen. Ich hatte lange damit zu tun, den Kindern die Angst und Verwirrung zu nehmen. Sie konnten sich darunter einfach nichts oder nur Unangenehmes vorstellen.“
Missbrauch vorbeugen
Heinzl rät, von Beginn an klare Begrifflichkeiten für die Genitalien zu verwenden: „Viele Erwachsene haben arge Komplexe. Sich mit der kindlichen Sexualität zu beschäftigen, bedeutet auch, sich mit der eigenen Sexualität auseinanderzusetzen: Wie wurde ich aufgeklärt? Welcher Zugang zur Sexualität wurde mir vorgelebt?“ Klare Benennungen tragen außerdem zur Prävention von sexueller Gewalt bei: „Wenn Kinder ihre Körperteile benennen können, können sie viel eher sagen, wenn Missbrauch passiert: In meiner Arbeit im Präventions- und Kinderschutzbereich hatte ich mit einem fünfjährigen Buben zu tun, der in der Familie mehrmals gesagt hatte, dass der Opa den Traktor in der Garage abstellt. Niemand dachte sich etwas dabei, bis nach einem halben Jahr der sexuelle Missbrauch aufkam.“
Soziale Regeln abstecken
Erwachsene schauen auf alles mit der Erwachsenen-Brille, Kinder leben nach dem Hier-und-Jetzt-Prinzip, wollen Bedürfnisse sofort befriedigen, das betreffe auch sexuelle Bedürfnisse: „Wenn sich Kinder an den Genitalien berühren, wenn sie masturbieren wollen, dann machen sie das. Das ist nichts Verwerfliches, die Aufgabe der Erwachsenen ist es, die sozialen Regeln dafür abzustecken.“ Die eigene Sexualität müsse man Kindern nicht beibringen, sie lernen von alleine, was sich gut anfühlt.
„Sexuelle Basiskompentenzen werden in den ersten 10 Lebensjahren erlernt, dazu gehören auch Doktorspiele, für die es ebenfalls Regeln geben muss. Was es bei Kindern in ähnlichem Alter nicht gibt, ist Opfer und Täter. Es gibt keinen fünfjährigen Sexualstraftäter.“
Mission: Tabuthema besprechbar machen
Zur Person. Magdalena Heinzl ist 26 Jahre und wohnt in Kefermarkt. Sie hat unter anderem die Ausbildungen zur klinischen Sexologin, zur Sexual-, Trauma- und Theaterpädagogin sowie als Sozialarbeiterin abgeschlossen. Ihre Mission ist es, Menschen in ihrer sexuellen Entwicklung zu begleiten und das Tabuthema besprechbar machen – egal, in welcher Alters- oder Zielgruppe.
2020 gründete Heinzl „sexOlogisch – Plattform für Sexualität, Körperwahrnehmung und Gewaltprävention“ mit eigener Praxis in Linz.
Sie hält Workshops, Fortbildungen und Elternabende, leitet unter anderem den Lehrgang Sexualpädagogik.
Berufliche Erfahrungen sammelte die Oberösterreicherin beim Verein PIA, als Beraterin im Kinderschutzzentrum Linz sowie bei der Betreuung von unbegleiteten, minderjährigen Geflüchteten bei SOS Menschenrechte.
Für den Start in die Pubertät
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Alles über Schwangerschaft und Geburt
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Erbsenklein Melonengroß. Cornelia Lindner, Verena Tschemernjak, Achse Verlag
101 echte Kinderfragen
„Wie lang wird ein Penis?“, „Was ist ein Kondom?“, „Wie fühlt man sich, wenn man verliebt ist?“: Diese drei und 98 andere echte Kinderfragen werden im Buch „Klär mich auf“ behandelt. Wie viel Aufklärung brauchen Kinder im Grundschulalter? So viel, wie sie selbst wollen, sagen Fachleute. Was wollen Kinder wissen? Sexualpädagogin Katharina von der Gathen hat Fragen von Volksschulkindern über Körper, Liebe und Sexualität gesammelt und beantwortet.
Klär mich auf, Katharina von der Gathen, Klett Kinderbuch Verlag
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