Gewalt, Mobbing, Ausgrenzung: Die großen Themen der Kinder- und Jugendanwältin

Auch in Europa bekommt die chinesische App TikTok zunehmend Ärger.
4.500 Beratungen hat die oö. Kinder- und Jugendanwaltschaft pro Jahr, "ein Drittel davon dreht sich um die Themen Gewalt, Mobbing und Ausgrenzung im Internet", resümiert Christine Winkler-Kirchberger, die Kinder- und Jugendanwältin des Landes.
Ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter merken zusätzlich dazu, dass gerade in der Pubertät "rechtsradikale Themen, Nazi-Symbole und die Abwertung von muslimischen Schülerinnen in Whatsapp-Gruppen" stark präsent seien.
Gerade über die Plattform Tiktok, auf der sich 72 Prozent der Jugendlichen in Österreich "onlive", wie es der Soziologe Kenan Güngör nennt, befinden, dringen radikale Inhalte in die Wahrnehmung der jungen Menschen ein.
Güngör ist einer der Referenten bei der Fachtagung der Kinder- und Jugendanwaltschaft, die unter dem Titel "Extrem - Digitalisierung und (De-)Radikalisierung junger Menschen" die betroffenen Institutionen zu dem Thema miteinander vernetzt.

Ingrid Brodnig, Michael Lindner, Christine Winkler-Kirchberger, Kenan Güngör
Güngörs Thema ist die Radikalisierung von jungen Migranten, hauptsächlich Moslems. Und er schickt voraus: "Wir reden hier immer nur von einem Anteil von zehn Prozent. 70 Prozent der Zuwanderer sind bestens integriert, 20 Prozent sind in prekären Lagen, etwa geflüchtete Menschen, die sich eingliedern wollen."
Rechtzeitiges Eingreifen nötig
Und für Güngör ist er entscheidende Zeitpunkt, einzugreifen, "in der Phase der Präradikalisierung", also in einer Zeit, wo die ersten Kontakte geknüpft werden. Lange bevor jemand in den Dschihad zieht und sich für IS-Terror begeistert.
Die Erzählung der Prediger im Internet seien immer im legalen Rahmen, sie schüren bei jungen Muslimen, die selbst fremdenfeindliche Erfahrungen gemacht haben, eine "generelle Westfeindlichkeit gegenüber dem Islam".
Propaganda in der Muttersprache
Dann werde die "Überlegenheit des Islam" propagiert. Dabei hält Güngör es für entscheidender, beim kursierenden Propagandamaterial in den Muttersprachen der jungen Männer genauer hinzuschauen: "Da wird der Dschihad präsentiert."
Güngör spricht dabei auch die generelle Überforderung und eine völlige Enthemmung im Internet an: "Auf X (vormals Twitter, Anm.) läuft die Radikalisierung der Erwachsenen." Er ist überzeugt, dass "wir mehr Kontrollmechanismen und eigene Produkte" brauchen.
"Europäisches Tiktok"
Und konkretisiert auf Nachfrage: "Die digitale Welt wäre viel besser steuerbar, als die analoge." Man müsse das nur tun. Und etwa - als Alternative - eine Art "europäisches Tiktok" entwickeln. Oder Europa müsse sich auf die Beine stellen und Plattformen wie Tiktok nur bei Bekanntgabe bzw. Regulierung der Algorithmen zuzulassen.
Hier hakt Internet-Radikalisierungsexpertin Ingrid Brodnig ein. "Man kann auf Tiktok Feeds zwar zurücksetzen", weiß sie, "aber diese Plattformen featuren sofort wieder rechte, antimuslimische und frauenfeindliche Themen." Und diese verfangen - wie von Güngör angesprochen, bei muslimischen Jugendlichen und vergrößern so die "Distanz zur Gesellschaft".
Die beiden Experten sowie die Kinder- und Jugendanwältin und auch der für Kinderschutz zuständige SPÖ-Landesrat Michael Lindner pochen auf die Vorbildwirkung der Eltern für ihre Kinder. Und Brodnig ergänzt: "Die Digitale Grundbildung in der Schule ist eigentlich gut, aber zu wenig." Es müsste - wohl schon in der Volksschule - in allen Fächern und Schulstunden Beachtung finden.
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