"Kein Tag ohne Kidnapping"

Franz Zauner schrieb seine Erlebnisse nun in dem Buch "Flug ins Ungewisse" nieder.
Josef Zauners Flugzeug wurde im September 1970 von Palästinensern entführt.

"Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an die Erlebnisse vor 44 Jahren erinnert werde", sagt Josef Zauner, pensionierter Landwirt aus Neuhofen an der Krems (OÖ). Der Anblick – oder auch nur das Geräusch – eines Flugzeugs reicht aus, um ihn an den 6. bzw. 7. September 1970 und die Todesgefahr denken zu lassen, in der er damals geschwebt ist. "Ich glaube aber, dass ich alles gut verarbeitet habe – es belastet mich heute nicht mehr."

Zauner war damals 26 und wollte seine jüngere Schwester Gerti besuchen, die in San Francisco (USA) als Au-pair-Mädchen arbeitete. "Ich hab’ mich wahnsinnig darauf gefreut, es war mein erster Flug und die erste Auslandsreise."

Von Linz-Hörsching aus flog er mit der AUA nach Frankfurt, wo er eine aus Tel Aviv kommende Boeing-707 der US-Gesellschaft TWA bestieg. Da alle Sitze der Touristenklasse belegt waren, durfte Zauner in der Ersten Klasse Platz nehmen. "Um 11.50 Uhr ist mein Flieger Richtung New York abgehoben." An Bord befanden sich 152 Passagiere – großteils US-Amerikaner, aber auch Israelis, Inder, Engländer und Deutsche. Aus Österreich saß noch die Grazerin Christl Pelikan, die in New York arbeitete, im Flieger.

Handgranate & Pistole

"Kein Tag ohne Kidnapping"
Entführungsopfer: FRANZ ZAUNER war im September 1970 Geisel von palästinenschischen Terroristen in Flugzeug in Jordanien, Neuhofen an der Krems, OÖ
Nach einer halben Stunde Flugzeit sprang ein arabisch aussehendes Paar vom Sitz auf und rannte laut schreiend den Gang entlang. "Die Frau ist ins Cockpit gestürmt und der Mann hat sich etwa vier Meter vor mir mit einer Handgranate und einer Pistole aufgebaut." Zauner zitterte am ganzen Körper. Mit erhobenen Händen erfuhren die Passagiere, dass das Flugzeug nun auf dem Weg in ein "freundliches Land" sei. Fünf Stunden später gab es in Beirut (Libanon) aber keine Landeerlaubnis, auch in Amman (Jordanien) wurde der Flughafen gesperrt. 80 Kilometer östlich kam es schließlich auf einem stillgelegten Flugfeld nahe Zarqa zu einer Notlandung. "Jetzt können wir wenigstens nicht mehr abstürzen", dachte Zauner.

Zahlreiche Kämpfer der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PLFP) säumten das Flugfeld. "Zehn bis zwölf sind mit Maschinengewehren herein und haben uns die Pässe abgenommen." Im gesamten Flugzeug wurde Dynamit platziert. Mit der Aktion sollten rund 3000 inhaftierte Guerillas freigepresst werden.

Mut zusammengekratzt

Lebensgefährlich wurde es, als eine weitere entführte Maschine (siehe Info) landete und nur 30 Meter hinter der Boeing zum Stillstand kam. "Andernfalls hätte es sicher 300 Tote gegeben." Nach einer Nacht ohne Schlaf – immer wieder waren Schüsse zu hören – stiegen am Vormittag die Temperaturen im Flieger auf 50 Grad. Die Verpflegung war zu Ende und Wasser gab es nur für Kinder. Auch die Klos quollen über. "Es waren katastrophale hygienische Bedingungen." Die Situation drohte zu eskalieren, als die Geiselnehmer in den Toiletten Schnipsel israelischer Pässe fanden: "Doppelstaatsbürger hatten sie heimlich entsorgt."

Schließlich wurden alle indischen Passagiere von Bord gebracht. Eine Stunde später durften auch Frauen und Kinder aussteigen. "Da hab’ ich meinen ganzen Mut zusammengekratzt und dem PLFP-Kommandanten erklärt, dass ich Österreicher bin, noch nie in Israel war und mit dem Konflikt nichts zu tun habe." Zauner wurde überraschend erhört: Die Kidnapper brachten ihn, neun Frauen und zwei Kinder in ein Hotel nach Amman und ließen sie frei. Zauner: "Am 13. September habe ich das Land endlich verlassen und zu meiner Schwester in die USA fliegen können."Seine Einstellung zum Leben hat sich seit der Geiselnahme massiv geändert: "Ich bin ein sozial denkender und allen Kulturen gegenüber sehr offener Mensch geworden."

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