Kein eindeutiges EuGH-Urteil zur umstrittenen oö. Wohnbeihilfe

Kein eindeutiges EuGH-Urteil zur umstrittenen oö. Wohnbeihilfe
Voraussetzung für Koppelung an Deutschkenntnisse ist, dass die Beihilfe als „Kernleistung“ gilt. Linzer Gericht muss das klären.

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am Donnerstag kein eindeutiges Urteil über die Erfordernis des Nachweises von Deutschkenntnissen für den Bezug von Wohnbeihilfe in OÖ gefällt. Sie könnte laut Urteil vom Donnerstag unter gewissen Voraussetzungen gegen EU-Recht verstoßen.

Dazu müsste das zuständige österreichische Gericht die Wohnbeihilfe als „Kernleistung“ im Sinne der EU-Richtlinie über langfristig aufenthaltsberechtigte Drittstaatsangehörige eingestuft werden.

Rechtsstreit

In dem Rechtsstreit (C-94/20) geht es um einen türkischen Staatsangehörigen, der zwar Deutsch auf dem verlangten Niveau beherrscht, aber ohne Sprachprüfung über keinen Nachweis darüber verfügt und keine Wohnbeihilfe mehr bekommt. Der türkische Staatsbürger machte vor den österreichischen Gerichten geltend, dass die Voraussetzung des Nachweises von Deutschkenntnissen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoße, den die EU-Richtlinie zur Rechtsstellung der langfristig aufenthaltsberechtigten Drittstaatsangehörigen festschreibt. Diese verbietet eine Diskriminierung aufgrund der ethnischen Herkunft.

Das Landesgericht Linz hat den EuGH um Auslegung ersucht. In Oberösterreich wurde 2018 für Nicht-EU-Bürger - anders als für Unions- oder EWR-Bürger - die Voraussetzung eingeführt, dass sie grundlegende Deutschkenntnisse nachweisen müssen.

Die Wohnbeihilfe, die auf 300 Euro begrenzt ist, sei eine „Kernleistung“ im Sinne der EU-Richtlinie, hatte zuvor der EuGH-Generalanwalt argumentiert. Die EU-Richter stellten in ihrem Urteil nunmehr fest, dass die Knüpfung der Wohnbeihilfe an einen Deutsch-Nachweis auch gegen Artikel 21 der EU-Grundrechtecharta (Nichtdiskriminierung) verstoßen würde, wenn es sich um eine „Kernleistung“ handelt. Ist dies nicht der Fall, wäre die Grundrechtecharta nicht anwendbar. Die EU-Richtlinie über Drittstaatsangehörige sei nicht anwendbar.

Haimbuchner sieht sich bestätigt

Landeshauptmannstellvertreter Manfred Haimbuchner (FPÖ) bezog sich in einer Reaktion als Wohnbaureferent darauf, dass der EuGH bei seiner heutigen Entscheidung offengelassen habe, ob es sich bei der Wohnbeihilfe um eine Kernleistung im Sinne des Unionsrechts handle oder nicht. Er zitierte die Rechtsansicht des österreichischen Sozialrechtsprofessors Wolfgang Mazal, wonach die Wohnbeihilfe keine soziale Kernleistung im unionsrechtlichen Sinne darstelle. Die Anknüpfung an Voraussetzungen sei also rechtens.

Das Grundbedürfnis des Wohnens sei durch die oberösterreichische Sozialhilfe ausreichend abgedeckt. Die Wohnbeihilfe gehe darüber hinaus.

Noch wichtiger sei, dass durch die oö. Regelung ein weiterer Anreiz zur Integration geschaffen worden sei. „Ich hoffe, die inländischen Gerichte treffen eine überlegte Entscheidung in dieser Sache. Oberösterreich ist kein Selbstbedienungsladen, sondern in unserem Bundesland wird Leistung belohnt“, stellte Haimbuchner fest.

ÖVP steht hinter Regelung

Auch der Geschäftsführer der ÖVP Oberösterreich Wolfgang Hattmannsdorfer betonte, dass das Erlernen der deutschen Sprache eine zentrale Voraussetzung sei, um am Arbeitsmarkt Fuß fassen und sich selbst erhalten zu können. Die EuGH-Entscheidung sei eine Bestätigung, dass die Verknüpfung von Voraussetzungen in Form von Deutschkenntnissen für den Bezug von Sozialleistungen wie der Wohnbeihilfe wie erwartet auch dem EU-Recht grundsätzlich nicht widerspreche.

Systemerhalter betroffen

Landesrat Stefan Kaineder (Grüne) sah im Pressedienst seiner Partei das Landesgericht Linz gefordert zu entscheiden, ob die Wohnbeihilfe eine Kernleistung ist. Damit sollte die Basis für eine vernünftige oö. Wohnbeihilfe - fernab von Diskriminierung - gelegt werden. Vielfach sind die Betroffenen Systemerhalter, die seit Jahrzehnten im Land leben, arbeiten und Steuern zahlen und ihren Beitrag zur Gesellschaft geleistet haben. Und anstatt ihnen zumindest die gleiche Leistung zukommen zu lassen wie allen anderen Bürgern habe sich die schwarz-blaue Landesregierung entschieden, diskriminierende Maßnahmen zu setzen, welche die Armutsgefährdung weiter verstärken.

Auch der Klagsverband, der für den türkischen Staatsbürger 2018 das Verfahren eingebracht hatte, wertete die Entscheidung des EuGH positiv: Der EuGH habe in seinem Urteil klare Argumente angeführt, die erwarten lassen würden, dass die Wohnbeihilfe als Kernleistung der Sozialhilfe eingestuft wird. „Wir sehen jetzt den Weg frei für leistbares Wohnen für alle. Nicht nur Oberösterreich ist betroffen, auch die anderen Bundesländer sind dazu aufgerufen, diskriminierende Zusatzvoraussetzungen für Drittstaatsangehörige zu streichen.“

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