Kampf dem schleichenden Wirtetod
Die Wirte leiden besonders unter der Corona-Pandemie. Zuerst mussten sie wochenlang zusperren, dann durften sie nur unter eingeschränkten Bedingungen wieder aufsperren. Im Sommer gingen die Geschäfte dank Schönwetter einigermaßen, doch es stehen erneut ungewisse Zeiten bevor. Wie lange die Durststrecke dauern wird, ob und wie viele Betriebe am Ende aufgeben werden müssen, ist offen.
Kinder wollen nicht übernehmen
Der schleichende Wirtetod hat freilich bereits vor Jahren eingesetzt. Zwischen 2012 und 2019 ist in Oberösterreich die Zahl der Gasthäuser beständig gesunken: Von 1.566 im Jahr 2012 auf 1.327 Ende des Vorjahres. Es fehlen die Nachfolger. Oft gibt es sie schlicht nicht, oft wollen sich die Kinder das Wirtsgeschäft nicht antun. Sie haben gesehen, wie viel Arbeitszeit ihre Eltern investieren mussten. „Wir können als Politik nicht zuschauen und jammern, sondern müssen handeln“, sagt Martin Dammayr.
Wirtshaus gekauft
Der ÖVP-Bürgermeister der Gemeinde Michaelnbach (Bezirk Grieskirchen) ist davon überzeugt, dass es zunehmend Aufgabe der öffentlichen Hand sei, Wirtshäuser zu erhalten und so für ein intaktes Gemeindeleben zu sorgen. In diesem Sinne hat die 1.300-Einwohner-Kommune im Vorjahr das seit 2016 leer stehende Gasthaus Übleis im Ortszentrum mit den Stimmen von ÖVP und SPÖ erworben und saniert. ÖVP und SPÖ stimmten dafür. Die FPÖ war zwar auch für den Ankauf des Gebäudes, wollte darin aber betreubare Wohnungen unterbringen. Alles in allem 600.000 Euro wurden aufgewendet, ohne Unterstützung durch das Land. Bei der Planung wurde darauf geachtet, Altes und Uriges mit Modernem zu kombinieren.
Helle Gemütlichkeit
Herausgekommen ist helle, zeitgemäße Gemütlichkeit beim „Hofwirt“. Mit Alexander Jungbauer (28) fand sich ein Pächter. Der gebürtige Michaelnbacher ist gelernter Koch und hatte zuletzt das Gasthaus Kollmann in Senftenbach (Bez. Ried) betrieben. Er interessierte sich seit Längerem für das Wirtshaus im Heimatort. Ohne das Engagement der Gemeinde hätte er sich jedoch nicht darüber getraut: „Pachten ja, kaufen sicher nicht!“
Jungbauer steht in der Küche, Partnerin Andrea Frauscher (24) kümmert sich um das Service. Auch die Eltern Klaus und Rosi helfen mit. „Wenn die Familie nicht so zusammenhalten würde, wäre das fast unmöglich zu stemmen“, sagt der Jungwirt. Nach einem Jahr zieht er zufrieden erste Bilanz, es laufe gut. Das Erfolgsrezept sei einfach: „Ehrliche, bodenständige Küche, ohne Fertigprodukte und Chemie. Hausmannskost und Regionalität.“ Eingekauft wird so nahe wie möglich: Fleisch, Gemüse, Apfelsaft, Schnaps – alles aus der Umgebung. Das Bier hat auch keinen langen Weg, kommt aus Grieskirchen. Die Speisekarte richtet sich nach der Saison. Demnächst wird sich alles um Kürbis drehen. Es folgt Wild, von der örtlichen Jägerschaft.
Keine Konkurrenz
Sicher habe es Diskussionen über das Projekt gegeben, räumt der Bürgermeister ein. Etwa darüber, ob die Gemeinde den Wettbewerb verzerre. „Wir machen den beiden anderen Wirten keine Konkurrenz“, erwidert Dammayr. Ein jeder mache sein Geschäft, und der Neue spreche neue Zielgruppen an. Die Gäste kämen nicht nur aus dem Ort, sondern aus einem Umkreis von 30, 40 Kilometern, erzählt der Wirt.
Das Ortszentrum retten
Der Einstieg in die Gastronomie war für Bürgermeister Dammayr ein logischer nächster Schritt. Vor zehn Jahren baute die Gemeinde ein neues Lebensmittelgeschäft mit rund 300 Quadratmetern, das ebenfalls an einen privaten Betreiber vermietet wird.
Im ersten Stock hat die Musikkapelle ihren Probenraum. „Damit haben wir das Ortszentrum gerettet und das Dorfleben erhalten“, sagt Dammayr – und hat bereits nächste Pläne. Getreu dem Motto, das groß auf der Fassade des Amtsgebäudes steht: Wir gestalten miteinander unser Michaelnbach lebenswert.
Kommentare