"Jetzt den Nationalpark erweitern"
Franz Maier (50) ist Präsident des Umweltdachverbandes ÖGNU mit 37 Mitgliedsorganisationen. Er wohnt in Molln und arbeitet bei der Energie- und Umweltagentur Niederösterreich in St. Pölten.
KURIER: In Hinterstoder wird es keine Verbindung zwischen den Skigebieten Höß und Wurzeralm geben. Ist die Entscheidung für Sie eine Erleichterung?
Franz Maier: Sie ist eine Erleichterung, denn es gab lange Diskussionen, die im Grunde fruchtlos waren und die Energie gebunden haben. Es besteht nun die Chance, von einer Fehlsteuerung der Aufmerksamkeit wegzukommen in eine Richtung, die für die Region angepasst wäre. Nämlich einen naturnahen Ganzjahrestourismus zu forcieren, statt einseitig auf den Skitourismus zu setzen. Die Gäste kommen wegen der intakten Natur und Landschaft. Sie erwarten hier kein zweites Ischgl.
Die Tourismus hat die Erweiterung damit argumentiert, dass die Region mit den großen Skigebieten nicht mithalten können.
Die Erweiterung ist weder naturräumlich noch wirtschaftlich noch rechtlich möglich. Wenn man aber davon ausgeht, dass sie möglich wäre, dann könnte das verbundene Skigebiet nie mit den großen Gebieten in Salzburg, Tirol oder Vorarlberg konkurrieren. Das heißt,wir würden auch in Zukunft in einer ganz anderen Liga spielen, hätten aber damit eines der schönsten Naturgebiete Österreichs verloren.
Alle Bürgermeister der Pyhrn-Priel-Region haben sich für die Erweiterung ausgesprochen. Sie argumentieren, dass sie den Ganzjahrestourismus benötigen, weil sich sonst die Investitionen nicht rechnen.
Der Ganzjahrestourismus ist wichtig. Man hat Aktivitäten in diese Richtung jahrelang verabsäumt. Das ist auch der Vorwurf an den Tourismusverband Pyhrn-Priel, dass er eine einseitige Konzentration auf das Skischaukelprojekt forciert hat. Er hat es mit einer gewissen Meinungsmache geschafft, politische Entscheidungsträger, die nicht abseits stehen wollten, auf diese Forderung einzuschwören. Das ist aber zu kurz gedacht. Denn die Region hat Chancen, die vollkommen ungenützt sind. Es braucht einer Neuausrichtung der Tourismuspolitik.
Welche Chancen sind das?
Der Nationalpark Kalkalpen sollte im Zentrum stehen. Ein Nationalpark ist ein weltweit anerkanntes Gütesiegel. Rundherum kann ein naturverträglicher Ganzjahrestourismus entwickelt werden. Man kann im Bereich des Radfahrens sehr viel tun. Das Mountainbiken ist extrem ausbaufähig. Es gibt nach wie vor viele gesperrte Weg und Routen, die geöffnet werden sollten.
Das Skigebiet Wurzeralm könnte man zu einem Skitourenzentrum weiterentwickeln. Hier könnte man für Anfänger Wege und Aufstiegsrouten beschildern und markieren und Shuttle-Dienste anbieten. Die Wurzeralm könnte zu einem Familienskigebiet weiter entwickelt werden.
Es müsste ein neuer Tourismusverband gegründet werden, der Tourismusverband Kalkalpen. Er sollte sich an den Werten des Nationalparks aufbauen. Wandern, Laufen, Bergsteigen, Klettern, Radfahren, Skitourengehen, Schneeschuhwandern und Winterwandern sollten im Zentrum stehen.
Ist die von Ihnen geforderte Erweiterung des Nationalparks realistisch?
Wir feiern heuer 20 Jahre Nationalpark. Im Landesgesetz vom 5. Dezember 1996 wurde die schrittweise Realisierung festgelegt. Das ist keine Kann-, sondern eine Muss-Bestimmung. Die Erweiterung des Gebietes um die Haller Mauern, das Warscheneck und um das Tote Gebirge hat zu erfolgen, sobald der Park im Reichraminger Hintergebirge und im Sengsengebirge tatsächlich betrieben wird, heißt es im Gesetz.
Der Nationalpark wird gut gemanagt und ist erfolgreich. Die Besucherzahlen steigen Jahr für Jahr. Die Landesregierung ist in Erfüllung des Landesgesetzes aufgefordert, die Erweiterung in einem nächsten Schritt fortzusetzen. Nachdem die Skischaukel nicht kommt, ist in der politischen Diskussion ein wesentliches Hemmnis beseitigt. Nun sollte der Nationalpark um das Warscheneck und um die Haller Mauern erweitert werden.
Wie reagiert die Politik auf Ihre Forderung?
Es ist allen bewusst, dass die Erweiterung des Nationalparks gesetzlich vorgeschrieben und unumgänglich ist. Es wäre das nun ein Impuls für die Regionalentwicklung. Bei den Haller Mauern, das sind im Wesentlichen der Große und der Kleine Pyhrgas, besteht schon ein Naturschutzgebiet,ebenso beim Warscheneck seit 2008. Mit einigen Arrondierungen könnte man diese Schutzgebiete zum Nationalpark erklären, ohne dass man groß mit Grundeigentümern verhandeln muss. Das sind im Wesentlichen die Bundesforste, die jetzt schon Jahr für Jahr Entschädigungen für das Warscheneck erhalten. Man hätte also nicht einmal zusätzliche Kosten. Die Zirkenwälder am Warscheneck sind einzigartig, es gibt Hochmoore, ein alpiner Raum, wie er sonst kaum in den nördlichen Alpen besteht. Mit dem Piesling-Ursprung gibt es eine der größten Karstquellen in den Ostalpen. Das Karsthochplateau ist unglaublich. Fachlich ist das unbestritten.
Von der Industrie wird der weitere Ausbau der Wasserkraft gefordert. Energie-AG-Generaldirektor Werner Steinecker sieht sie aber bereits weitgehend ausgebaut.
Ich stimme dem neuen Generaldirektor vollkommen zu. Das Potenzial liegt nicht im Neubau von Kraftwerken, sondern in der Modernisierung bestehender Kraftwerke. Durch den Einbau von neuen Turbinen lässt sich noch Potenzial heben, ohne dass man unberührte Fließwassergebiete angreifen muss.
Wir stehen auf dem Standpunkt, dass die Ökostromförderung umgestellt werden sollte. Die Förderung von Kleinwasserkraft sollte nicht auf den Neubau gerichtet sein, sondern auf die Effizienzsteigerung bestehender Anlagen. Dafür in doppelter Höhe. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie verlangt von Österreich, dass Querbauwerke für die Fische durchgängig werden. Von oben nach unten und von unten nach oben. Diese Ökologisierung hat in den nächsten 10, 15 Jahren zu erfolgen.
Die Dieselfahrzeuge sind Verruf. Einerseits durch den Abgasskandal bei VW, andererseits durch die Überschreitung der Grenzwerte von Stickoxiden in Städten. So dürfen Dieselfahrzeuge ab 2018 bei Grenzwertüberschreitungen nicht mehr nach Stuttgart hinein. Hier hat Umweltminister Rupprechter bereits zwei Mal die Abschaffung der steuerlichen Bevorzugung von Diesel verlangt.
Die Glaubwürdigkeit des Diesel ist zu Recht erschüttert, denn er ist nicht umweltfreundlicher als der Benziner. Das ist eine Mär. Deshalb ist auch das Diesel-Privileg nicht mehr gerechtfertigt, dass er doch in einem sehr, sehr hohen Ausmaß von 640 Millionen Euro pro Jahr bevorzugt behandelt wird, wie das das Wirtschaftsforschungsinstitut festgestellt hat.
Dazu kommt, dass zumindest 50 Kfz-Werkstätten Abgasfilter aus Dieselfahrzeugen ausgebaut haben, um die Leistung zu erhöhen bzw. sich den Austausch der Filter zu ersparen. Das ist Betrug.
Es braucht generell eine ökologische Steuerreform, die fossile Energie stärker besteuert und die Arbeitskosten reduziert.
Sollen in Städten wie in Linz bei Überschreitung der Grenzwerte Fahrverbote verhängt werden?
Ich glaube, dass es nicht anders gehen wird, weil die Mobilitätswende zu langsam geht und der Ausbau des öffentlichen Verkehrs zu wenig greift, vor allem auch im Zentralraum. Ohne Umweltzonen und Fahrverbote wird man das in Städten wie Linz und Graz nicht in den Griff bekommen. Denn die anderen Maßnahmen lassen zu lange auf sich warten.
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