Trauer, Wut und Hoffnung

Hochwasser Goldwörth Boot
In Goldwörth kämpfen die Menschen weiterhin mit den Folgen der Flut.

Die Sonne knallt vom Himmel, Felder und Wiesen leuchten in sattem Grün. Dann plötzlich riesige braune Seen inmitten von Maisfeldern – bizarre Ansichten auf der Fahrt nach Goldwörth, Bezirk Urfahr-Umgebung. In der 1000-Einwohner-Gemeinde an der Donau hat das Hochwasser besonders schlimm gewütet. Gerümpel türmt sich in den Hauseinfahrten, Feuerwehrautos und Bundesheerfahrzeuge donnern vorbei.

Trauer, Wut und Hoffnung
Hochwasser Goldwörth
Bürgermeister Johann Müllner hat kein Problem, mit der Zeitung zu den Flutopfern zu fahren. „Es ist so wie es ist, da kann man nicht die Augen davor verschließen.“ Er erzählt vom Bundesheer, das für die Goldwörther das Wasser aufbereitet, vom Samariterbund, der die Flutopfer und Helfer mit Essen versorgt, von den unermüdlichen Feuerwehrleuten und von den dramatischen Stunden am Montag vor zwei Wochen, als das Wasser binnen weniger Stunden um einen Meter gestiegen ist.

„Mein Vertrauen in die Landespolitik hängt davon ab, wie das Hochwasser für die Leute ausgeht.“Johann MüllnerBürgermeister GoldwörthIn der Käferbachstraße wird die Erdgeschosswohnung einer 71-Jährigen ausgeräumt. 80 Zentimeter hoch stand das Wasser in Küche und Schlafzimmer, gerade noch rechtzeitig konnte die Frau mithilfe ihres Sohnes die meisten Möbel nach oben bringen. „Meine Küche war erst fünf Jahre alt, fast alles ist hin“, erzählt die Witwe.

Im Schlafzimmer steht man jetzt am Estrich, der kaputte Laminatboden liegt vor dem Haus. Der Raum ist leer, nur an der Wand hängt das Hochzeitsfoto der Frau. „Im Herbst möchte ich wieder einziehen. Ich bin so gerne hier.“ Dann kommen ihr die Tränen. „Wir werden das schon irgendwie schaffen. Zum Glück habe ich ein bisschen etwas erspart.“ Am Weg nach Hagenau, jenem Ortsteil von Goldwörth, in dem das Wasser am höchsten stand, liegt eine Zille direkt neben der Straße. Dahinter breitet sich ein Hochwassersee aus.

Die schlammige Brühe, die hier überall in den Feldern steht, beginnt langsam zu stinken. Bürgermeister Müllner, selbst Landwirt, rechnet mit Ernteeinbußen von mindestens 50 Prozent. Die Felder neu zu bestellen mache um diese Jahreszeit keinen Sinn mehr. Und selbst wenn sich die Pflanzen erholen, drohe Pilzbefall, gerade beim Weizen.

In Hagenau stehen zwei Soldaten der ABC-Abwehrkompanie aus Hörsching an einer Pumpe, die über lange Schläuche Grundwasser zur Aufbereitungsanlage befördert. „Wir helfen gerne, außerdem ist es eine Abwechslung zum Alltag in der Kaserne“, sagt Rekrut Florian Lef aus Aigen/Schlägl. Bürgermeister Müllner ist ein paar Meter weitergegangen und unterhält sich mit einem Häuslbauer, in dessen Garage das Wasser bis zur Decke stand.

Absiedelung

Dass die Landespolitik jetzt laut über eine Absiedelung in Hochwassergebieten nachdenkt, hält Müllner für „Schwachsinn“: „Die Leute räumen gerade zusammen, sind mit den Nerven fertig, da kann man sie nicht mit der Absiedelung konfrontieren.“ Obwohl, meint er dann plötzlich, halb ernst, halb im Scherz, „wenn der Anschober morgen mit dem Geldwagen vorbeifährt und die Absiedelung schnell und im Sinne der Leute erledigt, wär’s mir auch recht.“

„Der Grund wurde mir als hochwassersicher verkauft.“ Häuslbauer Markus Stummer ist mit den Nerven am Ende. In der Garage seines Rohbaus in der Ortschaft Hagenau, Gemeinde Goldwörth, stand das Wasser bis zur Decke.

2009 hat Stummer zu bauen begonnen, dann kam die Scheidung, jetzt das Hochwasser. Den Schaden durch die Flut beziffert er zwar mit „nur“ 15.000 Euro, doch er hat schon 400.000 Euro in sein Haus investiert. „Das Haus kauft mir sowieso keiner mehr ab. Ich weiß nicht, ob ich weiterbauen soll. Vielleicht kommt ja in zwei Jahren wieder ein Hochwasser. “

Stummer überlegt jetzt sogar, den Rohbau einfach so stehen zu lassen. Auf Politik und Versicherungen ist er sauer. Viel zu spät vor der Flut gewarnt hätte man die Leute in Goldwörth. Jetzt verspreche man rasche finanzielle Hilfe, aber passiert sei bisher noch gar nichts. „Irgendwer muss für diesen ganzen Schaden zahlen. 20 Prozent sind viel zu wenig.“

Die Versicherungen würden sich leider nur die „guten Geschäfte“ aussuchen, schimpft Stummer. Ein solidarisches System wie in der Schweiz müsse her. Dort zahlt jeder Hausbesitzer in den Topf der Hochwasserversicherung ein, egal, ob sein Haus gefährdet ist oder nicht.

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