Heftiger Kampf um die zunehmend rareren Arbeitskräfte

Die Unternehmertochter Theresa Fill absolviert selbst eine Lehrlingsausbildung
Für die Betriebe ist der Mangel an Arbeitskräften ein massives Problem. Von Gerhard Marschall.

Christoph Wiesner von der Wirtschaftskammer Ried im Innkreis bringt es auf den Punkt: „Wir sind ausgetrocknet!“ In der dynamisch wachsenden Wirtschaftsregion Innviertel fehle Personal querbeet. Zurzeit gibt es etwa im Bezirk Ried rund 2.400 offene Stellen und etwas mehr als 700 Arbeitsuchende.

Die Folge: Um Mitarbeiter wird intensiv geworben, speziell um Lehrlinge. Andreas Fill aus Gurten (Bez. Ried) ortet dabei einen Kulturwandel im Umgang miteinander: „Die Ellbogen werden immer mehr ausgefahren.“ Fill spricht von einem „War of Talents“, und dieser Krieg werde mitunter brutal geführt. Christian Breyer, Chef der Arbeiterkammer Ried, bestätigt das. Es komme vor, dass Mitarbeiter anderer Betriebe angeschrieben und zum Wechsel animiert werden. Mit lukrativen Gehältern, inklusive Abgeltung von Abfertigungsanspruch und Pönale wegen Verstoßes gegen die Konkurrenzklausel. „Solche Angebote waren vor der Pandemie undenkbar“, sagt Breyer.

500 Euro Anwerbeprämie

Georg Holacek, Personalchef beim Flugzeugkomponentenbauer FACC, bestätigt die angespannte Lage. Da die Luftfahrtindustrie boome, habe man seit Jahresbeginn mehr als 180 Leute aufgenommen. Dennoch seien zurzeit rund 140 Stellen offen. Durch wechselweise Abwerbung werde das Problem der Region gewiss nicht gelöst, ist Holacek überzeugt: „Das ist wie ein Topf. Das Wasser darin kocht gerade wie verrückt, wird aber nicht mehr.“ FACC setzt verstärkt auf Rekrutierung über Leasingfirmen, außerdem schaut man sich in anderen Ländern (Kroatien, Tschechien, Slowenien) um. Und nach der Devise „Bring your friends“ gibt es für Mitarbeiter pro Neuanwerbung 500 € Prämie.

Benefits sollen anlocken

„Die Situation ist momentan sehr herausfordernd“, sagt Viktor Sigl, im Vorstand des Zweiradbauers KTM für Personal zuständig. Aktuell werden für die Standorte Mattighofen und Munderfing (Bez. Braunau) Mitarbeiter zum Aufbau einer dritten Schicht gesucht. Geworben wird mit flexiblen Arbeitsmodellen und Schichtbus. Auch in Mitarbeiterwohnungen in der Region wird investiert. Zudem gibt es eine Vielzahl an Benefits, von der kostenlosen Mastercard Gold bis hin zur Krabbelstube für Kinder von eins bis drei Jahren.

Fill: Immer schwieriger

Der Maschinenbauer Fill kratzt an der 1.000-Mitarbeiter-Marke, zurzeit können aber mehr als offene 40 Stellen nicht besetzt werden. „Gute Leute zu finden und zu binden, wird immer schwieriger“, sagt Firmenchef Andreas Fill. Am Konkurrenzkampf mag er sich nicht beteiligen: „Wir denken nicht kurzfristig, sondern über Generationen.“

Gewinnbeteiligung

Dazu wurde ein Zukunftslabor namens „Future Lab“ eingerichtet, in dem in die Welt der Digitalisierung eingeführt wird. Auch Erwachsene sollen sich angesprochen fühlen. Der Hintergedanke: Talente aufspüren, sich für die Materie und für das Unternehmen interessieren. Andreas Fill nennt es „fillisieren“. Die Belegschaft will aber auch in der Gegenwart wertgeschätzt sein. Deshalb werden heuer erstmals über ein Prämiensystem zehn Prozent des Vorjahresergebnisses ausgeschüttet – in Summe gut eine Million. Zudem wird jeder und jede mit einem iPhone versorgt, das der Chef nicht als Goodie, sondern als zentrales Kommunikationstool verstanden wissen will. Und: Ein geplantes Parkhaus mit 550 Stellplätzen soll eine begrünte Dachgartenoase bekommen, mit Pub, Kosmetikstudio, Fitnesscenter, Platz für Yoga und Physiotherapie. Einen Friseursalon soll es auch geben, ganz nach Fills Mitarbeiterwohlfühlmotto: „Kopfwäsche statt Kopfgeld“.

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