Dönmez fordert Gesetz gegen Radikalismus

Efgani Dönmez appellierte erneut ans Innenministerium, ein Zeichen zu setzen.
Der Grüne Bundesrat sieht das größte Risiko in sogenannten Wanderpredigern.

Der Grüne Bundesrat Efgani Dönmez fordert ein Verbotsgesetz für radikale islamische Strömungen. Derzeit müsse ein Delikt passieren, damit es zu einer Verfolgung komme, so Dönmez am Montag im Gespräch mit dem ORF-Radio Oberösterreich. Der Präventionsgedanke gehöre aber weitergesponnen. Nach Ansicht des Linzer FPÖ-Chefs Detlef Wimmer wäre eine "Eil-Ausweisung" besser als ein Strafgesetz.

"Das größte Risiko haben wir mit den sogenannten Wanderpredigern", sagte Dönmez. Sie würden in kleinen Hinterhof-oder Kellermoscheen Leute um sich scharen. Dass in Österreich neun Tschetschenen mit Asylstatus auf dem Weg nach Syrien aufgegriffen wurden, zeige, wie nahe der Krieg ins Zentrum von Europa gerückt sei.

Zahlreiche Maßnahmen gefordert

Der Bundesrat appellierte erneut ans Innenministerium, ein Zeichen zu setzen, um politisch motivierten Islam zu verhindern. Dazu gehöre u.a. eine bessere Zusammenarbeit mit dem Verfassungsschutz und der Aufenthaltsbehörde. Es fehle laut Dönmez an geeigneten rechtlichen Grundlagen. Derzeit greife nur das Strafgesetzbuch, zur Vorbeugung brauche es ein gesetzliches Verbot für "diese Aufrufe für den Jihad und islamistischen Terror". Der Bundesrat verlangt zudem eine Trockenlegung der Finanzkanäle der Terrororganisationen, die ihr Geld auch auf österreichischen Konten lagern würden.

FPÖ-Chef Wimmer für "Eil-Ausweisung"

Der Linzer FPÖ-Obmann Wimmer ortet in Dönmez' Vorstoß einen "praxisnahen Ansatz", einem "Verbotsreigen" kann er dennoch wenig abgewinnen: "Im Einzelfall wird es schwierig sein, religiösen Extremismus vor Gericht - womöglich in einem Geschworenenprozess - nachzuweisen", erklärte Wimmer in einer Aussendung. Zudem stelle sich die Frage, wann das nächste Verbot komme: "Müsste bei noch stärkeren Ausschreitungen des Schwarzen Blocks in Wien dann zum Beispiel ein 'Antifa-Verbotsgesetz' erlassen werden?" Wirksamer als ein Strafgesetz wäre es laut Wimmer, religiösen Fanatikern möglichst rasch den Asylstatus bzw. die Staatsbürgerschaft abzuerkennen und sie - gegebenenfalls mit Einreiseverbot - auszuweisen.

Innenministerin Johanna Mikl-Leitner warnte am Freitag mit eiserner Miene: Dschihadisten des "Islamischen Staates" (IS) in Syrien und im Irak hätten steigenden Zulauf aus Österreich. Sie revidierte die Zahl an Gotteskriegern made in Austria von 100 auf 130. Viele seien "russische Staatsbürger". Gemeint waren Tschetschenen.

Zwar ziehen europaweit fanatisierte, junge Männer und zunehmend auch Frauen in den Heiligen Krieg. Aus Österreich reisen laut Verfassungsschutz aber auffällig viele Tschetschenen in den "Islamischen Staat". Wie jene zehn (darunter ein Österreicher), die am Mittwoch vor dem Grenzübertritt festgenommen wurden und von denen neun nun in U-Haft sind. In Graz war ein tschetschenischer Prediger im Visier der Verfassungsschützer, der acht Kaukasier für den Syrien-Krieg angeworben haben soll. Zuvor wurde am Bezirksgericht Hietzing der 32-jährige Hasan B. für tot erklärt – geboren in Argun, Tschetschenien, wohnhaft in Wien, verstorben in Aleppo, Syrien. Der deutsche Nahost-Experte Guido Steinberg fragte jüngst in einem Essay, ob "eine tschetschenische El Kaida" entstehe.

Österreich als Diaspora-Zentrum

Zwei Kriege zwangen viele Tschetschenen zur Flucht. Österreich wurde zu einem Zentrum ihrer Diaspora: Laut Schätzungen leben 26.000 Menschen aus der autonomen russischen Republik hier. Die Zeiten, in denen noch fast 90 Prozent der Antragsteller Asyl bekamen, sind vorbei. Die Quote sank kontinuierlich.

Warum zieht der IS ausgerechnet Tschetschenen aus Wien oder Graz an? Die Meldung über die verhafteten Dschihad-Touristen wunderte Siegfried Stupnig nicht. "Das Problem ist längst bekannt." Es seien "die Spätfolgen der Tschetschenien-Kriege". Der Kärntner Traumapsychologe spannt den Bogen von der einst nationalistisch geprägten Unabhängigkeitsbewegung bis zum Erstarken einer wahhabitischen Strömung in Tschetschenien. "Es wuchs eine neue Generation heran, die gar keine Chance hatte, sich zu bilden." In der Hauptstadt Grosny lagen Schulen in Schutt und Asche.

Stupnig zeichnet ein heterogenes Bild der heimischen Community. Die meisten seien "liberal bis traditionell" und fürchteten die radikale Strömung, der einer Studie der Uni Wien zufolge nur drei Prozent angehören. Viele kämen erst hier in Kontakt mit radikalem Gedankengut. Etwa eine junge Frau, die ihre Kleider gegen einen Ganzkörperschleier tauschte und ihre Eltern verschreckte. "Wir haben Angst um unsere Kultur", hört Stupnig oft.

Verschleppte Väter

Wer die Situation dieser Flüchtlinge verstehen will, muss den "Rucksack" aufschnüren, der ihnen aufgebürdet wurde. Der Krieg hat laut Stupnig "einen Grundstein für die Radikalisierung gelegt". Das letzte Bild von Vätern sei oft jenes, wie sie verschleppt wurden. "Viele plagen Rachegefühle für den Vater", erzählt Stupnig. Dazu kämen soziale Probleme, Identitätskrisen und die "Macht des Internets".

Sonja Brauner vom Verein Hemayat arbeitet als Psychotherapeutin daran, dass die brutalen Bilder verblassen. "Gewalterfahrungen und Traumata" plagen ihre Klienten. Sie erzählt von einem jungen Mann, der zu Silvester durchdrehte, weil ringsum Raketen knallten. Eine rasche Therapie, die geboten sei, scheitert an fehlenden Mitteln.

Brauner mahnt ein, trotz individueller Probleme "die lange Zeit verfehlte Asyl- und Integrationspolitik" im Blick zu haben. Flüchtlinge stecken "in einem langen Asylverfahren, in Orientierungslosigkeit" und "erfahren Ablehnung". Einzelne sind in so einer Situation mit Heilsversprechungen leicht zu ködern.

Von Moderaten wie Huseyn Ishanov von der "Vereinigung der demokratischen Tschetschenen in Österreich" ist derzeit selten die Rede. Er appelliert an Jugendliche, der IS-Propaganda nicht auf den Leim zu gehen. "So wird man nicht zum Helden."

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