Geistig behinderter Bub sollte 215 € zahlen
Sven Vikstrems ist wegen einer schweren geistigen Behinderung besachwaltet und zu 100 Prozent invalid. Der 15-jährige Linzer kann nichts sehen, ist auf einen Rollstuhl angewiesen und leidet an epileptischen Anfällen. Nahrung kann er nur in pürierter Form aufnehmen und er benötigt rund um die Uhr Windeln (Pflegestufe 7).
Auf Svens Namen ist ein Auto angemeldet, mit dem seine Mutter ihn zu Ärzten oder zu Therapien transportiert. Dafür gibt es steuerliche Begünstigungen und auch die Autobahn-Vignette gratis. Am 20. Mai 2014 fuhren die Großeltern mit dem 15-Jährigen zum Neuen Rathaus Linz. Sie mussten zum Bürgerservice und wollten sich auch nach Impfungen für den Enkel erkundigen. Den Pkw stellten sie auf einem Behindertenparkplatz ab, den erforderlichen Ausweis platzierten sie – wie sonst auch immer – hinter der Windschutzscheibe. Als sie nach 15 Minuten zurückkehrten, war der Wagen jedoch fort."Als der Sven gehört hat, dass das Auto weg ist, ist er ganz nervös geworden. Wenn etwas vom Gewohnten abweicht, ist das für ihn immer ganz schlimm", erzählt Michaela Vikstrems, Svens alleinerziehende Mutter, die selbst zum Krankenhaus Wels unterwegs war und alarmiert wurde. Sie musste kommen und den Sohn beruhigen. Den Großeltern gelang es schließlich, in Erfahrung zu bringen, dass ein Polizist das Auto abschleppen hatte lassen, weil es angeblich den Verkehr behindert habe und in der Halteverbotszone gestanden sei. Von diesem Verstoß gibt es allerdings keinen Fotonachweis. Vikstrems: "Es ließ sich niemand finden, der das beweisen konnte."
Anzeige zurückgezogen
Die Polizei legte später die Anzeige wieder zurück, weil der Beamte sich an den Vorfall nicht mehr genau erinnern konnte. "Er hat sich bei uns auch entschuldigt", betont die 48-Jährige.
Der Magistrat Linz stellte dem 15-Jährigen allerdings Abschleppkosten in Höhe von 215 Euro in Rechnung. Am 2. Februar wies das oö. Landesverwaltungsgericht eine Anfechtung des vom Linzer Bürgermeister erlassenen Bescheids als "unzulässig" zurück. "Das war ein schwerer Schlag für uns, mit dem wir nicht gerechnet haben." Die Mutter musste dann jeden Tag befürchten, dass der Exekutor zur Eintreibung der Schulden vorbeikommt.
"Hier wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen. Das Ganze ist völlig sinnlos, von dem Buben ist nichts zu holen – er besitzt nichts und wird auch nie etwas besitzen", ärgerte sich Vikstrems Anwalt Roland Gabl. Der Verwaltungsaufwand habe lediglich zur Folge, dass die Mutter gequält werde.
Gnade vor Recht
Auf KURIER-Anfrage wurde der Fall am Dienstag magistratsintern noch einmal geprüft. Ergebnis: "Wegen der unklaren Beweislage verzichten wir auf die Eintreibung der Kosten", erklärte die zuständige Dienststellenleiterin Brigitta Schmidsberger. Das sei aber keinesfalls als Präzedenzfall zu werten. "In dem Fall lassen wir ausnahmsweise Gnade vor Recht walten. Auch, weil der zu erwartende Verwaltungsaufwand höher wäre, als die Summe, die wir noch bekommen könnten." Der Mutter werde das auch noch schriftlich mitgeteilt.
Vikstrems: "Schön, dass es hier endlich ein Einlenken gibt. Die Angelegenheit hat mich sehr viel Energie gekostet – Kraft, die ich eigentlich für Svens Pflege bräuchte."
Foto von Picturenews.at
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