Findige Bauern machen den Sauwald zur Qualitätsmarke
Er habe „ein wenig einen Whiskey-Vogel“, sagt der Bauer Josef Wallner aus Esternberg (Bez. Schärding). Sein Erbhof ist seit rund 250 Jahren in Familienbesitz, Schnaps wird hier schon immer gebrannt. Deshalb gibt es ein heute rares Brennrecht für Getreide. Vor gut 25 Jahren stieg Wallner als einer der ersten Landwirte in Österreich in das heikle Whiskey-Fach ein.
Es brauche viel Zeit und so manchen Fehler, erzählt der 60-jährige Bauer: „Die Feinheiten erfährst du nicht, da musst du selbst draufkommen.“ Der Sauwald liefert die Basis: Urgesteinswasser, Weizen und Roggen. Wichtig seien die Fässer, sagt Wallner: „Da habe ich eigentlich schon alles probiert.“ Das Holz gibt Farbe und Aroma. Jetzt setzt er auf österreichische Eiche. Mindestens drei Jahre lagert der Whiskey. So lange dauert es, bis sich zeigt, wie gut der Sauwaldwhiskey gelungen ist. Von ihm gibt es drei Sorten: den Old-Pretz, benannt nach dem Hausnamen, den Single Malt und den Zigarrenbrand. Dazu kommen allerlei Schnäpse, von Birne, Apfel, Zwetschke, Kirsch und Erdbeere bis hin zu Vogelbeere, Zirbe und Kümmel. Obendrein gibt es diverse Liköre, um die sich Ehefrau Katharina (60) kümmert. Verkauft wird überwiegend ab Hof, aber auch an die Gastronomie in der Region.
So es denn stimmt, dass der Herrgott in nur sieben Tagen die Welt erschaffen musste, dürfte ihm gegen Ende das Erdreich ausgegangen sein. Also setzte er da und dort einen Haufen Gestein hin und deckte ihn mit Wald zu. So könnte die Ecke zwischen Inn und Donau entstanden sein. Oder es war doch so, dass sich die Donau im Laufe von Jahrtausenden ihren Weg bahnte und den Landstrich vom Böhmischen Granitmassiv abtrennte. Wie auch immer, der nordwestliche Winkel des Innviertels ist ein karger Boden.
Obstanbau und Viehwirtschaft haben auf den Grünlandinseln im Sauwald Tradition. Beides wird auf dem Hof der Familie Penzinger in der Ortschaft Schacher in Esternberg betrieben. Zur Mutter-Kuh-Haltung kam vor gut zehn Jahren die Most- und Saftproduktion. „Qualität war mir immer sehr wichtig“, erklärt der Mostsommelier Johann Penzinger (51). Als er seiner Vorstellung vom perfekten Most nahekam, wurden weitere Obstbäume gepflanzt und die Menge gesteigert. Die Nachfrage stieg jedoch rascher, als die Bäume wuchsen. Das Streuobst kommt nahezu zur Gänze aus der Region.
Der Bio-Betrieb erzeugt Most mit knapp sechs Prozent Alkoholgehalt und mehrere Säfte: Apfel, Birne und verschiedene Kombinationen. So gibt es neuerdings Birne-Himbeer. Eine Spezialität ist der Holler-Most, eine Art Cider. Der Most wird in Flaschen abgefüllt, die Säfte in einer BAG in BOX mit Zapfhahn. Verkauft wird vorwiegend über den regionalen Handel und an die Gastronomie. „Man muss dazu stehen, wo man ist und was man macht“, begründet Christine Penzinger die Marke Sauwaldsaft. Es gebe Kunden, die den Namen amüsant fänden, ergänzt ihr Mann.
Forst und Jagd
Der Sauwald erstreckt sich über 460 Quadratkilometer. Forstwirtschaft und Jagd spielen naturgemäß eine große Rolle. So ziemlich alles, was es dazu braucht, bietet Gerhard Moser (36) mit seiner Firma Profiforst in Esternberg an. Neuerdings steht er auf einem zweiten wirtschaftlichen Standbein. Als sein Vater im Vorjahr überraschend verstarb, übernahm er das von ihm angelegte Hirschgehege. Rund 80 Tiere finden auf neun Hektar ausreichend Nahrung. Im Sommer wird Heu beigefüttert, im Winter Gemüse.
„Der Hirsch ist ein extremer Selektierer“, weiß Moser. Er fresse nur beste Gräser und Blätter nur im Ganzen, darauf müsse man beim Heumachen achten. Jedes Jahr kommen zwischen 10 und 15 Junge dazu. Es gibt keine künstliche Befruchtung, das besorgt der Leithirsch auf natürliche Weise. Für die richtige Balance im Bestand sorgt gezielter Abschuss durch einen Jäger. „Absolut stressfrei“, versichert Moser. Die Tiere werden als Sauwaldhirsch verkauft, im Ganzen an die Gastronomie oder zerlegt und vakuumverpackt: Rücken, Filet, Schlögel, Ragout. Ein Hofladen ist geplant. „Der Sauwald steht für Regionalität und Qualität“, erklärt Moser. Man arbeite biologisch, nur die Zertifizierung als Bio-Betrieb fehle noch.
Die abseitige, wirtschaftlich benachteiligte Region leidet unter Abwanderung. Jene, die dableiben, brauchen Durchhaltevermögen und Fleiß. Und Kreativität. Und weil es an allem nicht mangelt, ist der Sauwald zum Qualitätsbegriff geworden. Mehrere Agrarprodukte firmieren unter diesem Namen. Pionier und Flaggschiff sind die Sauwald Erdäpfel. Kreiert haben die Marke Anfang der 1990er-Jahre einige Bauern in St. Aegidi, die sich zu einer Erzeugergemeinschaft zusammentaten. Der Anspruch war hoch: Österreichs beste Erdäpfel sollten es werden. Die Voraussetzung dafür liefert der Sauwald. Seine kargen, leichten Urgesteinsböden auf 500 bis 600 Meter Seehöhe sind ideales Anbaugebiet.
„Wir machen alles gemeinschaftlich, vom Anbau bis zur Ernte, Ankauf der Maschinen, Know-how-Transfer, Verkauf“, sagt Martin Paminger (37). Er ist Geschäftsführer der Sauwald Erdäpfel GmbH. Zehn Landwirte bauen auf etwa 40 Hektar ausschließlich Kartoffeln an – alle vier Jahre auf demselben Feld. Die Fruchtfolge hat man sich von Anfang an strikt auferlegt. So können Krankheiten und Schädlingsbefall minimiert werden. Unkraut wird rein mechanisch bekämpft, Keimhemmung erfolgt durch Kühlung und nicht chemisch. Zudem werden die Erdäpfel gereinigt, aber nicht gewaschen. So halten sie bis zum Kunden ihre ursprüngliche Qualität.
Mittlerweile sind die Sauwald Erdäpfel über die Region hinaus bekannt. Je nach Ertrag werden zwischen 1.000 und 1.400 Tonnen produziert und zu etwa 80 Prozent über den Einzelhandel vertrieben. Momentan gibt es zehn Sorten, ein Mehrfaches wird jedes Jahr im Versuchsgarten ausprobiert und gegebenenfalls in das Sortiment aufgenommen. Um die Saison zu verlängern, wurde im Vorjahr eine Lagerhalle errichtet. In dieser befindet sich ein Verkaufsraum, in dem es auch andere Agrarprodukte aus der Region und ein kleines Café gibt. In zwei Gewächshäusern sollen demnächst Obst und Gemüse, Süßkartoffel, Wassermelonen und Ingwer angebaut werden.
Wodka aus Erdäpfeln
Die Erdäpfelbauern von St. Aegidi sind stets auf der Suche nach Neuem. Vor gut zehn Jahren nahm Paminger an einem Workshop in Schweden teil, bei dem es um höhere Wertschöpfung ging. „Da ist mir die Idee gekommen, dass eigentlich die höchste Veredelung im Brennen liegt.“ Mit einem Profi wurde getüftelt, welches Brennverfahren und welche Sorte sich am besten eignen. Die Wahl fiel auf Freya, sie verleiht dem Wodka einen speziellen süßlichen Geschmack. Weil die Erdäpfel in Hanglagen gedeihen, wird der Wodka in schrägen Flaschen abgefüllt.
Innovativ
Gemeinsam ist den vier Bauern eine Kombination aus Bodenständigkeit und Innovationsgeist. Daraus hat sich neues Selbstbewusstsein entwickelt, das den einstigen Ruf des Hinterwäldlerischen in einen Vorteil umkehrt. „Der Sauwald hat mehr zu bieten als viel Holz“, sagt der Whiskeybrenner Wallner. Obstsaftmacher Penzinger: „Früher wollte keiner zum Sauwald gehören, jetzt machen wir Werbung damit.“ Übrigens: Dass sich der Name davon herleitet, weil hier einst viele Wildschweine gehaust hätten, ist ein Irrtum. Der Landstrich hieß einst Passauer Wald, übrig geblieben ist die Sau.
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