„Es ist viel Schwarzgeld im Spiel“
Sie ist 500 Seiten dick und trägt den Titel „Strukturreform des österreichischen Fußballs“: Zweieinhalb Jahre lang hat Karl Irndorfer für seine Doktorarbeit an der Linzer Johannes-Kepler-Universität geforscht.
Nun liegt das Ergebnis seiner ausführlichen Recherchen vor. Eines vorweg: Irndorfers Urteil über den Gesamtzustand des Lieblingssports der Österreicher ist vernichtend. Im Interview mit dem KURIER spricht der 34-jährige Ex-Bundesliga-Profi – er spielte unter anderem für Vorwärts Steyr, den LASK und Schwanenstadt – ganz offen über die Missstände im heimischen Fußball.
KURIER: Herr Irndorfer, Sie haben sich ausführlich mit dem österreichischen Fußball beschäftigt. Zu welchem Ergebnis sind Sie gekommen?
Karl Irndorfer: Die Struktur des heimischen Fußballs ist eine große, instabile Finanzblase. Und es wird versucht, dieses System aufrechtzuerhalten – mit teils rechtswidrigen Regelungen.
Was meinen Sie damit?
Nehmen wir nur die pauschale Aufwandsentschädigung von 540 Euro, die ein Spieler im Amateurfußball steuerfrei verdienen darf. Diese Regelung ist ein sportpolitisches Desaster und verfassungswidrig. Sollte jemand dagegen klagen, würde sie sofort fallen. Genauso verhält es sich bei der Stammspielerregelung, aber auch beim sogenannten Österreicher-Topf in der Bundesliga.
Sie schreiben in Ihrer Dissertation, dass Schwarzgeldzahlungen im Amateurfußball die Regel sind.
So ist es. Es fließt unheimlich viel Schwarzgeld, es werden permanent Steuern hinterzogen. Die Amateurvereine werden von ehrenamtlichen Funktionären geführt, eitlen Funktionären. Die bekommen für ihre Tätigkeit kein Geld. Stattdessen wollen sie Prestige und Anerkennung. Das geht nur über Erfolge in der Kampfmannschaft. Deshalb stecken die Funktionäre da das ganze Geld hinein – und ein großer Teil davon ist schwarz.
Es heißt doch immer, Finanzamt und Gebietskrankenkasse führen Kontrollen durch?
Ja, aber letztendlich werden Deals ausgehandelt, wenn jemand ertappt wurde. Man will ja keinen Verein sterben lassen.
Die Sache mit den Schwarzgeldzahlungen funktioniert also bestens – und das seit vielen Jahren.
Richtig. Das funktioniert nur, weil Fußballklubs als Vereine geführt werden. Sie haben keine Transparenzpflicht. Sie müssen sich nicht rechtfertigen. Regionalligisten oder auch OÖ-Ligisten sollten eigentlich als Wirtschaftsunternehmen geführt werden. Sie tun das aber nicht. Leider.
Was verdient ein Spieler durchschnittlich in der Regionalliga?
Wenn es sich um einen Ex-Profi handelt, kommt er auf ungefähr 21.000 Euro netto jährlich – dabei handelt es sich natürlich nicht nur um Schwarzgeld. Ein Amateur erhält 12.500 Euro netto im Jahr. Das ist ein Tausender im Monat. Nicht schlecht – schließlich geht der Spieler ja auch arbeiten. Er verdient damit also zweifach.
Und was ist in der OÖ-Liga zu verdienen?
Da streift ein Ex-Profi jährlich 14.000 Euro netto ein. Für einen Amateur gibt es 9000 Euro. Was mir im heimischen Fußball fehlt, ist der Leistungsanreiz.
Das müssen Sie jetzt genauer erklären.
Nun, ein Profi in der Ersten Liga, der zweithöchsten Spielklasse in Österreich, kommt durchschnittlich auf ein Nettojahresgehalt von 28.000 Euro. Der spielt aber nur Fußball und hat keinen anderen Job, wo er ebenfalls Geld verdient – so wie das in der Regionalliga der Fall ist.
Normal sollte es so sein: Wenn ich mehr Geld verdienen will, muss ich in eine höhere Leistungsstufe gehen. Bei uns ist dieser Anreiz aber nicht da. Geht’s dem Spieler ums Geld, spielt er lieber in der Regionalliga – und nicht weiter oben.
Wie sehen Sie die Rolle des Österreichischen Fußballbundes?
Der ÖFB ist eine riesige Marketingmaschinerie. Die läuft auf Hochtouren. Nur ein Beispiel: Ich erinnere mich noch gut an das Jahr 2008. Bei der Heim-EM hat es stets geheißen, die Veranstaltung kommt zwei Jahre zu früh für unser Nationalteam. Und jetzt? Schreiben wir das Jahr 2013. Viele Verbesserungen sehe ich aber nicht.
Finden Sie nicht, dass das rot-weiß-rote Nationalteam Fortschritte gemacht hat?
Nehmen Sie einmal die drei Spieler Alaba, Arnautovic und Harnik weg. Was ist das ÖFB-Team ohne dieses Trio, das mit dem sogenannten österreichischen Weg überhaupt nichts zu tun hat. Alaba und Arnautovic sind früh ins Ausland gegangen, Harnik war schon immer in Deutschland. Seien wir doch ehrlich: Wir haben aufgeholt, hinken den anderen Nationen allerdings noch immer nach. Ich darf gar nicht an das Projekt „Challenge 2008“ von Willi Ruttensteiner denken.
Warum? Was ist damit?
Dieses Projekt war ein einziges Desaster, ein gut gemeinter Versuch, bei dem jedoch nichts herausgekommen ist. Es ist höchst unseriös von ÖFB-Sportdirektor Willi Ruttensteiner zu behaupten, die Erfolge der Nachwuchsteams seien eine Konsequenz der „Challenge 2008“, die übrigens 4,3 Millionen Euro gekostet hat. Und was hat das Projekt gebracht? Nichts!
Wie sehen Sie die Chance, dass sich Österreich für die WM 2014 in Brasilien qualifiziert?
Die Chance besteht. Weil im Fußball auch der Zufall oft Regie führt. Mit sehr viel Glück könnten wir es schaffen. Aber seine Strategie allein auf Glück aufzubauen, ist unverantwortlich. Jeder Manager, der das in der Privatwirtschaft macht, wäre sofort seinen Job los. Das österreichische Nationalteam muss den Anspruch haben, ständig unter den Top 30 der Welt zu sein. Die Voraussetzungen wären da. Es gibt auch genügend Geld. In der Schweiz und in Dänemark funktioniert es ja auch.
Verfolgen Sie eigentlich noch das Geschehen bei Ihrem Ex-Klub LASK mit?
Ja, auf jeden Fall. Der LASK ist ein gutes Beispiel dafür, was passiert, wenn die Transparenz fehlt. Hat irgendwer schon einmal eine Bilanz des Vereins gesehen? Präsident Peter-Michael Reichel muss sich gegenüber niemandem rechtfertigen. So kann dabei einfach nichts herauskommen.
Der frühere Fußball-Profi Karl Irndorfer weiß, wovon er spricht. Zwischen 1996 und 2003 schnürte er seine Fußballschuhe für Vorwärts Steyr, St. Pölten, LASK und Schwanenstadt – alles ehemalige Vereine der höchsten und zweithöchsten Spielklasse, die entweder den Gang zum Konkursrichter antreten mussten oder überhaupt aus dem Fußball-Oberhaus verschwunden sind.
Irndorfer, der in Gallneukirchen aufgewachsen ist und nun in Linz lebt, war in seiner Karriere als Spieler oft verletzt – darum hat er auch relativ bald seine Fußballschuhe an den Nagel gehängt. Sein damaliger Trainer bei Vorwärts, Dolfi Blutsch, sagt noch heute über den Defensivmann: „Er hat genau das umgesetzt, was ich von ihm verlangt habe. Ein kluger Fußballer und ehrlicher Trainierer.“
Jetzt ist Irndorfer Doktor der Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. Betreut wurde er bei seiner Dissertation an der Johannes-Kepler-Universität in Linz von den Professoren Gerhard Fröhlich und Martin Karollus. Prüfer war Friedrich Schneider.
Seine Doktorarbeit bringt Irndorfer in den nächsten Tagen als Buch heraus. Im deutschen Disserta-Verlag. Vielsagender Titel: „Strukturreform des österreichischen Fußballs. Der Ball ist rund, das Geld ist schwarz.“
Ab Februar macht sich der Ex-Kicker als Unternehmensberater für Sportverbände und Sportvereine selbstständig. „Ich freue mich schon riesig auf diese neue Herausforderung.“
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