Eine Artistin, die auf dem Wasser tanzt

Nicola Kuhn
Die Linzerin Nicola Kuhn hat nach der Bronze-Medaille bei der Europameisterschaft Lust auf weitaus mehr. Von Gerhard Marschall.

Franz Oberleitner, Nationaltrainer der Wasserskisportler, ist rundum happy: „Wir sind überglücklich, weil wir endlich einmal eine Medaille im Team gewonnen haben.“ Stätte des Glücksmoments war Recetto im norditalienischen Piemont, wo kürzlich die Europameisterschaft ausgetragen wurde. Das österreichische Sextett fuhr und sprang Bronze ein.

Wesentlichen Anteil daran hatte Nicola „Nici“ Kuhn vom WSV Linz-Donau. Sie gewann überdies im Figurenlauf Bronze. Tags zuvor war sie 23. geworden. Nach dem U21-Titel im Vorjahr sei es zwar ihr großes Ziel gewesen, auch in der Allgemeinden Klasse – „bei den Großen“ – eine Medaille zu holen. „Aber ich habe nicht damit gerechnet, dass es schon heuer so weit ist.“ „Bei einer EM ist es vielleicht nicht so wichtig, die absolut Beste zu sein, sondern die Beste an diesem Tag“, sagt Coach Oberleitner.

Auf dem Punkt in Bestform

Er weiß, wovon er spricht. Der 67-jährige Mister Wasserski aus Gmunden hat Titel gesammelt wie andere Briefmarken. 44 dürften es sein, vermutet er. Mit 57 wurde Oberleitner in seiner Altersklasse noch dreimal Europameister und dreimal Weltmeister. Dass Kuhn auf den Punkt genau in Bestform sein werde, habe sich abgezeichnet, sagt Oberleitner: „Sie ist immer sicherer geworden, das zeichnet sie heuer aus.“ Kuhn nehme den Sport sehr ernst und arbeite akribisch an ihrer Technik, mittlerweile bringe sie bereits auch einige Erfahrung mit.

Eine Artistin, die auf dem Wasser tanzt

Nicola Kuhn

In Österreich sei sie als gute Slalomläuferin bekannt, international aber vor allem in Figurenlauf stark. Kuhn sieht ihr Potenzial ebenfalls eher im Trick-Bewerb. Dabei müssen in zwei Läufen à 20 Sekunden möglichst viele, möglichst schwierige Figuren – Salti oder Sprünge mit Drehungen – gezeigt werden. Oder sogenannte „Toe-Tricks“ mit einem Fuß an der Leine. Die lägen ihr besonders gut, sagt Kuhn. Sie verfüge über ein gutes Gleichgewichtsgefühl, sei obendrein flink.

Mit dem Jusstudium fast fertig

An Ausdauer, Geduld und Ehrgeiz mangelt es ihr offenkundig auch nicht. Der Trick-Lauf sei gewiss die aufwendigste Disziplin, erklärt Kuhn: „Man braucht gefühlt fünftausend Stürze, bis man eine Figur perfekt beherrscht. Aber wenn man es dann kann, ist das Gefühl umso besser.“ Auch beim Jus-Studium an der Johannes-Kepler-Universität geht sie zielstrebig und konsequent vor. Trotz drei Stunden auf dem Wasser sechsmal pro Woche plus Ausdauer- und Krafttraining ist sie im neunten Semester und „fast fertig“. Im Übrigen war das Bronze-Team von Recetto zur Hälfte oberösterreichisch. Neben Kuhn waren auch ihr 18-jähriger Bruder Dominik und Alexander Gschiel (19) aus Steyregg vom MYCC Linz mit von der Partie.

Wassersport Familiensache

Der Wasserskisport ist bei den Kuhns Familiensache, wurde schon von Opa und Oma ausgeübt. Mama Claudia, 38-fache Staats- und dreifache Europameisterin, ist heute Betreuerin der Tochter. „Was gibt es Schöneres, als im Sommer bei Sonnenschein mit ihr und Dominik auf dem Wasser zu sein“, schwärmt Nici und fügt hinzu: Für die kühleren Zeiten gebe es mittlerweile sehr gute Anzüge, und zweimal im Jahr gehe es zum Training nach Colorado/USA.

Heuer stehen noch zwei größere Wettkämpfe an. 2023 ist WM-Jahr. Eine EM gibt es ebenfalls wieder. Hier will sie jedenfalls mehr, „wenn möglich eine Kategorie über Bronze“. Auch die längerfristigen Ziele steckt sie sich selbstbewusst nicht zu niedrig: „So viele Medaillen wie möglich gewinnen.“

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