„Ein seriöser, gepflegter Herr“

„Ein seriöser, gepflegter Herr“
Der 66-jährige Franz W. soll jahrelang mehrere Familienmitglieder sexuell missbraucht haben. Nachbarn und Freunde sind fassungslos.

Er ist stets höflich, steht oft auf dem Balkon, raucht und winkt mir zu, wenn ich vorbeigehe“, sagt eine Nachbarin über Franz W.. Auch eine Wirtin, bei der der 66-jährige Pensionist fast täglich einkehrt, um einen Kaffee zu trinken, weiß nur das Beste über ihren Stammgast zu berichten. „Er ist ein seriöser Herr und wirkt immer sehr gepflegt. Ich habe noch nie ein Problem mit ihm gehabt“, betont die Pächterin des Lokals.

Franz W. ist jener Mann aus dem Bezirk Steyr-Land, dem vorgeworfen wird, sich sexuell an mehreren Familienmitgliedern, aber auch an Freundinnen seiner Enkelin vergangen zu haben. Für ihn gilt die Unschuldsvermutung. „Bis jetzt gibt es sechs mutmaßliche Opfer“, bestätigt Andreas Pechatschek, der Sprecher der Staatsanwaltschaft Steyr.

Die Übergriffe sollen in den vergangenen vier Jahren stattgefunden haben. In der näheren Umgebung des Mannes schöpfte niemand Verdacht. „Es klingt so unglaublich, mir wäre nie etwas aufgefallen“, sagt eine Freundin der Familie, die Tür an Tür mit W. lebt. Für eine weitere Nachbarin, die ebenfalls im selben Haus wohnt, sei es nun wichtig, die mutmaßlichen Opfer zu schützen. „Mehr will ich dazu nicht sagen.“

Angesehener Bürger

Egal, ob in der Tabak-Trafik, im Frisiersalon oder im Kaffeehaus auf dem Hauptplatz – niemand kann sich vorstellen, dass W., ein angesehener Bürger, zu den ihm vorgeworfenen Taten fähig sein soll. „Er ist so hilfsbereit und kocht gerne für gesellige Runden“, erzählt ein Mitglied des örtlichen Tennisklubs, bei dem auch der Verdächtige spielt. Die Sache kam ins Rollen, weil sich eines der mutmaßlichen Opfer dem Steyrer Kinderschutzzentrum WIGWAM anvertraute. „Die Anzeige bei der Polizei muss aber immer von einem Betroffenen kommen. Wenn die Familie von einer Anzeige nichts wissen will, gibt es von uns auch keinerlei Hinweise an die Polizei“, sagt Sonja Farkas, die Leiterin des Zentrums.

Die Ermittlungen gegen W. laufen auf Hochtouren. Der 66-Jährige, der in der Justizanstalt Garsten in U-Haft sitzt, streitet alle Vorwürfe ab. Ferdinand Rankl, der zu W.s Pflichtverteidiger bestimmt wurde, kann zum Fall noch nichts sagen. „Ich muss erst einmal den Akt vom Gericht bekommen“, sagte der Jurist am Mittwoch. Fest steht: Nächste Woche sollen die mutmaßlichen Opfer einvernommen werden – unter Einbeziehung eines Psychologen.

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