Ein Rettungsanker für Menschen in Not
Es ist Punkt neun Uhr, die Tür öffnet sich und die ersten Frühstücksgäste strömen in den Raum. Vom Buffet holen sie sich frisches Gebäck, Wurst, Jogurt, Kaffee oder Tee und suchen sich einen Platz. Einige sehen noch müde aus von der kalten Nacht im Freien. Die Stimmung ist ruhig, nach den ersten Bissen breitet sich allgemeine Zufriedenheit aus.
Als Erwin und Petra Hehenberger vor elf Jahren die OÖ. Tafel ins Leben riefen, hatten sie keine Ahnung, wie groß diese Herzensangelegenheit einmal werden würde. „Wir sind nach Wels übersiedelt und haben damals bemerkt, dass es hier noch keine Sozialküche gibt. Wir wollten uns ehrenamtlich engagieren, den Menschen Gutes tun und so die christliche Nächstenliebe weitergeben“, erinnert sich Erwin Hehenberger.
Kostenlos
Mittlerweile hat die Sozialküche von Montag bis Freitag von 9 bis 17 Uhr offen, bis zu 40 Mahlzeiten pro Tag werden ausgeben – Frühstück, Mittagessen und eine Jause am Nachmittag. Die Hauptspeise zu Mittag kostet einen Euro, alles andere ist kostenlos. „Dabei sprechen wir vor allem jene Menschen an, die mit wenigen hundert Euro im Monat auskommen müssen. Egal ob Männer oder Frauen, Familien mit Kindern, alleinerziehende Mütter, Langzeitarbeitslose, Mindestpensionisten, chronisch Kranke oder Haftentlassene – als einziger Richtwert für einen Anspruch gilt die bedarfsorientierte Mindestsicherung,“ erklärt Hehenberger. Seine Frau Petra weiß, dass es um viel mehr als nur Nahrung geht: „Wir bieten diesen Menschen in Not eine ruhige, warme Umgebung für Kommunikation und soziale Kontakte.“
Viele wollen ihre Probleme loswerden, einfach erzählen, einigen konnte bei einem Neustart in ein geregeltes Leben geholfen werden. Was als Versuch begann, ist ein regionales Großprojekt geworden – mit vier hauptberuflich Angestellten, einer Teilzeitkraft, zwei Zivildienern, 25 ehrenamtlichen Mitarbeitern und auch immer wieder Menschen, die bei der OÖ. Tafel Sozialhilfestunden statt einer Strafe ableisten müssen.
Lebensmittel
Denn die Tafel ist mittlerweile weit mehr als eine Sozialküche: Auf dem Standort am Welser Flotzingerplatz befindet sich ein Verteilzentrum für Lebensmittel und Hygieneprodukte, die noch gut erhalten, aber im Handel nicht mehr verkäuflich sind. „Drei Mal pro Woche fahren wir viele Geschäfte in Wels an, ein Mal wöchentlich machen wir eine große Tour durch Oberösterreich. Die Waren, die wir bekommen, werden von uns kontrolliert und zum einen in der Sozialküche verarbeitet oder sie kommen in unseren Sozialmarkt“, erklärt Erwin Hehenberger.
Dort kann dann mit Berechtigungskarte besonders günstig eingekauft werden. 250 Tonnen Lebensmittel hat Hehenberger mit seinem Team 2019 verkauft, verteilt und verkocht. Tendenz steigend. Und als drittes Standbein gibt es das Welser Outlet, in dem es Second-Hand-Kleidung gibt.
Obwohl es besser werde, sei die Scham über die Lebensumstände noch immer groß, weiß Hehenberger aus Erfahrung: „Vor allem Senioren, die ihr Leben lang gearbeitet haben und bei denen die Pension jetzt nicht ausreicht, tun sich schwer damit, Unterstützung anzunehmen.“ Deswegen seien die Angebote auch so niederschwellig wie möglich gehalten.
Spenden
Finanziert wird die OÖ. Tafel fast zu 100 Prozent über Spenden von Firmen und Privatpersonen, „eine Förderung der Stadt Wels in Höhe von 4500 Euro pro Jahr kriegen wir auch.“
Wenn Erwin Hehenberger zehn Jahre nach vorne blickt, weiß er ganz genau, wo er mit seinem Herzensprojekt stehen möchte: „Ich stelle mir vor, dass wir eine Therapiestelle mit einer Tagesstruktur für Drogen- und Alkoholabhängige sind. Und dass wir DAS Verteilerzentrum für Lebensmittel in der Region werden. Und über allem soll stehen, dass wir Gottes Liebe praktisch durch unser Tun im Alltag weitergeben.“
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